Innichen (Prov. Bolzano) Zitieren

 

Erdteilallegorien an diesem Ort
Orts- und Gebäudegeschichte 

Die St. Michaels-Pfarrkirche in Innichen, auch einfach Michaelskirche genannt, entstand vermutlich wie die meisten Hochpustertaler Pfarrkirchen im 12. Jahrhundert. Zur gleichen Zeit entstand auch die Innichner Stiftskirche. Da aber das heilige Offizium der Chorherrengemeinschaft in der Stiftskirche nicht gestört werden sollte, entstand die Michaelskirche als eigene Pfarrkirche für das Volk.[1]

Die Michaelskirche hatte wahrscheinlich schon damals in etwa die heutige Grundrissgröße und wurde teilweise aus den Mauern eines älteren Gebäudes errichtet. Das kann man etwa an dem Turm erkennen, der älter als die Kirche ist und wahrscheinlich vorher die Funktion eines Bergfrieds hatte. Das Kirchenschiff war aber noch viel niedriger: Es war kaum höher als 10 Meter, da man auf dieser Höhe Spuren der ehemaligen Tragbalken findet. Das Kirchenschiff hatte eine flache Holzdecke und war vermutlich mit Fresken ausgemalt.[2]

Im Jahre 1413 zerstörte ein Brand im Dorf große Teile der Kirche. Diese wurde aber wieder aufgebaut, wobei der rechteckige Saalbau der einschiffigen Kirche im Laufe des 15. Jahrhunderts gotisch eingewölbt und die romanische Rundapsis durch einen hohen gotischen Chorraum ersetzt wurde.[3] Im Gegensatz zu der von Geistlichen und Adeligen geförderten romanischen Kunst waren nun die Bürger der Städte und Marktflecken Träger der Gotik. Maurer aus dem Innichner Raum erlernten die gotische Gestaltungsweise und deren charakteristische Gewölbebautechnik. Es ist gut möglich, dass Hans Stethaimer ihr Lehrmeister war, da der Bau der Michaelskirche sehr an die von ihm erbauten Meraner und Landshuter Spitalkirchen erinnert. [2] Der Altarraum der gotischen Pfarrkirche war reicher ausgestaltet, und die niedrige Rundapsis wurde durch ein hohes Presbyterium ersetzt. Auch die Kircheneinrichtung wurde gotisch gestaltet.[4]

Am 24. September 1554 wurden die Michaelskirche sowie auch alle anderen Kirchen und viele Häuser in Innichen durch einen Brand zerstört. Die Stiftsgeistlichen baten den Landesfürsten aber nur um finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau der Stiftskirche, nicht aber für die Michaelskirche. So mussten sich die Bürger von Innichen allein darum kümmern.

Nach 1700 erwachte die Freude an der barocken Kunst. So entstanden auch Pläne, die romanische Stiftskirche zu barockisieren – allerdings fehlte hierzu das Geld. Die Gestaltung der Stiftskirche wurde auch wichtiger als die Modernisierung der Michaelskirche eingestuft. Zudem erwies sich die Pfarrkirche im 18. Jahrhundert als zu klein, sodass immer mehr Gottesdienste in die Stiftskirche verlegt wurden. 1735 wurde die Michaelskirche noch einmal durch einen Brand zerstört. Das Dach und der Turm brannten vollständig ab, die Glocken schmolzen und stürzten herab. Zudem wurde der Innenraum durch das Löschwasser und Verrußungen beschädigt.[5]

Der Wiederaufbau der Kirche erwies sich als problematisch, da keine Gelder zur Verfügung standen. Die Gemeinde war stark verschuldet und konnte auch nicht auf die Hilfe reicher Innichner zählen, da deren Häuser durch das Feuer ebenfalls stark verwüstet wurden. Auch die Geistlichen des Stifts Innichen stellten sich gegen einen Wiederaufbau der Michaelskirche, da sie der Ansicht waren, dass die Barockisierung der Stiftskirche Vorrang haben sollte. So ergriffen die Bürger Innichens die Initiative und schafften es, bis 1740 der Kirche ein neues Dach und eine neue Fassade zu geben sowie auch den Innen- und Außenbau vom Brandruß zu reinigen. Zudem wurde der runde Turm um eine achteckige Glockenstube erhöht und mit einem Zwiebelhelm geschmückt. Es entstand sogar das Gerücht, dass die Innichner den Stiftsherren zum Trotz eine so schöne Kirche vor die Nase setzten.[6] In den 1750ern schaffte es Dominikus Schraffl[7], der 1753 Pfarrer von Innichen wurde, trotz vieler Hindernisse, die Barockisierung nach dem Plan der Brüder Thomas und Phillip Mayr aus Tristach durchzuführen. Unterstützt wurde sein Vorhaben vor allem durch die Franziskaner und die Innichner Bürger. 1758 erhielt der Maler Christoph Anton Mayr aus Schwaz den Auftrag, die Kirche auszumalen. Es wird angenommen, dass er bereits bei der Planung mitgewirkt hat. Mayr kam vermutlich auf Empfehlung der Franziskaner nach Innichen, da Franziskanerklöster sowohl in Innichen als auch in Schwaz standen und Mayr sogar neben einem Franziskanerkloster in Schwaz wohnte. Er vollendete sein Werk 1760; am 6. August 1761 wurde die Kirche vom Brixner Bischof Leopold Graf von Spaur (1696–1778) neu geweiht.[8]

Der Innenbau ist eine einschiffige Anlage, deren Wände große, sich nach oben verjüngende Fenster zieren. Die Wände sind durch breite Wandpfeiler gegliedert, die Gewölbegurte tragen. Die Flachkuppeln zwischen diesen Gurten sowie die runde Kuppel über dem Chor wurden von Christoph Anton Mayr gestaltet. So sieht man in der Kirche vier große Kompositionen, die von kleinen Zwickelbildern begleitet werden.

1. Der Engelssturz und die theologischen Tugenden (Chorkuppelfresko);

2. St. Michael als Drachenkämpfer und Mariendarstellungen;

3. St. Michael als Beschützer der Kirche und die Allegorien der vier Erdteile;

4. St. Michael als Patron der Sterbenden, Allegorien der Belohnung und der Gerechtigkeit;

An den Pilastern sind Brustbilder der Aposteln, die gesamte Innenansicht ist reich dekoriert (Putti, Stuck, Rocaillevasen).[9]

Die Innichner waren stolz auf die barocke Michaelskirche, die Stiftskirche rückte in den Hintergrund. Ende des 18. Jahrhunderts profanierte Joseph II. die drei kleinen Kirchen Innichens und hob auch das Kollegiatsstift auf. Ferner verordnete er, dass entweder die Stiftskirche oder die Michaelskirche aufgelassen werden mussten. 1786 wurde die Michaelskirche gesperrt, allerdings nur vorübergehend, da sie während der Umbauarbeiten der Stiftskirche noch gebraucht wurde. Letztendlich blieben beide Kirchen offen, da mit dem Tod Joseph II. im Jahre 1790 die Schließungspläne hinfällig wurden. Da 1808 das Innichner Augustiner-Chorherrenstift von der bayrischen Regierung wiedererrichtet wurde, übernahm die Stiftskirche 1814 endgültig die Funktion der Pfarrkirche. Die Michaelskirche wurde zur Nebenkirche degradiert. Bis 1940 wurde dort täglich eine Messe gehalten, einmal im Jahr fand das vierzigstündige Gebet statt. Jedoch verlor die Michaelskirche bis zum Ende des 19. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung. Dies hat auch einen kunstgeschichtlichen Hintergrund: Die Romantik im 19. Jahrundert entdeckte wieder die Kunst des Mittelalters und verschmähte den Barock als entarteten „Zopfstil“.[10]

Im 19. Jahrhundert durchlief die Michaelskirche aber noch einen anderen Weg. Der Fremdenverkehr wurde in Innichen immer stärker, weshalb den protestantischen Touristen die Gelegenheit gegeben werden musste, in einer Kirche zu beten. Deshalb wurde die Michaelskirche einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg zu einer evangelischen Kirche umfunktioniert. So hatte sie wieder einen Nutzen – wenn auch nur im Sommer.[11] Während des Ersten Weltkriegs wurde die Michaelskirche als Stall und Magazin verwendet. Öfters wurde sie von Granatsplittern getroffen und blieb auch nach dem Krieg wegen Mangel an nötigen Restaurierungsmitteln geschlossen.[12]

Viele Innichner sahen die Kirche zunehmend als Verkehrshindernis, und als sie 1932 durch einen Brand beschädigt wurde, wollten die Bürger diese abreißen, um an ihrer Stelle einen großen Platz anzulegen. Durch Unterstützung einiger reicher Innichner schaffte es Propst Johann Mairhofer aber, das Denkmalamt und die Bevölkerung umzustimmen und die Barockkirche zu retten. Jedoch gingen die Renovierungsarbeiten in den wirtschaftlich schwierigen 30er-Jahren nur schleppend voran. 1938 waren die Arbeiten schließlich abgeschlossen.[13] In diesem Jahr wurde die Kirche von Bischof Johannes Geisler aus Brixen geweiht.

1945 wurde die Michaelskirche von der Konventgemeinschaft der Franziskaner verwendet (die ihre Renovierungsarbeiten stets unterstützten), da deren Kirche und Kloster durch Brandbomben zerstört worden war. Zudem wurde im 20. Jahrhundert der Barock zunehmend wieder geschätzt. Nach 1960 wurden dennoch alle Andachten und Gottesdienste (in deutscher und italienischer Sprache) in die Stiftskirche verlegt. In der Michaelskirche wurde nur noch das Fest des heiligen Michael gefeiert. Während der Renovierung der Stiftskirche von März 1968 bis September 1969 wurden die Gottesdienste nochmals in der Michaelskirche verlegt.[14] Danach aber wurde die Michaelskirche endgültig zu einer Nebenkirche – eine Funktion, in der die kunstvolle Barockkirche bis heute geblieben ist.

1990 wurden die Fresken im Innenraum der Kirche von der Firma Hubert Mayr restauriert.

[1] Kühebacher 1987, S. 331f.

[2] Ders., S. 332.

[3] Ders. 1993, S. 318.

[4] Ders. 2003, S. 26.

[5] Ders. 1987, S. 335–338.

[6] Ders. 2003, S. 32.

[7] Sohn von Schneidermeister Josef Schraffl, Mesner der Michaelskirche. Dominikus Schraffl heiratete Ursula Lechner, mit der er zwei Söhne hatte (Franz: Schneider und Messner, Dominikus: Kooperator in Sillian, später Pfarrer in Toblach.

[8] Ders. 1993, S. 322.

[9] Weingartner 1973, S. 331f.

[10] Kühebacher 1987, S. 343–345.

[11] Interessant ist, dass auch heute die Michaelskirche nur in den Sommermonaten von 8 bis 18 Uhr geöffnet ist.

[12] Kühebacher 1987, S. 346.

[13] Der Restaurator Hans Peskoller aus Bruneck beteiligte sich stark an diesen Arbeiten.

[14] Kühebacher 1987, S. 347f.

Zuletzt aktualisiert am: 23.03.2016

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Forschungsplattform Erdteilallegorien im Barockzeitalter / Research Database Continent Allegories in the Baroque Age

Nirgendwo hat der Barock eine solche Dichte an Allegorien der vier Erdteile – Europa, Asien, Afrika und Amerika – hervorgebracht wie im Süden des Heiligen Römischen Reiches. In ihnen manifestieren sich die Vorstellungen des Barock von der Gestalt der Welt, ihrer politischen, sozialen und spirituellen Ordnung, vom Fremden wie vom Bekannten. Diese einzigartige Sammlung dokumentiert Darstellungen der vier Erdteile in Fresken, Stuck, Gemälden oder Skulpturen in ihren ursprünglichen Ausstattungskontexten. Baugeschichten sind ebenso erfasst wie Künstler und Auftraggeber.

Publikationen zum Projekt:

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Allegories of the four continents – Europe, Asia, Africa, and America – were an extremely popular iconographic motive during the baroque era. It was most prevalent in the Southern Parts of the Holy Roman Empire. These allegories express/manifest/carry the imagination/conception/vision of the baroque of the shape of the world, its political, social, and spiritual order as well as of foreign and familiar things. This unique collection documents depictions of four continents in frescoes, stucco, paintings or sculptures in their place of origin. The historical contextualization contains the building history as well as artists and principals.

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