Eisenerz (PB Leoben), Heiliggeist-Haus Zitieren
Auszug aus der Diplomarbeit von Marion Romberg “Die Welt in Österreich – 57 Beispiele barocker Erdteilallegorien”:
Nach dem Dehio Steiermark[1] können die Erdteilallegorien an der Fassade des Heiliggeist-Hauses in Eisenerz in das dritte Viertel des 17. Jahrhunderts datiert werden. Laut den Recherchen von Maja Loehr[2] befand sich der Gasthof Zum heiligen Geist vor 1750 im Besitz von Elisabeth Bischoff, der Witwe des Vordernberger Amtsmannes Johann Franz Bischoff.[3] Wie die Besitzverhältnisse in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, also zum Zeitpunkt der Entstehung der Erdteilpersonifikation ausgesehen haben, ist meines Wissens noch nicht untersucht und publiziert worden. Aus diesem Grund ist diese Erdteilgruppe zum momentanen Stand der Forschung dem dekorativen Typus zuzuordnen, da aufgrund von mangelndem Hintergrundwissen zu Funktion und Auftraggeber sowie fehlender bildinterner Deutungspunkte diesbezüglich keine fundierten, umfassenden Schlüsse gezogen werden können.
Gemeinsam mit den Erdteilallegorien im Pfarrhof Eggenburg, auf der Feste Riegersburg und im Schloss Eggenberg gehören die Allegorien in Eisenerz zu den frühesten Umsetzungen in der Architekturdekoration in Österreich und basieren wie diese auf einer Vorlage aus der niederländischen Grafik.
Zwischen den fünf Fensterachsen befinden sich vier stuckierte allegorische Darstellungen der vier Erdteile. Eingeschrieben in Rundmedaillons, die jeweils von zwei Engeln gehalten werden, folgt – von links nach rechts – auf Europa Amerika, Asien und dann Afrika. Umgeben sind sie von einer reichen floralen Stuckdekoration mit zwei größeren Engelsfiguren und einer möglichen Heiligendarstellung. Die Erdteilpersonifikationen sind aufgrund einer Inschrift klar als solche zu identifizieren. Der Künstler kopierte in einer reduzierten Weise die 1581 in Antwerpen entstandenen Kupferstiche von Jan Sadeler und Dirck Barendsz. Diese wiederum dienten – wie bereits analysiert – als Vorbild für die Erdteilallegorien von Pietro Maria Bagnadore (1548–1619) in der Sommerresidenz der Fürstbischöfe von Brixen in Schloss Velturno.
Die Haltung, die ausgewählten Attribute, der Gegensatz von den zivilisierten Kontinenten Europa und Asien sowie den wilden, naturverbunden Kontinenten Afrika und Amerika bestätigen eine Kenntnis des Künstlers oder des Auftraggebers mit den genannten Vorbildern. Bei Europa finden wir wieder die sitzende Haltung mit den gespreizten Beinen, das aufragende, mit Früchten überquellende Füllhorn sowie die Flinte und den Helm zu ihren Füßen. Wie in den Vorbildern ist Asien von einem Baum hinterfangen und mit einem langen Kleid und Turban bekleidet. Zu ihren Füßen liegen Säbel und Turban, mit ihrer linken Hand deutet sie auf die in der Ferne sichtbaren Häuser. In liegender, ruhender Haltung vor einer Baumgruppe präsentiert sich Afrika analog zu ihren Vorbildern lediglich mit einem Tuch und einem Hut (als Verweis auf die brennende Sonne Afrikas) dem Betrachter. Am Boden vor ihr liegen ihr Köcher – mit Pfeilen bestückt – und ihr Bogen. Bei Amerika beraubt der Künstler die Personifikation des in den Vorlagen vorhandenen Tuches und stellt sie inmitten der Natur vollkommen entblößt, lediglich mit einem Speer bewaffnet, dar. Auch hier stimmt die Haltung überein. Während bei Europa und Asien noch in den Architekturkürzeln Ansätze einer Zivilisation zu erkennen sind, sind Afrika und Amerika gänzlich von Natur umgeben.
Neben Eggenburg, Eggenberg, Riegersburg und Eisenerz fungierte die niederländische Graphik ebenfalls für die Erdteilpersonifikationen im Prämonstratenser Stift Geras als Vorbild. Der unbekannte Künstler orientierte sich um 1685 an der Kupferstichserie von Maarten de Vos, die 1589 durch Adriaen Collaert verlegt worden ist[4]. De Vos’ Afrikaallegorie diente womöglich auch als Anregung für die Amerikaallegorie in der ehemaligen Bibliothek des Abts Robert Schöller in Stift Zwettl.
[1] Dehio Steiermark 2006, S. 88.
[2] Vgl. Loehr 1929, S. 129–250.
[3] Ebenda, S. 211.
[4] Die gleiche Vorlage haben auch die Darstellungen auf der Weltkarte des niederländischen Kartografen Johann Baptis Vrient, auf dem vergoldeten Silberhandbecken des Goldschmiedes Pierey für die Landstände Kärntens von 1616 und auf einem böhmischen Glas von circa 1670. Vgl. AK Federschmuck 1992, S. 32 sowie Kat. Nr. 3.11 für das Silberhandbecken. Ebenso siehe Polleroß 2004, S. 27.
teilweise leichte Schäden, abblätternde Farbe
Als Vorlage diente dem unbekannten Künstler die Komposition des holländischen Malers Dirck Barendsz (1534–1592), die durch die Kupferstichserie “Die vier Erdteile” Jan Sadeler dem Älteren in Antwerpen 1581 verlegt und in ganz Europa verbreitet wurde:
- Europa [Abb. im Rijksmuseum, Amsterdam]
- Asia [Abb. im Rijksmuseum, Amsterdam]
- Africa [Abb. im Rijksmuseum, Amsterdam]
- America [Abb. im Rijksmuseum, Amsterdam]
Zuletzt aktualisiert am: 12.02.2019