Wörishofen (Unterallgäu), St. Justina Zitieren
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Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (379f.):
10 der 69 Darstellungen sind dem Missionstypus zuzuordnen, wobei der spezifisch süddeutschen Form – die katholischen Erdteile versus die herausfallenden Protestanten – die Programme in Fischach (1753), Kirchdorf (1754), Herbertshofen (1754) und (Bad) Wörishofen (1780) zugeordnet werden können. Sie sind ein Manifest des Abendmahlstreits. Diese spezielle Kombination ist Franz Martin Kuen zuzuschreiben. Er hat dem süddeutschen historischen Kontext entsprechend die Dämonen in Pietro Costanzis Langhausfresko der römischen Kirche San Gregorio Magno al Celio durch die Protestanten ersetzt. Diese sind aufgrund ihrer schlichten Kleidung, die im Gegensatz zur barocken Pracht des katholischen Barock steht, eindeutig als solche zu erkennen. Während sich Kuen in seinem weiteren Schaffen nicht mehr auf seine eigene Komposition besann, wendete sein Schüler Johann Baptist Enderle diese kein Jahr später in der Kirche zu Kirchdorf und dann wiederum in Herbertshofen an. Nachfolger finden sich bis auf eine einzelne Ausnahme keine: 1780 malte Johann Jacob Fröschle im Chor der Kirche St. Justina in (Bad) Wörishofen die Anbetung des allerheiligsten Altarsakraments in Kombination mit den Erdteilen sowie den herabstürzenden Protestanten. Als Vorlage für die Erdteilgruppe verwendete der Maler einen Kupferstich von Gottfried Bernhard Göz, während er die Idee mit den von Blitzen vertriebenen Protestanten wohl von Franz Martin Kuen übernahm. Fröschle studierte von 1756 bis 1760 bei Stephan Haberes in Weißenhorn und danach vermutlich in Augsburg, wo er Werke führender Kollegen wie Günther, Bergmüller oder Göz direkt in Augenschein nehmen konnte.[1]
Es handelt es sich hierbei um einen besonderen Missionstypus, dessen Grenze zum Huldigungstypus fließend ist. Der Missionsaspekt erklärt sich nicht über die Haltung einer der Erdteilallegorien, sondern über die Visualisierung der konfessionellen In- und Exklusion. Die Erdteile, im Glauben vereint, erleben kniend um eine Weltkugel und im warmen Schein der eucharistischen Sonne die divinatorische Erscheinung. Die Protestanten dagegen werden durch einen Blitz in die Flucht getrieben, dessen Ursprung ebenfalls das allerheiligste Altarsakrament ist. Ihre Ablehnung der Transsubstantiationslehre schließt sie aus der katholischen Weltgemeinschaft aus. Sowohl auf der Seite der Katholiken als auch auf der der Protestanten macht besonders die Abendmahlsfeier „die konfessionelle Identität der Gemeinde sichtbar“.[2] Während bei den Protestanten der Chorraum als gemeinschaftlicher Bekenntnisraum diente, blieb das Mysterium der Wesenswandlung in der katholischen Kirchen der Geistlichkeit und dem Adel vorbehalten, da nur ihnen der Zugang zum Chor gestattet war. Wie in einem Schauspiel verfolgten die Gläubigen die Handlungen des Geistlichen auf dessen Chorbühne. Im Falle der Darstellung der Erdteile im Chorfresko können diese sowohl als Handlungsanleitung zur Huldigung wie auch – und dies besonders im Kontext des Missionstypus – als Machtdemonstration der einigen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche verstanden werden.
[1] Vgl. Konrad Fröschle 1970, 72–76; Langenbach Fröschle 1993; AKL Fröschle, Jakob 45/2005, 381.
[2] Slenczka Wirkung 2010.
Komplettes Verzeichnis der in der Dissertation verwendeten Literatur findet sich in der Datenbank unter Bibliografie > Dissertation.
Von West nach Ost:
LANGHAUS
- nördliche Seitenbilder:
- Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen [1936]
- heimliches Bündnis des abgewiesenen Magiers Cyprianus mit dem Teufel
- Abweisung des Heiratsantrags des Magiers durch die heilige Justina
- Mittelbilder:
- Verherrlichung der Heiligen Dreifaltigkeit und die Predigt des Pfarrers Sebastian Kneipp (1936)
- das Märtyrium der heiligen Justina – Enthauptung der heiligen Justina
- das Märtyrium der heiligen Justina – Kessel mit siedenem Pech
- südliche Seitenbilder:
- Offenbarung des Lamm Gottes nach der Apokalypse des Johannes (1936)
- heimliches Bündnis der abgewiesenen Verehrer untereinander
- Werbung des heidnischen Jünglings Angladius um die heilige Justina
CHORBOGEN
Uhr mit Inschriftenkartusche: MDCCLXXX [=1780]
CHOR
- nördliche Seitenbilder (Grisaille):
- heiliger Thomas von Aquin (1922)
- heiliger Augustin (1922)
- Mittelbild: Verherrlichung des allerheiligsten Altarsakraments durch die vier Erdteile und Sturz des Unglaubens in Gestalt der Anhänger des protestantischen Glaubens: Luther (mit Buchinschrift De abrogant. Missae), Calvin, den Kelch ausschüttend, und Zwingli (mit Buchinschrift non datur transsubstantiatio) – Inschriftenkartusche: adorabunt eum omnes reges terrae Ps. 71. v. ii (Signatur)
- südliche Seitenbilder (Grisaille):
- heiliger Gregor (1922)
- heiliger Chrysostomos (1922)
1922 Innenrenovierung: „Das Hauptbild im Chor wurde in den oberen Partien übermalt und die Zwickelbilder […] durch die Gebr. Haugg hinzugefügt.“[1
1933–1938 Verlängerung der Kirche um 12 Meter nach Westen unter Leitung des Augsburger Architekten Michael Kurz sowie Vervollständigung der Ausstattung durch den Maler Joseph Schnitzer
1983 Innenrenovierung durch den Mindelheimer Restaurator Toni Mayer
2005–2006 Innen- und Außenrenovierung (vgl. ausführlich auf der Website der Kirchengemeinde)
[1] Steiner 1992, 9.
Jakob Fröschle kopierte 1780 1:1 die Erdteile aus einem Kupferstich „Verherrlichung der Eucharistie durch die vier Erdteile“ von Gottfried Bernhard Göz. Der 148 x 90 Millimeter große Stich trägt die Signatur: C.P.S.C.M.– G.B. Göz del. et exc. A.V. und wird in der Regel um 1740 datiert.
Siehe ausführlich für eine Abbildung sowie Vorstellung: Erdteilallegorien von Gottfried Bernhard Göz - Zeichnungen und Stiche
Zuletzt aktualisiert am: 22.11.2018