Das Sujet der Erdteilallegorien war bis in die 1990er-Jahre überwiegend ein kunsthistorisches Untersuchungsfeld. Neben zahlreichen Einzelstudien, am häufigsten zu den bekanntesten Werken wie bspw. Tiepolos Erdteilallegorien in der Würzburger Residenz, stützt sich die Forschung auf zwei Grundlagenstudien aus den 1960er- und 1980er-Jahren. Hierbei handelt es sich um den Lexikonartikel von Erich Köllmann und Karl-August Wirth Erdteile im Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte (auch online) und die Dissertation von Sabine Poeschel Studien zur Ikonographie der Erdteile in der Kunst des 16.-18. Jahrhunderts.[1] Diese Studien sind bis heute grundlegend für jegliche Beschäftigung mit Erdteilallegorien. Jedoch sind Köllmann/Wirths Ausführungen nicht nur hinsichtlich der Ikonographie lückenhaft gewesen, sondern bis heute sind Fragen zur geographischen Verbreitung, Künstler- und Auftraggeberschicht, sozialer und räumlicher Wahrnehmbarkeit an sich noch unbeantwortet. Einen maßgeblichen interdisziplinären Schritt zu einem besseren Verständnis tat 2008 Marion Romberg mit einer länder- und mediumspezifischen Studie zu den Erdteilallegorien. Sich auf den Raum der deutschsprachigen österreichischen Erblande konzentrierend, schloss sie zum einen, dass die 57 gefundenen Erdteilallegorien im Medium der Wand-Deckenmalerei und Stuckdekoration im Osten vor allem von den alten landständischen Orden und in Tirol innerhalb von Dorfkirchen verwendet wurden. Zum anderen, dass sie im Zuge der straff und erfolgreich betriebenen Gegenreformation, der militärisch-siegreichen Bekämpfung der Türkengefahr sowie der insgesamt erstaunlich gut gelungenen „Runderneuerung“ der Monarchie durch und unter Maria Theresia als ebenso klares wie eindeutiges Ausdrucksmittel dieses dreifachen „Triumphes“ ‚entdeckt‘ und eifrig eingesetzt wurden.
Weitere neue Akzente in der Erdteilallegorie-Forschung setzte die Globalgeschichte und Europaforschung. 2007 identifizierte Reinhard Wendt[2], faktisch eine Erkenntnis von Köllmann/Wirth weiterführend[3], in seiner globalgeschichtlichen Analyse der Interaktionen zwischen Europa und der außereuropäischen Welt im Rezeptionsprozess kirchliche Erdteilallegorien als die Träger von zusätzlichen, von ihrer allegorischen Bedeutung unabhängigen geografischen, völkerkundlichen oder botanischen Informationen. Es handelt sich um eine erste, lediglich skizzierte Beobachtung, die im Rahmen dieses Projektes aufgegriffen und vertieft werden soll.
Die Europaforschung, insbesondere die Studien von Wolfgang Schmale, untersucht seit gut einem Jahrzehnt die Europaallegorie und ihre drei Schwestern aus diskursanalytischer Sicht. Erdteilallegorien gehören grundsätzlich im Barockzeitalter zum allgemeinen Europadiskurs. Zwischen den vier Allegorien für Europa, Asien, Afrika und Amerika besteht zumeist explizit, z.T. eher implizit eine hierarchische Beziehung. Kopf der Hierarchie ist Europa, die Allegorie für den Erdteil Europa. Die anderen drei Erdteile werden nicht für sich als Selbstzweck dargestellt, sondern ihre Bedeutung erschließt sich aus ihrer Zuordnung zu Europa. Umgekehrt fließen der Europa-Allegorie Bedeutungen aufgrund ihres Verhältnisses zu den anderen Allegorien zu. Es geht um die Welt aus europäischer Perspektive und um Europa in der Welt. Der dahinter stehende Europadiskurs, der mit den Allegorien visualisiert wird, ist in vielen Text- und Bildquellen der Frühen Neuzeit niedergelegt. Das Verständnis der Erdteilallegorien als Diskurs ist auch in Studien jüngeren Datums zu finden; abgesehen vom Antragsteller haben sich Wendt (2007), Romberg (2008) sowie Wintle[4] (2009) für eine solche Perspektive interessiert.
Innerhalb des Forschungsprojektes haben sich die ProjektmitarbeiterInnen – Wolfgang Schmale, Josef Köstlbauer und Marion Romberg – auf Basis des aufgearbeiteten Quellencorpus die Beantwortung verschiedener Forschungsfragen zum Ziel gesetzt:
[1] Vgl. Köllmann, Erich/Wirth, Karl-August, Erdteile, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. 5, Stuttgart 1967, S. 1107-1202 (auch online) und Poeschel, Sabine, Studien zur Ikonographie der Erdteile in der Kunst des 16.-18. Jahrhunderts, München 1985.