Melk (PB Melk), Kloster, Dietmayrsaal Zitieren
Der Dietmayrsaal im Stift Melk ist mit einem Deckenfresko ausgestattet, welches die Gottesbestimmtheit weltlicher Macht – konkret der Macht Kaiser Karls VI. – als Thema hat. Im Zentrum des Freskos findet sich ein göttliches Auge, das in ein hell erstrahlendes Dreieck eingefasst ist. Das Dreieck schwebt über einem Zepter, das auf dem Kopf steht und mit der Spitze auf einen Punkt auf der darunterliegenden Weltkugel weist: Österreich. Das Zepter ist hinterlegt mit einem Banner, auf dem „Cui Vult.“ geschrieben steht. Auf dem Wolkengebilde links und rechts von der Erdkugel sitzen zwei in Rüstungen gekleidete, bewaffnete, geflügelte Figuren, die Reichsapfel und Lorbeerkranz ins Licht emporhalten. Diese Szene wird eingesäumt von weiteren Genien, die jeweils zwei Schilder mit sich führen. Auf diesen sind verschiedene Kronen abgebildet, wie zum Beispiel eine Tiara, die Krone Karls des Großen oder die Wenzelskrone.
Dieser Hauptteil des Freskos wird an den Ecken von vier ovalen Bildern mit allegorischen Darstellungen der vier Erdteile eingefasst. Die Erdteilallgeorien sind so platziert, dass beim Betreten des Raumes der Blick zuerst auf Europa fällt. Die Figur ist – wie die anderen drei Allegorien auch – weiblich dargestellt. Es begleitet sie ein Pferd, das ein üppig verziertes Brustgeschirr und Zaumzeug trägt. Die Mähne des Pferdes weht im Wind, den Kopf hat es Europa zugewandt. Deren Blick wiederum ist auf das Pferd gerichtet, das Gesicht ist daher nur im Profil zu sehen. Europa führt das Tier mit der Linken, während sie in der Rechten ein Zepter hält. Auf dem Haupt trägt sie ein Diadem, das mit Perlen versehen ist, außerdem ein Kopftuch, unter dem die im Nacken gebundenen Haare sichtbar werden.
Gekleidet ist Europa in ein Kleid mit Verzierungen am Saum und Gürtel unter der Brust. Als Schmuck trägt sie einen mit Perlen bestückten Armreif. Der um die Schultern geschlungene Umhang bedeckt die Arme bis zum Ellbogen und wird hinter Europas Rücken hochgeweht. Das Kleid ist bis über die Knie hochgerafft, die Raffung wird am Oberschenkel mit einer Brosche gehalten und entblößt die Beine und nackten Füße Europas. Wie das Pferd auch schreitet Europa nach vorne aus.
Auch Asien und deren Dromedar, die rechts von der Europa-Personifikation platziert sind, befinden sich in einer solchen Vorwärtsbewegung. Geschirr und Zaumzeug des Dromedars sind reich verziert. Die Zügel greift Asien mit ihrer Rechten, während auf dem linken Arm ihr Gewand ruht. Dieses ist ausgestattet mit Trompetenärmeln und Verzierungen am Saum. Da sie mit der Linken das Kleid anhebt, ist das vordere Bein bis auf Kniehöhe entblößt und die kniehohen Schnürsandalen werden sichtbar. Das Haar trägt sie im Nacken gebunden, größtenteils sind die Haare aber unter einer reich verzierten, einem Turban ähnlichen Kopfbedeckung versteckt. Den Kopf hat Asia leicht nach links unten geneigt, sodass sie vom Dromedar weg und aus dem Bild hinaus blickt.
Auch Afrika unterscheidet sich physiognomisch von den restlichen Figuren: Sie hat eine bedeutend breitere Nase und vollere Lippen. Weiter hat sie eine erkennbar dunklere Hautfarbe als die restlichen Figuren. Ihr hat der Künstler einen Elefanten zur Seite gestellt, der wie Pferd und Dromedar ein reichlich verziertes und mit Quasten ausgestattetes Geschirr trägt. Afrika lehnt sich an den Elefanten an, ihr linker Arm liegt auf dem Rücken des Tieres auf, ebenso wie der Bogen, den sie in dieser Hand hält. Der rechte Arm ist nach unten ausgestreckt, in dieser Hand hält sie einen Pfeil zum Bogen. Den Köcher trägt sie auf dem Rücken. Ihr Gewand hat kurze Ärmel und ist reichlich mit Perlen geschmückt. Während die rechte Brust von diesem Gewand verdeckt ist, wird die linke teilweise entblößt. Ein Umhang ist zusätzlich mit einer prachtvollen Brosche an der rechten Schulter festgesteckt. Auch der Federreif auf ihrem Haupt wirkt prunkvoll, und selbst an ihren Ohren trägt Afrika Perlen. Auch hier ist der Rock hochgerafft, sodass die Beine sind bis zu den Oberschenkeln hoch sichtbar sind, ebenso wie die hoch geschnürten Sandalen und der Federrock, den Afrika unter dem Stoff trägt. Im Gegensatz zur sehr dynamischen Europa und der aktiv wirkenden Asien erscheint die Afrika-Personifikation sehr viel ruhiger. Sie hat ihre Beine leicht nebeneinander platziert und blickt in sich gekehrt. Der Elefant scheint weitaus aktiver, vor allem dadurch, dass er den Kopf frontal zum Betrachter/zur Betrachterin wendet, diese/n also direkt anblickt.
Amerika ist wiederum etwas aktiver dargestellt. Sie umfasst mit der Linken entschlossen die Zügel eines unruhig tänzelnden Löwen. Dieser schreitet mit Vorder- und Hinterbeinen aus, reckt seinen Schwanz nach oben und hat sein Maul leicht geöffnet. Den Blick hat er auf Amerika geheftet, die jedoch keinen Blickkontakt zu ihm aufbaut. Amerika selbst blickt nach links aus dem Bild, sodass ihr Gesicht – mit lächelndem Mund und weit aufgerissenen Augen – im Halbprofil zu sehen ist. Sie hebt ein Bein leicht hoch, wirkt aber dennoch recht verwurzelt. Auch ihr Rock ist stark hochgerafft und wird mit einer Brosche am Oberschenkel und mit einem verzierten Gürtel an der Taille gehalten. Ein Oberteil trägt Amerika nicht, Oberkörper und Oberarme sind allerdings reichlich mit Perlen und Ketten geschmückt. Die Brüste werden durch den rechten Arm, den Amerika über ihren Oberkörper nach links hin zum Löwen streckt, verdeckt. Auf dem Haupt trägt sie eine Federkrone, und auch diese ist großzügig mit Perlen ausgestattet. Das lange Haar weht offen im Wind.
Dass Europa keine Krone trägt ist vor allem bemerkenswert. Ihr Kopfschmuck wirkt ungewöhnlich ärmlich und simpel im Gegensatz zu denen der anderen Allegorien. Dafür wirkt sie im Vergleich mit den restlichen Personifikationen bedeutend dynamischer.
Das Thema der Raumausstattung im Dietmayrsaal ist die Gottesbestimmtheit weltlicher Macht, wobei im Fresko dezidiert auf die habsburgische Macht verwiesen wird. Der Anbringungsort dieses Freskos ist sicherlich nicht zufällig gewählt, war das „kleine Salettl“ wie der Raum ursprünglich genannt wurde, doch mitten im Kaisertrakt situiert und gehörte als Repräsentationsraum zu den kaiserlichen Gastzimmern. Das Bildprogramm wurde in einer Zeit ausgearbeitet und umgesetzt, in der sich das Haus Österreich als Großmacht konsolidierte. Im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges (1701–1714) waren die Grenzen der österreichischen Länder neuerlich festgelegt worden und Karl VI. gelang es im Laufe seiner Regierungszeit eben diese Grenzen zu sichern. Bereits im Zuge der von ihm 1713 erlassenen Pragmatischen Sanktion bezeichnete Karl VI. die von ihm beherrschten Länder als „unteilbar und untrennbar“.[1] Zur Legitimation eines solchen Machtanspruchs wurde offenbar auch die damals übliche Strategie der Gottesbestimmtheit angewandt: Die Herrschaft wurde als „gottgewollt“ und damit unumstößlich dargestellt.
Dass sich eine solche Darstellung in einem Melker Fresko findet, ist insofern plausibel, als der dortige Abt Berthold Dietmayr (Amtszeit 1700–1739) in der Kaiserfamilie hoch angesehen war und als Berater Kaiser Karls VI. fungierte.[2] Es kann insofern davon ausgegangen werden, dass man in Wien dem Kloster Melk wohlgesinnt war und hier ein freundschaftliches Verhältnis bestand.[3]
[1] siehe Vocelka 2002, 148.
[2] Coreth, Anna, „Dietmayr, Berthold von“, in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 675 f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd124510736.html.
[3] siehe Floßmann et al. 1980, 58.
- zentrales Fresko: Die Gottesbestimmtheit weltlicher Macht
- Ecken: Freskenmedaillons mit den vier Erdteilen
- Fensterseite: Europa und Asien
- Wandseite: Amerika und Afrika
Die Erdteilallegorien in Begleitung ihrer Tiere entstammen dem Kupferstich „Glorie des heiligen Benedikt“ von Johann Karl von Reslfeld (1658–1735), gestochen von Leonhard Heckenauer (1655–1704). Für eine Abbildung der gesamten Komposition Reslfelds sowie weiterführender Informationen siehe Die Glorie des heiligen Benedikt – Thesenblatt von J. K. von Reslfeld und dessen Rezeption.
Zuletzt aktualisiert am: 24.02.2016