Die schützende Maria

Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg “Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburgs im 18. Jahrhundert” (449–450):

Auf den Typus der mittelalterlichen Schutzmantelmadonna[1] rekurriert im Bistumsgebiet die Mariendarstellung in der österreichischen Enklave Jungholz. Maria sitzt auf Wolken und ist in ein rotes Gewand und einen blauen Mantel gekleidet. Die überdimensionierte Größe des Mantels verweist auf das Motiv der Schutzmantelmadonna: Unter dem Schutz Mariens haben sich in der unteren Bildhälfte die Vertreter der vier Erdteile versammelt. Die Kombination mit der Erdteilikonografie ist äußerst selten und außerhalb des Bistumsgebiets innerhalb der Wand- und Deckenmalerei nur noch in der Pfarrkirche St. Cosmas und Damian in Liggersdorf (Bistum Konstanz) zu finden.[2]

Das Motiv spielt hier auf die Vorstellung der mater omnium an, die ihren Mantel schützend über die gesamte Menschheit hält. Der Schutz gilt sowohl irdischem Ungemach als auch göttlichem Zorn. Maria leistet Fürbitte für die Schutzsuchenden, wodurch sich das Motiv als Darstellungstypus in die Reihe der Interzessionsdarstellungen einreihen lässt, wobei das Jesuskind auf ihren Knien die Botschaft des Beistands und Schutzes um die der Erlösung erweitert.[3] In der volkstümlichen Litanei zählte das Schutzgebet Mariens mit zu den beliebtesten Gebeten und fand besonders in Notzeiten häufig Verwendung. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges entstand in Innsbruck das heute noch bekannte Lied Maria, breit den Mantel aus (GL 595[4]), das in der zweiten Strophe den Gedanken der Zuflucht unter Mariens Schirm und Schutz für die ganze Christenheit wie folgt formuliert:

„Dein Mantel ist sehr weit und breit, | er deckt die ganze Christenheit, | er deckt die weite, weite Welt, | ist aller Zuflucht und Gezelt. | Patronin voller Güte | uns alle Zeit behüte.“[5]

Ikonografisch bildete sich das Motiv aus mittelalterlichen und frühneuzeitlichen „Vorbildern“ heraus,[6] in denen die Schutzbefohlenen aus der europäischen Elite – Papst, Kaiser, König, Ordensritter, Adel, Klerus – bestehen. In der Kombination mit der Erdteilikonografie entwickelte es sich insofern weiter, als die dicht aneinandergedrängt stehenden Menschen kompositorisch auf die vier Vertreter der Erdteile reduziert und gleichzeitig auf der inhaltlichen Ebene erweitert wurden. Es ist dies eine Entwicklung, die mit der neuzeitlichen Personenreduktion begonnen hatte, in der die Anzahl der Fliehenden unter dem Schutz und Schirm Mariens auf bis zu zwei Personen beschränkt wurde. [7]  

In Liggersdorf steht die Wahl des Themas anders als in Jungholz nicht so sehr mit dem Kirchenpatrozinium in Zusammenhang, sondern vielmehr mit dem Patronatsherrn. Dieser waren die Deutschordensritter der Ballei Elsass-Burgund mit Sitz in Altshausen. Während die 25 Jahre früher entstandenen Langhausfresken der Liggersdorfer Dorfkirche des Saulgauer Malers Franz Josef Zürcher auf die Rolle des Ordens in der Krankenpflege anspielt – die Kirchenpatrone, Ärzte und Heiligen Kosmas und Damian werden verherrlicht und ihnen insbesondere Heilige aus der Krankenpflege beigefügt[8] –, nimmt das Chorfresko auf die besondere Bedeutung Mariens innerhalb der Ordensgeschichte Bezug. Die Ordensritter hatten seit jeher eine besondere Beziehung zur Muttergottes, die sie als ihre Schutzherrin sahen, und bezeichneten sich selbst als „Marienritter“.[9] Diese Verbundenheit schlug sich auch in der Ordensikonografie nieder, die sich bestehender Bildschöpfungen der Marienverehrung bediente. Besonders die Schutzmantelmadonna erfreute sich großer Beliebtheit innerhalb des Ordens.[10] So finden sich bereits in gotischen Auftragswerken des Deutschen Ordens immer wieder Kunstwerke, auf denen sich Ordensritter unter dem Mantel Mariens darstellen ließen.[11]

 

[1]       Zur ikonografischen Tradition siehe Pedrizet La vierge 1908; Beissel Verehrung Marias 1910, 405f; Schué Gnadenbitten 1918, 251–285; Sussmann Schutzmantel 1929, 285–357; Belting-Ihm Sub matris tutela 1976; LCI Schutzmantelschaft 1994, 127f. Einen Ursprung sieht Christa Belting-Ihm in der römischen Votivikonografie und einen weiteren schriftlicher Natur in der Schrift De gloria martyrum des Bischofs Gregor von Tours (Belting-Ihm Sub matris tutela 1976, 538–594).

[2]       Obwohl man das Thema mit den Erdteilen kombiniert auch im Kupferstich findet, wurde es selten in die Monu-mentalmalerei umgesetzt. Bei den Kupferstichen handelt es sich einerseits um ein Thesenblatt aus dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts, entworfen von Johann Lorenz Haid und verlegt von Christian und Georg Philipp Rugendas (Abb. in AK Schlosshof Federschmuck 1992, 299, Kat.-Nr. 8.27), andererseits um einen Entwurf von Johann Georg Bergmüller, verlegt von Gottlieb Heiß.

[3]       Vgl. LDM Schutzmantel 7/2003, 1597.

[4]       Bzw. in der neuen Version des katholischen Gesangbuches Gotteslob (2013/14) unter 534.

[5]       Das Lied wurde im Zuge der wachsenden Verehrung des Innsbrucker Gnadenbildes Muttergottes von Foya kom-poniert, das 1639 von den belgischen Jesuiten in Leuven in die Schwesterprovinz übersandt worden war; vgl. Van Banning Gnadenbild 2013.

[6]       Das Motiv der Schutzmantelmadonna war weit und in allen Gattungen verbreitet, wie die genannten Schrein-madonnen in Polen, das berühmte Fresko Domenico Ghirlandaios in der Cappella Vespucci der Florentiner Kirche Ognissanti oder das Fresko in der Lienzer Dreifaltigkeitskapelle von Schloss Bruck in Ostirol (Abb. in ZI-FDA) und letztlich die Reihe von Tafelgemälden im Gebiet der Herzogtümer Bayern/Landshut und Bayern/München zeigen; vgl. Schué Gnadenbitten 1918, 251–285; Niedersteiner Schutzmantelmadonnen 2009, 155–243.

[7]       Vgl. Beissel Verehrung Marias 1910, 411.

[8]       Hierbei handelt es sich unter anderem um die heiligen Alexius (Pest), Lucia (Augenleiden), Apollonia (Zahnleiden) etc.

[9]       Bereits bei der Ordensgründung in Akkon 1198 nannten sich die Ritter nach dem Spital in Jerusalem „Deutsches Haus Sankt Mariens“.

[10]      Einen ersten Überblick über die Verwendung der Marienikonografie im Stammland des Ordens bietet der Aufsatz von Jerzy Domaslowski Gotische Malerei im Dienste des Deutschen Ordens 1985, 169–184. Vgl. auch die Skizze von Leo Andergassen zur Repräsentationsikonografie des Ordens 1991, 465–502.

[11]      Im Falle der Schreinmadonna aus Elbing (heute: Elbląg; zerstört 1945) aus dem 14./15. Jahrhundert können konkret historische Personen wie der Ordensmeister Konrad von Jungingen oder der Komtur Konrad von Kyburg-Burgsdorf identifiziert werden. Andere Madonnen in Sejny (Seinai), Misterhult (Schweden) oder auch Klonowken (Klonówka) zeigen Ordensritter unter ihrem Mantel. Vgl. Domaslowski Gotische Malerei 1985, 178f. Für eine Abbildung der Elbinger Madonna siehe Bildarchiv Foto Marburg „mi00499e10“. 

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Titelabsteigend sortieren Art Zeitliche Einordnung
Ailingen (Bodenseekreis), St. Johannes Baptist, Rosenkranzkapelle Erdteilallegorien 1789-1789
Jungholz (PB Reutte), Mariae Namen Erdteilallegorien 1781-1781
Liggersdorf (Konstanz), SS. Cosmas und Damian Erdteilallegorien 1788-1788

 

Forschungsplattform Erdteilallegorien im Barockzeitalter / Research Database Continent Allegories in the Baroque Age

Nirgendwo hat der Barock eine solche Dichte an Allegorien der vier Erdteile – Europa, Asien, Afrika und Amerika – hervorgebracht wie im Süden des Heiligen Römischen Reiches. In ihnen manifestieren sich die Vorstellungen des Barock von der Gestalt der Welt, ihrer politischen, sozialen und spirituellen Ordnung, vom Fremden wie vom Bekannten. Diese einzigartige Sammlung dokumentiert Darstellungen der vier Erdteile in Fresken, Stuck, Gemälden oder Skulpturen in ihren ursprünglichen Ausstattungskontexten. Baugeschichten sind ebenso erfasst wie Künstler und Auftraggeber.

Publikationen zum Projekt:

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Allegories of the four continents – Europe, Asia, Africa, and America – were an extremely popular iconographic motive during the baroque era. It was most prevalent in the Southern Parts of the Holy Roman Empire. These allegories express/manifest/carry the imagination/conception/vision of the baroque of the shape of the world, its political, social, and spiritual order as well as of foreign and familiar things. This unique collection documents depictions of four continents in frescoes, stucco, paintings or sculptures in their place of origin. The historical contextualization contains the building history as well as artists and principals.

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