Vorderburg (Oberallgäu), Kirche Zitieren

 

Erdteilallegorien an diesem Ort
Orts- und Gebäudegeschichte 

1277/1289 Jahrtagsstiftung durch die Herren von Rettenberg
1291 Übergang des Kirchensatzes von Rettenberg vor der Burg an den Bischof von Augsburg unter Aufrechterhaltung eines Lehens durch die Herren von Schellenberg
1335 endgültiger Verkauf des Kirchensatzes an den Augsburger Bischof
14. Jahrhundert Neubau der Kirche (?)
1447 Weihe von drei Altären
1678 Gründung der Antoniusbruderschaft
1708/09 Erneuerung des Turmdachs (Zimmermeister: Gottlieb Holderried; Maurer: Melchior Egger und Balthasar Brack)
1736–1739 Erweiterung des mittelalterlichen Baus unter Pfarrer Johann Michael Erdt (Baumeister: Balthasar Suiter)
1741 Gründung der Bruderschaft „Maria vom Trost“
1754 Weihe der Kirche durch den Augsburger Weihbischof Franz Xaver Adelmann von Adelmannsfelden
1769–1786 Erneuerung der Ausstattung, Ausmalung des Innenraums und Dachreperaturen (Zimmermeister: Sylvester Gebhard, Emmereis); Mauerer: Johann Wurm, Emmereis; Maler: Dionys Roman Weiß, Franz Anton Weiß und Ignaz Weiß; Bildhauer: Johann Richard Eberhard, Hindelang und Nikolaus Weiß, Rettenberg; Fassmaler: Johann Schmöger, Eichstätt; Schreiner: Simpert Miller, Vorderburg)

Sonstiges 

Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (233f.):

Die Pfarrkirche St. Blasius zu Vorderburg stand unter bischöflicher Kollatur. Gegen Ende seiner langen Amtszeit klagte der Pfarrer Ferdinand Deisenberger (reg. 1690–1736) gegenüber dem Patronatsherrn über die Baufälligkeit und den Platzmangel in der Kirche und ersuchte um Genehmigung sowie um Gelder für einen Neubau; allerdings erfolglos. Nicht nur durch das Anwachsen der Gemeinde war die Kirche zu klein geworden, sondern auch der große Zustrom zu den Bruderschaftsfesten, zu denen auch viele auswärtige Mitglieder kamen, und die alljährliche Verwendung der Kirche als Versammlungsort für die Handwerkertage der Zünfte machten eine Erweiterung notwendig. 

Deisenbergers Nachfolger, Pfarrer Johann Michael Erdt[1] war erfolgreicher. Er erhielt zwar die ersehnte Baugenehmigung bereits zwei Monate nach seinem Amtsantritt am 10. Dezember 1736, dies aber bei ungeklärter Finanzierung. Nichtsdestotrotz wurde der hochstiftische Hofmaurermeister Balthasar Suiter beauftragt, einen Entwurf für den Neubau zu liefern. Zur Ausführung unter seiner Leitung wurden maßgeblich heimische Arbeiter engagiert. Insgesamt verschlang das Bauvorhaben 2.202 Gulden, bestehend aus:

  • Maurer- und Steinhauerarbeiten 495 fl   05 kr
  • Arbeitslohn für Zimmerleute und Schindelmacher 301 fl   20 kr
  • Kalk 180 fl   20 kr
  • Glaserarbeit 298 fl
  • Kosten für Schmied, Schlosser und Nagelschmied 488 fl   09 kr
  • Für die Innenausstattung (Stuck und Tünchen etc.) 338 fl   23 kr
  • an unterschiedliche Handwerker 37 fl   28 kr
  • Sonstiges 64 fl   12 kr[2]

Für die freskale Ausstattung reichte das Geld nicht mehr. Sie sollte erst knapp 50 Jahre später erfolgen. Als der Bau in den Jahren 1737 und 1738 voranschritt, richtete Pfarrer Erdt immer wieder Bittgesuche an den Bischof. 1737 schrieb er, dass die Pfarrgemeinde

„aus Abmangel des täglichen Brotes kümmerlich die Frondienst hiebei praestieren können, doch mit recht erbarm- und erstaunungswürdiger Geduld und Eifer allmögliches beigetrag[e]“[3].

Ein Jahr später, am 3. Febraur 1738, wandte sich Erdt erneut an die hochstiftische Verwaltung und drängte:

„Die Zeit ruckt herbei, Anstalten zu machen, den Bau am Frühling ausführen zu können. Die Kirche ist noch nit zu bewohnen, den Winter seind die Leut halb verfroren. Geld will niemand vorschießen.“[4]

Er bat entweder um die Genehmigung zur Aufnahme der Summe von 1000 fl. um den halben Zins beim Sonthofener Leprosenhaus[5] oder um eine bischöfliche Schenkung von 500 fl., dann würde das Kirchenvermögen nur mit 400 fl. belastet werden und es stünde noch genügend Kapital für die laufenden Ausgaben bereit. Sein Plädoyer für die zweite Lösung –

„Denn zu ewigen Zeiten wurd sie [die Pfarrkirche] nit imstand sein, wann ein Kapital auf sie aufgenommen würde, solches wiederum abzulösen. Die Pfarrkinder seind arm, und mehr ist Herrenhöfler, verschafft und vermacht wird nicht, und sonst hat das Gotteshaus keine Einkünfte“ –

verhallte ebenso wie das zeitgleiche Schreiben des Pflegers Michael Federle vom 2. Febraur 1738. Letzterer zitierte noch die Bibel mit den Worten:

„ansonsten dem Pfarrer und mit jenes [Wort] allzu wahr werden könnte: coepimus aedificare et nescimus consumare“ (Lk 14,30: Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen.)“ 

Schlussendlich gestand der Patronatsherr lediglich die unentgeltliche Lieferung von Bauholz aus dem hochstiftischen Wald zu und machte in den folgenden Jahren noch Zugeständnisse, was die Begleichung der Rechnung über das gelieferte Eisen in Höhe von 293 fl. anging.

Andere Wege der Geldbeschaffung mussten beschritten werden: Drei Viertel der Summe trieb der Pfarrer durch Spendensammeln, Bruderschaftsmittel, Schuldeneinforderungen sowie einen eigenen Beitrag ein. Für die restlichen 400 fl. musste schließlich doch noch ein Darlehen bei der Spitalstiftung aufgenommen werden.[6] Letzteres sollte die Pfarrkirche noch bis Mitte der 1770er-Jahre belasten. Erst durch eine Umschuldung konnte die bis zu diesem Zeitpunkt auf 500 fl. gewachsene Schuld beglichen werden.

Eine wichtige Rolle in der Finanzierung spielten die existierenden Bruderschaften zum heiligen Antonius und Maria zum Trost, ohne deren Einsatz wohl die Prophezeiung des Pflegers Michael Federle wahr geworden oder die Schuldenlast noch schwerer geworden wäre.[7] […] Auch die Neugestaltung des Kircheninneren zwischen 1782 bis 1789 wurde aus Bruderschaftsmitteln bestritten. Diese umfasste einen neuen Choraltar für 206 fl., ein Altarbild für 80 fl., sonstigen Schmuck im Wert von 47 fl. und die Ausmalung durch den Rettenberger Maler Dionys Roman Weiß. Letztere belief sich auf insgesamt 448 fl. und wurde gänzlich von der Bruderschaft bezahlt. Der verantwortliche Pfarrer zu dieser Zeit war Johann Jakob Jeck.

[1]      Erdt folgte dem als streitsüchtig geltenden Pfarrer Ferdinand Deisenberger, der 46 Jahre in der Pfarrei verweilt hatte. Er führte den Titel eines Bakkalaureus der heiligen Theologie und war Kandidat des heiligen kirchlichen Rechts (Sanctorum canomum candidatus). Am 17. September 1700 erblickte er in Buchenberg das Licht der Welt, das zur Vorderburger Nachbarpfarrei Stefans-Rettenberg gehörte. Nach elf Jahren in Vorderburg wechselte er in den Norden des Bistums nach Ustersbach im Landkapitel Zusmarshausen. Dort verblieb er nicht lange, da er bald die Pfarrei Holzheim übernahm. Er beschloss seinen Lebensabend 1772 als Benefiziat in Dinkelscherben. In seinem Testament erinnerte er sich seiner Pfarrei Vorderburg, indem er ihr 400 fl., 9 silberne Löffel und 22 fl. Stückzinsen vermachte. Vgl. Stadelmann Vorderburg 1948, 164f.

[2]      Stadelmann Vorderburg 1948, 121.

[3]      Ebd.

[4]      Ebd.

[5]        Vgl. allgemein für Spitäler als Geldgeber Heimpel Heiliggeistspitals 1966; Johanek Fürsorgewesen vor 1800 2000. Speziell für Sonthofen siehe Vogel Immenstadt 1996.

[6]      Vgl. Stadelmann Vorderburg 1948, 123 und 207.

[7]      Dies belegt eine Analyse ihrer finanziellen Verhältnisse, ihrer Mitgliederzahlen, ihrer Aktivitäten, kurz: ihrer Rolle und Bedeutung im religiösen Leben der Kirchengemeinde, die Josef Stadelmann 1948 im Zuge seiner Heimatgeschichte durchgeführt hatte. 

Komplettes Verzeichnis der in der Dissertation verwendeten Literatur findet sich in der Datenbank unter Bibliografie > Dissertation.

Zuletzt aktualisiert am: 24.02.2016

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Forschungsplattform Erdteilallegorien im Barockzeitalter / Research Database Continent Allegories in the Baroque Age

Nirgendwo hat der Barock eine solche Dichte an Allegorien der vier Erdteile – Europa, Asien, Afrika und Amerika – hervorgebracht wie im Süden des Heiligen Römischen Reiches. In ihnen manifestieren sich die Vorstellungen des Barock von der Gestalt der Welt, ihrer politischen, sozialen und spirituellen Ordnung, vom Fremden wie vom Bekannten. Diese einzigartige Sammlung dokumentiert Darstellungen der vier Erdteile in Fresken, Stuck, Gemälden oder Skulpturen in ihren ursprünglichen Ausstattungskontexten. Baugeschichten sind ebenso erfasst wie Künstler und Auftraggeber.

Publikationen zum Projekt:

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Allegories of the four continents – Europe, Asia, Africa, and America – were an extremely popular iconographic motive during the baroque era. It was most prevalent in the Southern Parts of the Holy Roman Empire. These allegories express/manifest/carry the imagination/conception/vision of the baroque of the shape of the world, its political, social, and spiritual order as well as of foreign and familiar things. This unique collection documents depictions of four continents in frescoes, stucco, paintings or sculptures in their place of origin. The historical contextualization contains the building history as well as artists and principals.

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