Kanzeln als Anbringunsort

Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (114f.):

[…D]er eigentliche öffentliche „liturgisch-pastorale Handlungs- und Bühnenraum“[1] des Priesters [war] die Kanzel. In der Regel an einer der Langhauswände (meist im Norden) angebracht, dominierte sie den Raum durch ihre erhöhte Anbringung sowie ihren plastischen Reichtum. Bereits im Mittelalter gab es Kanzeln, sie wurden aber als Verkündigungsort des Wortes Gottes in nachtridentinischer Zeit durch ihre plastische Ausgestaltung prominenter in Szene gesetzt. Beliebter Bestandteil des ikonografischen Programmes waren die vier Erdteile. Die Erdteile sind auf dem Schalldach, an der Kanzeltreppe sowie am Kanzelfuß zu finden. Bislang nicht bekannt ist die Einbindung der Erdteile in szenische Darstellungen, wie sie häufig in Form einzelner Reliefs am Kanzelkorb angebracht sind. Die Erdteile treten als ausgewachsene Personen in Begleitung ihrer Tiere (Laupheim, Sankt Lambrecht), als Putti (Fünfstetten, Oberotterbach) oder auch als Büsten (Loiching, Mallersdorf) auf. Unterschieden werden sie genauso wie ihre narrativeren „Schwestern“ im Deckengemälde[2] anhand ihres Inkarnats, ihrer Kleidung sowie verschiedener Attribute. Eine besondere Ausführung findet sich auf dem Schalldach der Kanzel in der Klosterkirche von Sankt Lambrecht in der Steiermark. Hier hat der Künstler den Reslfeld-Stich als Vorlage verwendet.

Ganz im Sinne des biblischen Verkündigungsanspruches – „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16, 15) – repräsentierten die Erdteilallegorien unmittelbar die empfangenden Seelen und erweitern durch ihre Anwesenheit den dörflichen Zuhörerkreis des Priesters. Nicht nur für den Priester stellte der Laienraum „ein pastorales Aktionsfeld der Glaubensverkündigung“ und Glaubensüberprüfung dar, sondern auch die Laien nutzten den Raum aktiv als private Andachtsstätte wie auch als kollektiven Prozessionsraum.

Gemessen am Gesamtaufkommen im Süden des Heiligen Römischen Reiches sind in Süddeutschland die Erdteilallegorien viel häufiger Teil einer Kanzelausstattung als in den österreichischen Erblanden, wobei sich die bekannten Beispiele nicht auf Südtirol erstrecken. In Süddeutschland finden sich auf fränkischem Gebiet die meisten Beispiele. […]

[1]       Van Bühren Kirchenbau 2014, 114.

[2]       In Witzighausen, Gabelbach, Ottobeuren, Dillingen finden sich die Erdteile sowohl im Deckengemälde als auch an der Kanzel. Andere ikonografische Dopplungen innerhalb des Kirchenraumes finden sich in Maria Glosberg, dort befinden sie sich am Altar und auf dem Langhausfresko. 

Komplettes Verzeichnis der in der Dissertation verwendeten Literatur findet sich in der Datenbank unter Bibliografie > Dissertation.

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Titel Art Zeitliche Einordnung
Aldersbach (Passau), Mariä Himmelfahrt Erdteilallegorien 1748-1748
Betenbrunn (Bodenseekreis), Mariä Geburt Erdteilallegorien 1742-1742
Dietersburg (Rottal-Inn), Mariä Himmelfahrt Erdteilallegorien 1773-1773
Dillingen an der Donau (Dillingen a. D.), Mariä Himmelfahrt [Kanzel] Erdteilallegorien 1760-1760 bis 1762-1762
Ebbs (PB Kufstein), Mariä Himmelfahrt Erdteilallegorien 1756-1756
Ebing am Inn (Mühldorf am Inn), St. Martin Erdteilallegorien 1768-1768
Friesach (PB St. Veit an der Glan), Hl. Bartholomäus Erdteilallegorien 1790-1790
Fünfstetten (Donau-Ries), St. Dionysius Erdteilallegorien 1766-1766
Gabelbach (Augsburg), St. Martin [Kanzel] Erdteilallegorien 1738-1738
Graz (PB Graz), Mariä Himmelfahrt am Leech Erdteilallegorien 1748-1748
Heiligenberg (Rottal-Inn), St. Erasmus Erdteilallegorien 1760-1760
Kissingen (Bad Kissingen), St. Jakobus Erdteilallegorien 1786-1786
Klosterlechfeld (Augsburg), Maria Hilf Erdteilallegorien 1735-1735
Laupheim (Biberach), SS. Peter und Paul Erdteilallegorien 1738-1738
Linz (PB Linz), St. Michael Erdteilallegorien 1740-1740
Loiching (Dingolfing-Landau), SS. Peter und Paul Erdteilallegorien 1800-1800
Mallersdorf (Straubing-Bogen), St. Johannes Evangelist [Kanzel] Erdteilallegorien 1776-1776
Mariaberg (Landshut), Unserer Lieben Frau Erdteilallegorien 1768-1768
Neuburg an der Donau (Neuburg-Schrobenhausen), Unsere Liebe Frau Erdteilallegorien 1755-1755 bis 1760-1760
Oberotterbach (Landshut), St. Leonhard Erdteilallegorien 1755-1755
Ottobeuren (Unterallgäu), SS. Theodor und Alexander (Kanzel) Erdteilallegorien 1763-1763 bis 1764-1764
Regensburg (Regensburg), Hl. Kreuz Erdteilallegorien 1756-1756
Rein (PB Graz), Stiftskirche Maria Himmelfahrt Erdteilallegorien 1763-1763
Sankt Georgenberg (PB Schwaz), SS. Georg und Jakob Erdteilallegorien 1738-1738
Sankt Lambrecht (PB Murau), Benediktinerstift Erdteilallegorien 1731-1731
Schlingen (Unterallgäu), St. Martin Erdteilallegorien 1769-1769
Schwendi (Biberach), St. Stephan Erdteilallegorien 1733-1733 bis 1734-1734
Stadtsteinach (Kulmbach), St. Michael Erdteilallegorien 1717-1717
Traunkirchen (PB Gmunden), Mariä Himmelfahrt Erdteilallegorien 1753-1753
Triefenstein (Main-Spessart), SS. Peter und Paul Erdteilallegorien 1785-1785 bis 1786-1786
Vierzehnheiligen (Lichtenfels), Mariä Himmelfahrt Erdteilallegorien 1774-1774
Vordernberg (PB Leoben), Mariä Himmelfahrt Erdteilallegorien 1765-1765
Wien (PB Wien), St. Maria Rotunda Erdteilallegorien 1698-1698 bis 1699-1699
Witzighausen (Neu-Ulm), Mariä Geburt, Kanzel Erdteilallegorien 1741-1741
Würzburg (Würzburg), Heilige Dreifaltigkeit Erdteilallegorien 1774-1774
Zellingen (Main-Spessart), St. Georg Erdteilallegorien 1787-1787

 

Forschungsplattform Erdteilallegorien im Barockzeitalter / Research Database Continent Allegories in the Baroque Age

Nirgendwo hat der Barock eine solche Dichte an Allegorien der vier Erdteile – Europa, Asien, Afrika und Amerika – hervorgebracht wie im Süden des Heiligen Römischen Reiches. In ihnen manifestieren sich die Vorstellungen des Barock von der Gestalt der Welt, ihrer politischen, sozialen und spirituellen Ordnung, vom Fremden wie vom Bekannten. Diese einzigartige Sammlung dokumentiert Darstellungen der vier Erdteile in Fresken, Stuck, Gemälden oder Skulpturen in ihren ursprünglichen Ausstattungskontexten. Baugeschichten sind ebenso erfasst wie Künstler und Auftraggeber.

Publikationen zum Projekt:

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Allegories of the four continents – Europe, Asia, Africa, and America – were an extremely popular iconographic motive during the baroque era. It was most prevalent in the Southern Parts of the Holy Roman Empire. These allegories express/manifest/carry the imagination/conception/vision of the baroque of the shape of the world, its political, social, and spiritual order as well as of foreign and familiar things. This unique collection documents depictions of four continents in frescoes, stucco, paintings or sculptures in their place of origin. The historical contextualization contains the building history as well as artists and principals.

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Die Datenbank „Erdteilallegorien im Barockzeitalter im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (Süddeutschland, deutschsprachige österreichische Erblande)“ entstand im Rahmen des Projekts „Diskurs- und kunstgeschichtliche Untersuchung von Erdteilallegorien“ [FWF P23980] an der Universität Wien, Historisch-kulturwissenschaftliche Fakultät, Institut für Geschichte. Die Nutzung der Datenbank unterliegt den im Folgenden genannten Bedingungen. Der Zugang zur Datenbank wird gewährt, sobald Sie die Nutzungsbedingungen akzeptiert haben.

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Beispiel: Cesare Ripa, Iconologia, Rom 1603, 335, Universitätsbibliothek Heidelberg, C 5456 A RES, in: Wolfgang Schmale (Projektleitung): Erdteilallegorien im Barockzeitalter, Wien, besucht 15.09.2015, <http://erdteilallegorien.univie.ac.at/bilder/iconologia-von-cesare-ripa/ripa-iconologia-1603-2>

 

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