Am 1. Januar 2012 nahm das Projektteam unter Leitung von Wolfgang Schmale seine Arbeit auf, mit dem Ziel einer systematischen Erfassung räumlich verankerter, allegorischer Darstellungen der vier Erdteile auf dem Gebiet des Südens des Heiligen Römischen Reiches. Die detaillierte Erfassung der Erdteilallegorien in einer Hypermedia-Umgebung erschließt diesen Quellencorpus für eine Vielfalt unterschiedlicher disziplinärer Zugänge. Ziel ist es dabei nicht, einfach einen großen Datenpool zur generieren, sondern es entsteht eine interaktive Datenbank, die die Fülle eines ansonsten nur schwer zugänglichen Quellencorpus so aufbereitet, dass der/die Benutzer/in wesentliche Einblicke in Präsenz, Gemeinsamkeiten, Unterschiede sowie in die historisch funktional-kommunikative Rolle der EA gewinnt.
Im Rahmen eines zweitägigen Workshops am 7. und 8. März 2014 stellte das Projektteam nach gut zwei Jahren Forschungs- und Entwicklungsarbeit erstmals die bisher erreichten Ergebnisse vor:
“Die Erdteile im frühneuzeitlichen Blick – Neue Forschungsfragen”
(zum Programm)
Am ersten Tag stand das Projekt im Vordergrund, indem zum einen Idee und Forschungslücke präsentiert, zum anderen aber auch ganz konkret Vorgehensweise der Erfassung sowie Aufbau und Implementierung der Datenbank vorgestellt wurde. Im Speziellen wurden von den jeweiligen Verantwortlichen folgende Aspekte vorgestellt:
Das Fachpublikum hatte die Möglichkeit über sechs Laptops während des gesamten Workshops in der Arbeit mit der Datenbank erste persönliche Einblicke zu gewinnen. Zu den Teilnehmerinnen zählte u.a. Sabine POESCHEL, Professorin am Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart, die 1984 eine der bis heute maßgeblichen Grundlagenstudien zur Ikonographie der Erdteile vom 16. bis 18. Jahrhundert veröffentlichte.
ERSTE EINBLICKE IN DIE DATENBANK – WORK IN PROGRESS!
Neben der systematischen Erfassung und Aufbereitung verfolgen die einzelnen Projektmitarbeiter auch eigene Forschungsfragen, die sie mithilfe der Datenbank und des aufbereiteten Quellencorpus zu beantworten anstreben. Präsentiert wurden diese mithilfe des eigens für die Datenbank entwickelten Narrationswerkzeug, das dem späteren Nutzer ein Hilfsmittel in der Entwicklung, Formulierung und Darstellung eigener Erkenntnisinteressen basierend auf den Bildquellen zur Seite stehen soll.
Marion ROMBERG widmete sich der Frage, ob es sich bei den „volkstümlichen“ Erdteilallegorien innerhalb ländlicher Kirchen nicht um ein nur scheinbar Fremdes handelte? Wie fremd erschien das Dargestellte einem Gläubigen im 18. Jahrhundert wirklich?
Josef KÖSTLBAUER skizzierte die Verbreitung des Sujets der um eine Weltkugel gruppierten Huldigungsgruppe in Tirol. Ausgangspunkt war das jüngste Beispiel des Quellencorpus: die Erdteilallegorien in der Pfarrkirche St. Hermagoras und Fortunatus in Albeins, die erst im Jahr 1858 entstanden sind.
Wolfgang SCHMALE beschloss den ersten Workshoptag mit seinem Vortrag zu der Frage, inwieweit Erdteilallegorien als gemalte Zivilisations- und Menschheitsgeschichte verstanden werden können.
NARRATIONSTOOL
Der zweite Tag des Workshops stand im Zeichen der inhaltlichen Fokussierung auf die Jesuiten in Süddeutschland und Böhmen und ihre Bedeutung für die Erdteilikonografie. Im ersten Vortrag stellte Rainald BECKER (Bayreuth) Dillingen an der Donau als barockes Gelehrten- und Publikationszentrum vor, das eine maßgebliche Rolle in der Verbreitung von Wissen über überseeische Länder im süddeutschen Raum spielte.[1] Haruka OBA (Kyoto) ging der Frage nach, ob das Erdteilmotiv im Jesuitentheater nachweisbar ist. Obwohl in den Quellen die Verwendung allegorischer Erdteilbezüge nicht nachweisbar sind, wurde doch deutlich, dass das Jesuitentheater in dem gleichen diskursiven Rahmen operierte, aus dem auch die jesuitischen Kirchenfresken hervorgingen. Im dritten Vortrag des Tages stellte Katrin STERBA (Innsbruck) schließlich die Erdteildarstellungen der Jesuitenkirche und des Kollegs in Dillingen vor und setzte sie in Bezug zu dem gehäuften Auftreten der Erdteilikonografie in Jesuitenkirchen in Böhmen und Mähren.
Die inhaltliche Fokussierung auf die Jesuiten und die Einbeziehung anderer barocker Medien erwies sich als äußert bereichernd, die Diskussionen zu den Vorträgen und in den Pausen lieferten zahlreiche wichtige Anregungen und Hinweise.
IMPRESSIONEN
[1] Siehe hierzu auch ausführlich Rainald Beckers 2012 veröffentlichte Habilitationsschrift „Nordamerika aus süddeutscher Perspektive. Die Neue Welt in der gelehrten Kommunikation des 18. Jahrhunderts“ [(= Transatlantische Historische Studien; Bd. 47), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012]. Eine Rezension findet sich u.a. von Mark Häberlein bei Sehepunkte 13 (2013), Nr. 7/8 [15.07.2013], URL: http://www.sehepunkte.de/2013/07/22510.html .