Altenburg (PB Horn), Stift, Feststiege Zitieren
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Die Feststiege im Marmortrakt des Stifts Altenburg verbindet drei architektonische Ebenen (errichtet ab 1730): die Sala terrene, den Großen Stiftshof und die Prunkräume im Obergeschoss (Marmorzimmer). Der Zugang zur Feststiege im Kaisertrakt des Stifts Altenburg erfolgte ursprünglich über den Großen Stiftshof. Von dort betrat man über einstmals offene, heute geschlossene, Arkaden das Treppenhaus. Heute formen die geschlossenen Arkaden ein dem Treppenhaus vorgelagertes schmales Vestibül. Im nach oben offenen Treppenhaus angekommen, führen zwei seitliche Treppenarme nach unten in die Sala terrene. Diese verbindet Untergeschoss und Erdgeschoss zu einer Reihe von vier hohen Räumen.[1]
Der zentrale Treppenarm der Feststiege führt vom Haupteingang im Großen Stiftshof nach oben in das lichtdurchflutete Treppenhaus auf einen Treppenabsatz, an dem sich die Treppe wiederum in zwei Treppenläufe teilt, die auf den letzten Absatz führen. Von diesem aus erschließt sich der an der Westseite des Trakts entlanglaufende Korridor, der die Prunkräume des Obergeschosses erschließt. Die zwei vom Haupteingang nach unten führenden Treppenarme sind bereits dem vom Element Wasser bestimmten groteske Ausstattungsprogramm der Sala terrene verpflichtet. Die Treppe mündet in eine Grotte, errichtet aus grobem Verputz und Natursteinen, in deren Zentrum eine marmorne Leda mit Schwan sitzt.
Hingegen bildet das Treppenhaus zwischen Erdgeschoss und erstem Stock ausstattungsmäßig eine Einheit, die der festlichen Ausstattung der Kaiserzimmer verpflichtet ist. Die alles überwölbende Kuppel über dem Stiegenhaus ist zur Gänze mit einem Fresko aus der Hand Paul Troges ausgemalt. Dieses stellt gleichsam den Höhepunkt des Ausstattungsprogrammes dar. Dargestellt ist die harmonische Verbindung von Glaube und Wissenschaft. Im Zentrum, direkt über dem obersten Absatz, reichen sich die Allegorien der Weisheit und der Religion die Hände zum Zeichen ihres Einverständnisses. Die Weisheit ist eine weibliche Figur in blauem Mantel, als kennzeichnendes Attribut ist ihr ein runder Spiegel beigegeben, während die Allegorie des christlichen Glaubens in einen weiten weißen Habit gekleidet ist und ein schlichtes Holzkreuz in der linken Hand hält. Unterhalb schwebt ein Genius, der das Motto „Quam bene conveniunt“ (wie gut sie zusammen passen) auf eine Tafel schreibt. Links und rechts reihen sich die Glaube und Wissen zugehörigen Tugenden und Disziplinen an: Es sind dies auf der einen Seite die drei göttlichen Tugenden Glaube (mit Helm, Kelch, Gesetzestafel und Kerze), Hoffnung und Liebe sowie Frömmigkeit, Sanftmut, Geduld und Keuschheit. Auf der anderen Seite sind es Theologie, Philosophie, Astronomie und Poesie sowie Geometrie, Nautik, Geometrie, Plastik und Architektur. Auf der gegenüberliegenden Seite des Freskos in der nordöstlichen Ecke werden die Personifikationen der Laster gleichsam aus dem Bild gestürzt, es sind dies Hass, Neid, Unmäßigkeit, Hoffart, der Zorn, die Unkeuschheit und die Verzweiflung.[2]
Die Darstellung der Tugenden entspricht weitgehend Cesare Ripas Vorlagen. Interessant, dass der Glaube aufgrund des Themas zweimal vorkommt. Einmal mit weißem Gewand und Kreuz (entspricht Fede Cristiana bei Ripa) und einmal mit Helm, Kelch, Gesetzestafeln und Kerze (Fede Cattolica).[3]
Auf den opulenten weißen Balustraden der oberen Treppenläufe sitzen zwei Putti mit Hunden, der eine schlafend, der andere wach. Sie verkörpern Tag und Nacht und werden erst 1736 an dieser Position aufgestellt.[4] Vor der Balustrade des obersten Treppenabsatzes sitzen zentral drei musizierende Putti mit Fanfare, Kesselpauken und Flöte.
Die Gestaltung der Wandflächen im Obergeschoss wird gegliedert durch die großen Fenster, die zum einen nach draußen, zum anderen in die an das Treppenhaus angrenzenden Kaiserzimmer blicken, und durch die großen Wandpaneele an der Nord- und Südseite. Flache, marmorierte Stuckpilaster bilden vertikale Angrenzungen der Fensterzonen und Wandflächen. In den durch schwarze Stuckleisten gerahmten Wandpaneelen befinden sich in Weiß und Gold ausgeführte Stuckreliefs von Blumenvasen. Diese dargestellten Pflanzen verweisen auf die vier Erdteile. Es handelt sich um Calla, Agaven, Akanthus und einen Strauß heimischer Blumen. Letztere stehen für Europa, und die Agave ist eindeutig eine amerikanische Pflanze. Die Calla (Drachenwurz) ist in allen temperierten Gebieten der Nordhalbkugel beheimatet und muss wohl Asien zugeordnet werden. Der in den tropischen und warm gemäßigten Regionen der Alten Welt verbreitete Akanthus vertritt hier Afrika.
Die Brüstungen der beiden äußeren Fenster auf der Nord- und Südwand sind mit Reliefdarstellungen der Venus versehen, die auf den Mythos von Amor und Psyche verweisen. Im einen Fall küsst Venus Amor, im anderen weist sie Psyche zurück. Beide sind als Kinder dargestellt.
Die vier Stuckpaneele des Treppenaufgangs mit den Pflanzen der vier Erdteile sind als subtiler Verweis auf das Deckenfresko Trogers zu lesen. Die Pflanzen symbolisieren die irdische Sphäre gegenüber der himmlischen. Das ergibt sich zum einen aufgrund ihrer Position im Treppenhaus, das sich aus der Grotten- und Wasserwelt der Sala terrene emporschwingt zu den Kaiserzimmern im Obergeschoss. Die Pflanzen sind Element der lichtdurchfluteten Oberwelt, die überwölbt wird von der alles dominierenden Himmelsszene des Freskos. Zum anderen vertreten sie die vier Erdteile, die zusammen das unter einem gemeinsamen Himmelsgewölbe ruhende Weltganze bilden. Darüber hinaus manifestiert sich in der detaillierten Darstellung der Pflanzen der Erdteile ein Hinweis auf das botanische Wissen des Barock und somit auf das Generalthema Religion und Wissen im Deckenfresko.
[1] Zur Sala terrene siehe Kramer 2008, 99–104.
[2] Für genaue Beschreibung und Deutung des Freskos siehe Gamerith 2008, 91–92 und Groiss 1994, 55–58.
[3] Vgl LCI Bd 4, 376.
[4] Gamerith 2008, 89.
Treppenhaus (Stuck):
- oberster Treppenabsatz, Balustrade: Putti mit Fanfare, Kesselpauke und Flöte
- oberster Treppenlauf, Balustrade: allegorische Skulpturen von Tag und Nacht
- Wandpaneele: vier Erdteile symbolisert durch Pflanzen
- unterster Treppenabsatz, Sala Terrene: Grotte, Leda und der Schwan
Die Marmorstuckausstattung des Treppenhauses ist rezent restauriert und in sehr gutem Zustand.
Zuletzt aktualisiert am: 11.07.2023