• Tagungsbericht zum Workshop „Barocke Baustellen in Bayern“

    Veröffentlicht am 28. April 2015 von marion in Blog, Veranstaltungen.
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    Auf der Website des Instituts für Bayerische Geschichte der LMU wurde der Tagungsbericht zum Workshop „Barocke Baustellen in Bayern“ vom 7.11.2014, an dem Projektmitarbeiterin Marion Romberg mit einem Vortrag zu „Bruderschaftliche Kunstförderung“ teilgenommen hat, veröffentlicht:

    http://www.bg.geschichte.uni-muenchen.de/aktuelles/veranstaltungen/archiv/tagungsberichtbarockebaustelle/index.html

    „Tagungsbericht: Barocke Baustellen in Bayern
    Akteure, Abläufe und wirtschaftliche Bedeutung

    07.11.2014

    Veranstalter: Britta Kägler, Institut für Bayerische Geschichte
    Datum, Ort: 7. November 2014, München
    Bericht von: Christine Rogler, Christina Rothenhäusler

    Das Institut für Bayerische Geschichte veranstaltete am 7. November einen Workshop zu barocken Baustellen in Bayern. Dabei stand weniger das kulturelle Phänomen des Barocks im Vordergrund, als vielmehr die wirtschaftlichen Faktoren des barocken Bauens. Eingeleitet wurde der Workshop von einem Abendvortrag am 6. November von EVA-MARIA SENG (Paderborn), der die Dimensionen globaler Baukultur in der Frühen Neuzeit behandelte. Überregionaler und transnationaler Transfer beschränkte sich nicht, wie von der älteren Forschung lange angenommen wurde, auf Bauleitungen. Die Referentin wies vor allem auf die globale Bedeutung des frühneuzeitlichen Materialhandels, der sich von Mitteldeutschland bis in die Südsee erstreckte, hin.

    In seiner Begrüßung betonte FERDINAD KRAMER (München), das wesentliche Anliegen der Tagung: Das Potential des Forschungsstandorts München soll im Rahmen eines interdisziplinären Austausches zwischen Vertretern aus Kunstgeschichte, Bayerische Landesgeschichte, Kirchengeschichte, Rechtsgeschichte und Denkmalpflege genutzt werden. In diesem Sinne in der Tradition Max Spindler stehend, soll der Blick auch auf die europäische Dimension des barocken Bauens, auf überregionale und transnationale Vernetzungen und Verflechtungen, gelenkt werden. Abschließend wies Ferdinand Kramer auf aktuelle Forschungsbeiträge des Instituts für Bayerische Geschichte zum Themengebiet des barocken Bauens hin.

    ROLAND GÖTZ (München) gab einen Einblick in die vergleichsweise umfangreiche Überlieferungslage barocker Bauprozesse in den Diözesan- und Pfarrarchiven. Hierbei wies er auf die strukturelle Unterscheidung zwischen Überlieferungen des Auftragsgebers und der prüfenden bzw. genehmigenden Stellen hin. In den staatlichen Archiven befinden sich aufgrund der Säkularisation vor allem Unterlagen zu Bauten der Fürstbischöfen, der Domkapitel sowie der Klöster. Bauakten der Kirchen- und Pfründestiftungen werden aufgrund bischöflicher Aufsichtskompetenzen in den Diözesanarchiven aufbewahrt. Ergänzt werden diese durch Unterlagen der Auftraggeber, z.B. Rechnungen, Zahlungsbelege und Pläne, welche überwiegend in den Pfarrarchiven, z.T. aber auch in den Diözesanarchiven überliefert sind. Zum Schluss wies der Referent auf Ausnahmen hinsichtlich der genannten Überlieferungswege hin, wie sie z.B. die Baudokumentationen privater Spender sowie nichtkirchlicher Auftraggeber darstellen.

    Die Überlieferungslage barocker Schlossbauten in den staatlichen Archiven stellte BRITTA KÄGLER (München) dar, wobei zudem auf die Forschungslage Bezug genommen wurde. Zu Beginn ihres Vortrages stellte sie die wechselseitige Beeinflussung von Adelssitzen und Residenzen heraus, wobei vor allem landesgeschichtliche Ansätze hinsichtlich der Verflechtung von Stadt und Land anhand kirchlicher Bauprozesse gewinnbringend waren. Betrachtete die ältere Forschung den barocken Schlossbau vor allem in Abgrenzung zur Renaissance, wurden in neueren Arbeiten verstärkt Kontinuitäten herausgearbeitet. Detaillierte Studien zur Bauphase barocker Schlösser sowie vergleichende Arbeiten zu Schlossbaustellen bilden indessen Forschungsdesiderate. Im bayerischen Hauptstaatarchiv sowie den staatlichen Archiven finden sich u.a. Unterlagen der landesherrlichen Bauten sowie der Hofmarkschlösser. Hervorzuheben ist hierbei die Überlieferung des Kurfürstlichen Hofbauamtes, ergänzt durch Hofkalender des 18. Jahrhunderts sowie Besoldungsbücher des kurfürstlichen Hofzahlamts im Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Diese liefern u.a. Hinweise auf Ämterbesetzungen und deren zunehmende Ausdifferenzierung, Hierarchieketten und Verwandtschaftsverhältnisse von Beschäftigten.

    Eine neue Sichtweise auf die barocke Festungsanlage als flexibles Konzept und Bestandteil fortifikatorischer Diskurse lieferte STEFAN BÜRGER (Würzburg). Festungen können hierbei in mehrfa-cher Hinsicht als permanente Baustelle betrachtet werden. Pragmatische Anpassungen an die jeweilige Topographie, Sanierungsmaßnahmen, vor allem aber die von zeitgenössischen Ingenieuren und Festungsmilitärs geforderte Anpassungsfähigkeit im Falle akuter Bedrohungen stellen das herkömmliche Bild der Festung im Sinne eines „festgelegten“ Bauwerks in Frage. Dies gilt ebenso für Planunterlagen, aufgrund derer keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Funktionsfähigkeit der Festungsanlage geschlossen werden können. Deren spezifische Rolle in Planungs-, Entwurfs-, Verschleierungs- und Repräsentationsprozessen bedarf hierbei weiterer Forschung. Der Prozesscharakter des Festungsbaus muss ebenso hinsichtlich der Rollen der Baustellenakteure und ihrer Funktionalität berücksichtigt werden. So durchliefen Ingenieure in der frühen Neuzeit keine einheitliche Berufsausbildung und besaßen unterschiedliche Berufsgrade in der Militärhierarchie, wobei sie im Falle einer Kriegssituation in militärische Befehlsketten auf der Festungsbaustelle integriert werden mussten. Im Folgenden zweiten Teil des Workshops standen der Bauprozess und mögliche Quellen im Fokus.

    Die Auswertungschancen bildlicher Darstellungen von Baustellen des 16. bis 18. Jahrhunderts thematisierte CHRISTA SYRER (München). Die breite Quellenbasis, u.a. bestehend aus Tafelmalereien, Wandteppichen, Zeichnungen und Druckgraphiken, wurde bislang weder systematisch gesammelt noch untersucht. Darstellungen frühneuzeitlicher Baustellen sind größtenteils idealtypisch und von zahlreichen Topoi, wie z.B. der Leiter, geprägt. Zieht man schriftliche Quellen hinzu, können jedoch auch Spezifika bestimmter Baustellen herausgearbeitet werden, wie z.B. die technischen Leistungen oder die Wohnsituation der Beschäftigten. Individuelle Umsetzungen des Bildthemas „Baustelle“ finden sich insbesondere auf Votivbildern. Hinsichtlich der Darstellungen von Akteuren findet zumeist eine klare Hierarchisierung statt. Ein großer Teil der Gewerke einschließlich arbeitender Frauen wurde jedoch weggelassen. Ebenso wenig liefern die Darstellungen Aufschluss über Sicherheitsmaßnahmen sowie die zeitliche Abfolge des Bauprozesses. Trotz der aufgeführten Problematik kann die Schwerpunktsetzung des Künstlers bzw. Auftraggebers hinsichtlich des Baubetriebs analysiert werden.

    BETTINA DANKESREITER (München) zeigte anhand der Steuerbeschreibungen der Jahre 1671 und 1721 exemplarisch auf, inwiefern diese eine Analyse der ökonomischen Verflechtungen zwischen der barocken Baustelle und dem Umland ermöglichen. Basierend auf dem Steuerbuch von 1612 enthalten die Steuerbeschreibungen von 1671 u.a. Informationen zum Namen des Besitzers und des Grundherren, zur Abgabenhöhe, zum Viehbestand, zur Art des Besitzrechts, zum Besitz weitere Güter und Grundstücke sowie zur Ertragslage der Höfe. 1721 kamen erstmalig Angaben zu den landwirtschaftlichen Naturalerträgen hinzu. Die statistischen Angaben des Historischen Atlas von Bayern liefern ergänzend Daten zu Veränderungen der Hofgröße und Häuserzahlen. Im Bezug auf die barocke Baustelle kann auf diese Weise ermittelt werden, inwiefern in den nahegelegenen Dörfern vermehrt Handwerker und Tagelöhner auftraten und inwiefern Bautätigkeiten die Wachstumsprozesse der umliegenden Orte beeinflussten.

    ANDREAS GOMMEL (München) untersuchte die Auswertungsmöglichkeiten von Rechnungsüberlieferungen am Beispiel des Schlosses Dachau. Als problematisch erweist sich die Unübersichtlichkeit und Unzuverlässigkeit der Rechnungsbücher. Inwiefern Lohnzahlungen des Bauherrn, hier des Kurfürsten Max Emanuel, tatsächlich stattfanden, kann meist nicht mehr rekonstruiert werden. Auch zeitgleiche Arbeitsabläufe und ortsgebundene Aufgaben der Baustellenakteure sind größten-teils nicht mehr nachvollziehbar. Andreas Gommel unterzog in seiner Masterarbeit „Schloss Dachau 1715 bis 1717. Eine barocke Baustelle als performativer Prozess“ sämtliche in den Rechnungsbüchern aufgeführte Daten einer statistischen Analyse. Auf diese Weise konnten Bauabläufe, u.a. Intensivierungsphasen, Arbeiterverteilung und –bewegung, genauer erfasst werden. Hierbei fiel v.a. die übermäßig große Anzahl der Arbeiter ins Auge, was auch hinsichtlich der Verschränkung von Baustelle und Umland relevant ist. Dies erfordert zudem einer Neubewertung der Anforderungen an den Architekten, wobei v.a. die Organisation und Überwachung der Bauprozesse in den Vordergrund traten.

    Der dritte Themenbereich des Tages behandelte die Arbeit und Akteure auf der barocken Baustelle.

    KATHRIN MÜLLER (München) stellte in ihrem Vortrag exemplarisch unterschiedliche Aspekte des Bauwesens der Zisterzienser in Süddeutschland vor. Im Zisterzienserorden lassen sich, im Gegensatz zu den Jesuiten, keine Gemeinsamkeiten in der Architektur des Ordens feststellen. Allerdings konnte Kathrin Müller sehr wohl einen ordensinternen Austausch während Bauprojekten aufzeigen. So stellte sie fest, dass sich ein Bauplan der barocken Klosterkirche Schöntal im Stift Stamps befindet. Auch der Austausch von Künstlern wie Andreas Thamasch, der als Stiftsbildhauer in Stamps tätig war, zeugt von Ordensbeziehungen während Bautätigkeiten. Ein weiterer Aspekt des Bauens, den die Referentin darlegte, handelte von Baugenehmigungen. Am Beispiel Raitenhaslach konnte gezeigt werden, dass ein vermeintlich baufälliger Dachreiter als Rechtfertigungsgrund für einen Umbau der Kirche diente und zur gewünschten Baugenehmigung führte. Des Weiteren stehe das ikonographische Motiv des „bauenden Mönchs“, das sich häufig in barocken Bildprogrammen der Zisterzienser findet und einen Kirchenbau sowie die dazugehörige Baustelle symbolisiert, für die jeweilige Klostergründung. Abschließend ging Kathrin Müller auf den Aspekt der Bauinspektionen ein, die durch den Auftraggeber durchgeführt wurden. Am Beispiel Schöntal stellte sie dar, wie der der Abt als Bauherr seine Inspektion des Kirchenbaus auf der Kirchenfassade für die Nachwelt festhielt.

    Dem Spannungsfeld zwischen künstlerischem Anspruch und der Notwendigkeit ökonomischen Handelns während dem Rokokoneubau der Fürstenzeller Klosterkirche ging THOMAS KUPFERSCHMIED (München) anhand eines zeitgenössischen Baumanuals nach. Das seit 1914 bekannte und in Auszügen ausgewertete Manual ermöglicht ein dichtes Bild der Vorgänge im Fürstenzeller Bauprojekt. Aus der Quelle gehen für den Zeitraum von 1738 bis 1740 drei Architektenwechsel hervor, die allesamt aus dem Grund der Kostenersparnis durchgeführt wurden. Der dritte Architekt, Johann Michael Fischer, sollte schließlich eine Kirche planen, die sowohl den künstlerischen Ansprüchen als auch den ökonomischen Anforderungen genügen sollte. Dementsprechend wurde günstiges Baumaterial größtenteils aus der nächsten Umgebung oder direkt aus Fürstenzell durch Bittfuhren unentgeltlich von Bauern angeliefert. Auch die Beschäftigten, etwa Zimmermänner, Schreiner oder Schmiede, stammten, um Kosten zu sparen, mehrheitlich aus der Region. Um dem künstlerischen Anspruch der neuen Kirche gerecht zu werden, wurden jedoch auch bekannte Künstler aus größerer Entfernung, wie der Hofbildhauer Johann Baptist Straub, engagiert. Künstlerische Arbeiten von Lokalansässigen, beispielsweise die des Stuckateurs Johann Baptist Modler, bewertet das Manual dagegen kritisch.

    FABIAN HUBER (Freiburg) widmete sich in seinem Vortrag dem Verhältnis von Auftraggebern, Geistlichkeit und Architekten am Beispiel der Münchner Theatinerkirche St. Kajetan. 1661 gab Kurfürstin Henriette Adelaide aus Dankbarkeit für den erfolgten Kindersegen den Bau einer Kirche in Auftrag, die dem seligen Kajetan und dessen Theaterinerorden gewidmet war. Diese sollte nach dem Vorbild der Mutterkirche der Theatiner, Sant’Andrea della Valle in Rom, als schönste und wertvollste Kirche Münchens erbaut werden. Fabian Huber zeigte, wie das positive Verhältnis zwischen der Kurfürstin als Auftraggeberin und dem Theatinerpater Antonio Spinelli den Bau der Kirche nachhaltig beeinflusste. Der architektonisch interessierte Spinelli habe dem ursprünglichen Architekten Agostino Barelli demnach Fehler in der Konstruktion nachgesagt und sich mit wachsendem Einfluss auf die Kurfürstin mehr und mehr aktiv ins Baugeschehen eingemischt. Als Folge dieser Einmischung und Übermacht Spinellis verließ der Architekt und eigentliche Bauleiter Barelli nach der Fertigstellung des Rohbaus 1674 München und das Bauprojekt. Dass Spinellis Bauleitertätigkeit jedoch nur auf der Gunst der Kurfürstin beruhte, zeigt sich mit dem Tod der selbigen 1676: Spinellis Aufgabenfeld beschränkte sich nun wieder auf das Amt des Probstes.

    ISABELLA HÖDL (München) richtete den Fokus ihres sozialgeschichtlichen Vortrags auf den Graubündner Maurermeister Johann Jakob Maffiol, der in den Jahren 1690 bis 1715 als Hof- und Stadtmaurermeister in der fürstbischöflichen Residenzstadt Freising tätig war. Da sich die Forschung bisher nur auf bekannte Graubündner Baumeister wie Enrico Zuccalli und Giovanni Antonio Viscardi konzentrierte, stellt eine Untersuchung der Maurermeister der zweiten und dritten Reihe, zu der auch Maffiol gehört, bislang ein Forschungsdesiderat dar. Um die „Graubündner Gruppe“ von Bau- und Maurermeistern nicht nur als ein kunstgeschichtliches, sondern auch als soziales Phänomen im altbayerischen Raum zu begreifen, waren für die Verortung Maffiols im Sozialgefüge der fürstbischöflichen Residenzstadt Freising mikrogeschichtliche Zugänge erforderlich. Daraus ergab sich ein differenziertes Bild wie sich der Hof- und Stadtmaurermeister Maffiol beispielsweise in sozialer und beruflicher Hinsicht stark in der höfischen Sphäre verortete. Ausgehend davon können weitergehende sozialgeschichtliche Analysen dabei helfen, die Graubündner Gruppe als soziales Phänomen Bayerns in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu begreifen und Integrations- bzw. Exklusionsvorgänge von Migration nachzuverfolgen.

    MARION ROMBERG (Wien) behandelte in ihrem Vortrag die bruderschaftliche Kunstförderung im südwestdeutschen Raum. Dabei betonte sie eingangs, dass Bruderschaften nördlich der Alpen als Kunstförderer bisher kaum in den Blick der Forschung gerückt seien, sondern meist lediglich in ihren Funktionen als Wahrer der öffentlichen Ordnung oder Agenten der Vergesellschaftung thematisiert würden. Dies sei auch der Quellenlage geschuldet, da Bruderschaften kein eigenes Wappen führten und somit nicht unmittelbar als Stifter von Deckengemälden erkennbar seien. Anhand von Fallbeispielen aus dem Fürstbistum Augsburg ging die Referentin deswegen der Frage nach, wer die Anfertigung des Deckengemäldes tatsächlich bestimmte. Dabei nutzte sie die sich noch im Aufbau befindliche Datenbank des laufenden Forschungsprojekts zur Ikonographie der Vier Erdteile im Süden des Heiligen Römischen Reiches (mehr Informationen unter: erdteilallegorien.univie.ac.at/blog). Marion Romberg konnte nachweisen, dass sich Bruderschaften nicht nur durch die üblichen Stiftungen von Bruderschaftsaltären oder Altarschmuck auszeichneten, sondern auch als Verantwortliche für das Bildprogramm in zahlreichen Kirchen gelten müssen. Abbildungen von Bruderschaftsheiligen, repräsentative Darstellungen von Bruderschaftsmitgliedern sowie Inschriftenkartuschen, die auf die jeweilige Bruderschaft als Auftraggeber der Deckengemälde verweisen, dienen als Hinweise für die bruderschaftliche Kunstpatronage.

    HANS-GEORG HERMANN (München) ging in seinem rechtsgeschichtlichen Vortrag der Frage nach, ob der barocke Baustil auf juristischer Ebene verbindlich gemacht worden sei. Dabei betonte Hans-Georg Hermann, dass eine umfassende Bauordnung für den altbayerischen Raum bis 1805 fehlte und man sich vorher stets auf kommunale Aufzeichnungen gestützt habe. Baustellen galten als rechtliche Krisenfälle, die sich durch Gefährlichkeit und Unsicherheit auszeichneten. Bedrohungen, die die körperliche Gesundheit der auf der Baustelle Beschäftigten gefährdeten, finanzielle Gefahren sowohl für den Bauleiter als auch den Auftraggeber oder rechtliche Fragen über die Zulässigkeit und Grenzen der Baufreiheit, all diese Krisenfälle mussten vorab durch Ordnungen und Verträge normativ geregelt werden. Barocke Stilvorstellungen seien durchaus als konkrete Leistungsbestimmung in Verträgen zu finden, in Bauordnungen sei der Barock jedoch nicht gegenwärtig und somit nicht kraft Gesetzes umgesetzt worden. Der Referent folgerte demnach, dass das Baurecht im 17. und 18. Jahrhundert barockes Bauen ermöglichte, aber weder gebot noch verbot.

    Anhand von Zimmermannskonstruktionen ging CLEMENS VOIGTS (Neubiberg) dem Phänomen des barocken Bauens bautechnisch nach. Der Referent erläuterte, dass sich für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts und für das 18. Jahrhundert eine Zäsur in der Konstruktions- und Bautechnikgeschichte feststellen lasse. Untersuchungen von Dachkonstruktionen dieser Zeit offenbarten ein einzigartiges Phänomen. Demnach nutzten Zimmermänner seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges stets ein bestimmtes Repertoire an Konstruktionen, auf welche sie immer wieder zurückgreifen konnten. In seinem Vortrag stellte Clemens Voigts den Liegenden Stuhl als zeitgenössische Standartkonstruktion des Dachstuhls vor. Die Nutzung des standardisierten Liegenden Stuhls führte im Vergleich zum frühen 17. Jahrhundert zur Reduzierung von Bauschäden und ermöglichte so die Entstehung einer Vielzahl von neuen Bauten, die bis heute gut erhalten sind. Neben der Anwendung von Standartkonstruktionen machte Clemens Voigts außerdem auf das qualitativ hochwertige Baumaterial, großzügig dimensioniertes Bauholz sowie Eisen, aufmerksam. Erst durch Traktate des 19. Jahrhundert, die den Liegenden Stuhl als ungünstig bezeichneten, verlor diese Standartkonstruktion an Bedeutung.

     

    Workshopübersicht:

    Ferdinand Kramer: Begrüßung
    Britta Kägler: Einführung

    Sektion I: Überlieferungssituation (Moderation: Ferdinand Kramer)
    Roland Götz: Barocke Baustellen zwischen Kirchturm und Holuschupfen: Zur Überlieferungslage in Diözesan- und Pfarrarchiven
    Britta Kägler: Vom Neberschmied zum Hofbaumeister: Zur Überlieferungslage des barocken Schlossbaus
    Stefan Bürger: Die umkämpfte Baustelle: Probleme der Forschung zum barocken Festungsbau

    Sektion II: Der Bauprozess – Quellen (Moderation: Ute Engel)
    Christa Syrer: Bildliche Darstellungen von Baustellen: Auswertungschancen
    Bettina Dankesreiter: Steuerbeschreibungen als Quelle für die Beurteilung des Baubooms im 17./18. Jahrhundert
    Andreas Gommel: Rechnungsüberlieferung: Auswertungsmöglichkeiten am Beispiel Schloss Dachau

    Sektion III: Auf der Baustelle. Menschen – Orden – Konstruktionen (Moderation: Margit Ksoll-Marcon)
    Kathrin Müller: Kloster – Orden – Baustelle: Zur Bautätigkeit der Zisterzienser in Süddeutschland
    Thomas Kupferschmied: Der Neubau der Klosterkirche Fürstenzell: Ökonomisches Handeln und künstlerischer Anspruch
    Fabian Huber: Das Verhältnis von Auftraggebern, Geistlichkeit und Architekten am Beispiel der Theatinerkirche St. Kajetan in München
    Isabella Hödl: Der Graubüdner Maurermeister Johann Jakob Maffiol im Sozialgefüge der fürstbischöflichen Residenzstadt Freising
    Marion Romberg: Wer bestimmt das Deckenbild? Bruderschaftliche Kunstförderung im südwestdeutschen Raum
    Hans-Georg Hermann: Bayerisches Baurecht im Barock: Epochensignifikanz, Sachprobleme und Regelungsfragen
    Clemens Voigts: Untersuchung der Prosperität barocken Bauens anhand von Zimmermannskonstruktionen“

     



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