Gabriel Ignaz Thumb Zitieren
* 12. Jan 1741, † 28. Jan 1822, Maler

Künstler von
Kurzbiografie 

Von Gabriel Ignaz Thumb ist kaum etwas bekannt. Er stammt aus der Vorarlberger Barockbaumeisterdynastie Thumb. Anders als sein Urgroßvater Michael Thumb (†1690), sein Großonkel Peter Thumb (1681–1766) und sein Vater Jodok Thumb (1701–1747) übte Gabriel Ignaz, der am 12. Januar 1741 von Katharina Steiger im vorarlbergischen Bezau geboren wurde, nicht das Handwerk eines Baumeisters, sondern eines Malers aus.[1] Anzunehmen ist, dass Gabriel Ignaz seine erste Ausbildung bei seinem Vater erhalten hat und als seine Neigung zur Malerei deutlich wurde über dessen oder seines Großonkels Verbindungen Mitte der 1750er-Jahre in eine Malerwerkstatt als Lehrling eintrat.[2] Sein Vater war überwiegend im badischen Raum tätig, darüber hinaus hat er aber auch eng mit Peter Thumb bei dessen elsässischen Bauten sowie in Schwarzach (1729) gearbeitet.[3]

Gabriel Ignaz’ Werk in der Pfarrkirche St. Martin in Hirrlingen sowie in St. Vitus in Frommenhausen, seine einzigen bekannten Arbeiten, erlauben eine These bezüglich seiner weiteren Ausbildung. Die auffallenden Übernahmen im Chor- und Vierungsfresko der Hirrlinger Kirche mit dem Chor- und Langhausfresko der Stadtpfarrkirche von Sigmaringen könnten auf eine Gesellen-/Mitarbeitertätigkeit bei Andreas Meinrad von Au (1712–1792) weisen. Neben den Erdteilallegorien aus dem Vierungsfresko ist die Szene des letzten Abendmahls[4], in der Jesus Christus nicht zentral, frontal dargestellt ist, sondern hinter dem Apostel Johannes er einem der Jünger ein Stück Brot reicht, eine nahezu exakte Kopie von Aus Komposition. Au selber hat sich in seinem Sigmaringer Werk von Paul Trogers (1698–1762) Werken in Brixen und Zwettl inspirieren lassen.[5] Für das Refektorium des niederösterreichischen Zisterzienserklosters hat Troger 1748 fünf Lünettenbilder gemalt, von denen eines das Thema des letzten Abendmahls darstellt.[6] Dieses fungierte für Au als Vorbild für das Chorfresko, [7] allerdings in Kombination mit einem weiteren Werk Trogers. Das Vorhangmotiv in der Zwettler Darstellung verwendete Troger zwei Jahre später auch in der Ausgestaltung der Sommersakristei des Brixener Doms.[8] Hier kombiniert er dieses mit dem Thema der Fußwaschung und platziert diese in einem klassizistisch-barocken Innenraum mit Kreuzrippengewölbe, den wiederum Au in seiner Abendmahldarstellung in Rokokomanier mit Rocaille-Elementen und einem Tonnengewölbe übernimmt.[9] Gabriel Ignaz Thumb ersetzt dies in der Hirrlinger Darstellung durch eine Scheinkuppel, deren Vorlage wiederum direkt in Trogers heute verlorengegangener Scheinkuppel des Brixener Doms zu finden ist. Letztlich kann davon ausgegangen werden, dass Thumb im Falle einer Schülerschaft bei Au Zugang zu dessen Vorbildern hatte und das Erlernte beziehungweise Gesehene selbstständig anwendete.[10]

Nicht nur motivisch, sondern auch biografisch wäre ein Lehrer-Schüler-Verhältnis von Au-Thumb plausibel. Zum Zeitpunkt der Ausmalung der Sigmaringer Pfarrkirche zwischen 1758 und 1761 war Gabriel Ignaz in einem Alter (17 Jahre), in dem in der Regel eine Lehre beendet wurde. Der in Sigmaringen residierende Andreas Meinrad von Au stattete in seiner Funktion als Fürstlich-Hohenzollerischen Hofmaler die Kirche aus. Da Au möglicherweise ein Schüler von Franz Joseph Spiegler (1691–1757) war, könnte auch hierüber die Vermittlung Thumb – Au erfolgt sein.[11] Denn Thumbs Großonkel Peter Thumb kannte Spiegler aus der gemeinsamen Tätigkeit für das Benediktinerkloster St. Peter im Schwarzwald. Obwohl kein Geselle unmittelbar mit dem Sigmaringer Auftrag für Au belegt ist, liegt der Umfang des Auftrags die Beschäftigung solcher nahe. Es ist bekannt, dass Au in der Regel stets zwei Gesellen hatte, die Kleinarbeiten für ihn ausführten.[12] Namentlich sind überliefert: Anton Veeser und Bonaventura Vogler. In seiner Analyse des Umfelds und Rezeption von Franz Joseph Spiegler (1691–1757) stellt Hubert Hosch „einen Nachklang von Au’s (und Spieglers) auch bei Gabriel Ignaz Thumb“ fest und schreibt die Verkündigungsdarstellung in der 1781 neu erbauten Franziskanerinnenklosterkirche in Weppach[13] bei Bermantingen entweder Aus Schüler Vogler oder Thumb zu.[14] Ein weiterer Aspekt unterstützt eine Verbindung Au – Thumb. Au kannte den Baumeister der Hirrlinger und Frommenhausener Kirchen Christian Großbayer (1718–1782) seit 1748[15] aus seiner Haigerlocher Tätigkeit.[16]

Letztlich sind die Übernahmen Thumbs von Au in der Forschung nicht unbemerkt geblieben. Bereits 1993 hat Hans Albrecht Oehler in seinem Aufsatz über „Großbayer und die Maler“ zwar zum einen das Chorfresko sowie die Bogenarchitektur im Langhausfresko mit Sigmaringen in Verbindung gebracht, aber erstaunlicherweise nicht die Erdteilallegorien[17] In Bezug auf die Bogenarchitektur ist die Anlehnung zwar nicht zu negieren, aber mir scheint ein Vergleich mit Aus Pfullendorfer Fresko „Verehrung der Stadt- und Kirchenpatrons St. Jakob durch Geistlichkeit, Magistrat und Volk“ aufgrund der Themenübereinstimmung sowie der Komposition (Volk hinter geschwungener Balustrade) zweckdienlicher. Denn ob Thumb dieses bereits 1750 entstandene Fresko in Form eines Besuches selber oder nur Entwürfe, Abbildungen etc. in der Werkstatt gesehen hat, ist nicht zu sagen, aber es beweist, dass Thumb das Œuvre Aus sehr gut kannte, was wiederum für eine Lehre bei Au spricht.

Sicher blieb Thumb bis zum Ende der Sigmaringer Auftrags bei Au, also zwei Jahre länger als es seine Lehrzeit erfordert hätte. Vorstellbar und naheliegend wäre, dass er sogar noch bei Aus folgenden Aufträgen in Zwiefalten (1764/1766), Mörsingen (1765) und Laiz (1768) mitwirkte. Denn in seinem zweiten Werk, das parallel zu Hirrlingen entstanden ist – die Kirche St. Vitus in Frommenhausen –, finden sich ähnliche ockerfarbene Wolkenwirbel wie sie in den Emporenfresken in Zwiefalten zu sehen sind.[18] Das Langhausfresko in Hirrlingen weist ebenfalls solche Wirbel auf. Darüber hinaus sind die Heilige Dreifaltigkeit sowie einzelne Figuren (Maria, Puttiköpfe sowie die Haltung des heiligen Nikolaus) dem Zwiefaltener Emporenfresko „Salve Regina im Himmel und auf Erden“ entnommen.[19]

Nach Abschluss seiner Tätigkeit in Hirrlingen beziehungweise Frommenhausen verläuft Thumbs weiterer Lebensweg bis zu seinem Tod am 28. Januar 1822 an einem unbekannten Ort.

[1] Gabriel Ignaz wird zwar als Sohn des Baumeisters Jodok Thumb erwähnt, aber Norbert Lieb führt ihn nicht als eigenständige Meister auf. Vgl. Lieb 1976, 118.

[2] Sein Großonkel Peter Thumb war laut Hans-Martin Gubler von „aufopfernder Hilfsbereitschaft“ (13) gegenüber der Familie, der Verwandtschaft und Freunden. Durch seine weite und erfolgreiche Tätigkeit als Baumeister verfügte über ein breites Netzwerk zu Stuckateuren, Malern, Bildhauern und Altarbauern. So lernte er durch seine Arbeit für das Benediktinerkloster St. Peter im Schwarzwald den Riedlinger Maler Franz Joseph Spiegler (1691–1757) kennen, den er später erfolglos für die Ausstattung des Wilhelmiterklosters Mengen empfahl. Oder während des Neubaus der Wallfahrtskirche von Birnau arbeitete er mit Gottfried Bernhard Göz (1708–1774) und in der Pfarrkirche zu Hilzingen mit Benedikt Gambs (1703–1751) zusammen. Vgl. Gubler 1972, 162.

[3] Vgl. Lieb 1976, 118.

[4] Hier weicht sie von geläufigen Abendmahldarstellungen ab. Vgl. für einen Überblick beispielsweise Edgar Baumgartls Ausführungen zu den Nachwirkungen zu Martin Knollers Neresheimer Abendmahl. Baumgartl 1998, 125–136.

[5] Einzelne Figuren sowie die Spiralkomposition sind Paul Trogers (1698–1762) Brixener Langhausfresko „Anbetung des Lammes“, das Troger von 1748 bis 1750 gemalt hatte, entlehnt. Allerdings umfassen die Anlehnungen nicht Aus Erdteilallegorien. Vgl. Beck 1977, 149–151; Kronbichler 2012, 260. 

[6] Vgl. Kronbichler 2012, 366 Abb. G 220.

[7] Vgl. Kronbichler 2012, 366 Abb. G 220.

[8] Vgl. Abb. Kronbichler 2012, 87.

[9] Später 1771 malt Au erneut das letzte Abendmahl im Chor der Pfarrkirche St. Martin in Meßkirch. Hier lässt er die Rokokoelemente in der Scheinarchitektur weg und übernimmt Trogers klassizistisch-barocke Raumgestaltung. Vgl. AK Sigmaringen 1992, 58, Abb. 32.

[10] Wie beispielsweise auch der oben links in Untersicht dargestellte Engel im Hirrlinger Langhausfresko zeigt. Diesen findet man oben rechts und links im Sigmaringer Langhausfresko.

[11] Siehe ausführlich die Kurzbiographie zu „Andreas Meinrad von Au“.

[12] Vgl. Wagner-Würz 1936, 12; AK Sigmaringen 1992, 21.

[13] Vgl. KD Baden 1/1887, 664f.; Schmid 1979, 284f.

[14] Vgl. Hosch 1993, 138 Abb. 17 und 140.

[15] Au hatte für den Fürsten 1748 bis 1751 die Haigerlocher Schlosskirche und 1755 die Wallfahrtskirche ausgestattet

[16] Bei Hirrlingen und Frommenhausen handelt es sich zwar um Zuschreibungen, aber aufgrund der stilistischen Nähe sowie der Dominanz Großbayers im Hohenzollerischen Territorium als Baumeister wäre eine Bauausführung plausibel. Im Fall der Haigerlocher Schlosskirche war vermutlich Großbayer, der zu diesem Zeitpunkt noch am Beginn seiner Karriere stand, der Bauleiter. Vgl. Hannmann/Steim 1982, 27, 40–42; Urban 2000, 15.

[17] Vgl. Oehler 1993, 87–91.

[18] vgl. AK Sigmaringen 1992, Abb. 72 und 73.

[19] Vgl. AK Sigmaringen 1992, Abb. 70.

 

Bibliografie 

Zuletzt aktualisiert am: 13.06.2016

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Forschungsplattform Erdteilallegorien im Barockzeitalter / Research Database Continent Allegories in the Baroque Age

Nirgendwo hat der Barock eine solche Dichte an Allegorien der vier Erdteile – Europa, Asien, Afrika und Amerika – hervorgebracht wie im Süden des Heiligen Römischen Reiches. In ihnen manifestieren sich die Vorstellungen des Barock von der Gestalt der Welt, ihrer politischen, sozialen und spirituellen Ordnung, vom Fremden wie vom Bekannten. Diese einzigartige Sammlung dokumentiert Darstellungen der vier Erdteile in Fresken, Stuck, Gemälden oder Skulpturen in ihren ursprünglichen Ausstattungskontexten. Baugeschichten sind ebenso erfasst wie Künstler und Auftraggeber.

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Allegories of the four continents – Europe, Asia, Africa, and America – were an extremely popular iconographic motive during the baroque era. It was most prevalent in the Southern Parts of the Holy Roman Empire. These allegories express/manifest/carry the imagination/conception/vision of the baroque of the shape of the world, its political, social, and spiritual order as well as of foreign and familiar things. This unique collection documents depictions of four continents in frescoes, stucco, paintings or sculptures in their place of origin. The historical contextualization contains the building history as well as artists and principals.

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