Wien (PB Wien), Gartenpalais Liechtenstein, Prunkräume Zitieren
Stuckdekoration des Galerieraumes 10 im ersten Stock des Palais, darstellend die vier Erdteile, angeordnet in den gerundeten Plafondzonen zwischen gerader Decke und Wandgesims um das runde Deckengemälde von Marcantonio Franceschini (Aufnahme des Adonis in den Olymp). Die vier Erdteile wurden in rechteckigen Bildbereichen, deren Ecken eingezogen sind, umgeben von vegetabilem Dekor und bekrönt von Putti, deren Beinchen über die Rahmen hängen, eingebracht. Europa ist sitzend auf dem ruhenden Stier wiedergegeben, eine rechte Hand ruht zwischen den Hörnern, die Linke weist auf die nächstfolgende Kartusche. Die weibliche Gestalt ist mit entblößter Brust dargestellt, das Gewand locker drapiert und das Gesicht weist in die Richtung des Stierkopfes. Das Tier ist mit einem Blumenkranz geschmückt, der Hintergrund der Gruppe weist keinerlei Landschaft oder Naturzitate auf.
Die Darstellung der Asiens folgt den Prinzipien Europas: Das Kamel ist liegend dargestellt, der Körper des Tieres nach links gewandt. Die weibliche Figur trägt einen Turban auf dem Kopf, dieser wendet sich von dem Reittier ab; die Arme sind gestikulierend bewegt, die Draperie folgt dabei der Drehung und ist großzügig über dem Körper gebauscht.
Auch der Elefant, der der Gestalt der Afrika als Attribut beigefügt wurde, ist liegend wiedergegeben, die Personifikation hat einen Arm auf den Kopf des Tieres gelegt, mit der rechten Hand umfasst sie ihr Knie. Als Kopfschmuck dient ihr ein Turban, der durch blattähnliche Elemente geschmückt ist; vielleicht sollten dadurch Federn angedeutet werden. Der Oberkörper ist entblößt, die Stoffbahnen locker um ihren Körper arrangiert.
Amerika, die einen Federhut trägt, ist reitend auf einem Krokodil, das einem kleineren Reptil ähnelt, dargestellt. Dieses wirft den Kopf nach oben, wobei die weibliche Gestalt die Bewegung durch ausgestreckte Arme auszugleichen versucht. Das um sie angeordnete Gewand ist schwungvoll wiedergegeben.
Die Allegorie der Erdteile ist als Teil der Gesamtausstattung der Deckenzonen des ersten Stocks anzusehen. Neben der Darstellung von Tugenden, den Büsten von Feldherren, den Szenen aus den Abenteuern von Herkules (Bezug zu Andrea Pozzos Freskenausstattung des Hauptsaales), von Kriegsszenen, Triumphzügen und Jagdtrophäen ergänzten die vier Erdteile die detailreiche und erzählerische Dekoration. Die Fülle an Motiven entsprach dem barocken Geschmack um 1700 und fand ihr Pendant in der Gestaltung der Sala Terrena, für die ebenfalls Santino Bussi verantwortlich zeichnete.
Mitte (Ölgemälde): Aufnahme des Adonis in den Olymp
Plafondzone (Stuck): die vier Erdteile
Originalzustand nach Entstehung; Restaurierung des Gartenpalais in den Jahren 2002–2006
Keine Angaben in den vorliegenden Dokumenten. Möglicherweise aus den Musterbüchern der Werkstatt des Santino Bussi entnommen, den zeitgemäßen Formulierungen folgend.
Vertrag zur Stuckdekoration des Piano Nobile vom 18. Mai 1706; bereits zuvor, am 14. September 1705, wurde zwischen Fürst Johann Adam Andreas I. und Santino Bussi ein Kontrakt über die Ausstattung der Sala Terrena geschlossen. Darin finden sich keine Angaben zur Wahl der Themen und Dekorationsformen. Die Stuckdekoration mit der Darstellung der vier Erdteile weist keinen ikonografischen Bezug zu dem von Marcantonio Franceschini geschaffenen Tondo in der Mitte der Decke auf. Keine Angaben zu bildlichen Vorlagen in den Verträgen.
Santino Bussi wurde am 14. September 1704 mit der Ausstattung der Vestibülräume und am 18. Mai 1706 mit der Stuckierung der Galerie und der Räume des Piano Nobile durch Fürst Johann Adam Andreas I. beauftragt: Die Räumlichkeiten sind „nach dem angezeigten Riß zu ornieren.“[1] In dem Grundriss sind keine Angaben zur Themenwahl vermerkt.
[1] Wien, Hausarchiv Liechtenstein, HAL, H 1196.
Zuletzt aktualisiert am: 17.06.2016