*) VORLAGE – Iconologia von Cesare Ripa Zitieren
Auszug aus der Diplomarbeit „Die Welt in Österreich – 57 Beispiele barocker Erdteilallegorien“ von Marion Romberg (Wien, 2008):
Die Holzschnitte für die Edition im Jahr 1603 wurden von Carlo Grandi nach Entwürfen von Carlo Mariotti angefertigt.[1] Im Fall Europas präsentiert sich uns eine kostbar gekleidete, bekrönte Personifikation des Erdteils, die mit einem Hinweis auf die Grabeskirche Christi in Jerusalem, einem Tempietto, zwei Füllhörnern, den Zeichen der weltlichen und geistlichen Herrschaft (Reichsinsignien, Tiara), Waffen sowie einem Pferd attribuiert ist. Die von Ripa geforderten zusätzlichen Attribute (Bücher, Eule, Musikinstrumente, Malgeräte), die in der Ausgabe von 1603 noch fehlen, sind spätestens seit der Ausgabe von 1611 bildlicher Bestandteil. Asien, ebenfalls reich gekleidet in einem langen Gewand mit Edelsteinkette und kostbaren Gürteln, hält in ihren Händen einen Strauß aus verschiedensten Gewürzen wie Pfeffer, Muskat, Nelken, etc. und ein Weihrauchfass. Zu ihren Füßen ruht ein Dromedar. Afrika, stehend mit langem, über dem rechten Bein geschlitztem Kleid trägt auf ihrem Kopf die aus der Antike bereits bekannte Elefantenexuvie. Um ihren Hals hängt eine Perlenkette mit Korallenanhänger. In den Händen hält sie einen Skorpion sowie ein Füllhorn voller Kornähren hoch. Rechts und links von ihr befinden sich ein Löwe sowie zwei Schlangen. Amerikas Kopf schmückt eine Federkrone und sie trägt als Einzige einen kurzen Rock. Lediglich der Umhängegurt des Pfeilköchers sowie Armreifen durchbrechen die Blöße ihres Oberkörpers. Sie zückt Pfeil und Bogen, im Begriff das zu wiederholen, was der mit einem Pfeil durchbohrte Menschenkopf zu ihren Füßen bezeugt: einen Menschen zu massakrieren. Ein nicht näher definierbares Reptil vervollständigt das Bild einer Wilden.
„Iconologia – a blend of antique mythology, Egyptian pictorial writing arbitrarily interpreted Biblical motives, and medieval Christian allegory […]“[2]
1603 wurde Cesare Ripas (~1555–1621)[3] Iconologia overo descrittione di diverse imagini cavate dall’antichita e di propria inventione dichiarate; di nuovo revista…,Roma, Lepido Faeij[4] in seiner zweiten, aber ersten illustrierten Auflage publiziert. Dieses Werk dokumentiert erstmals systematisch mehr oder minder alle gängigen Personifikationen der bildenden Kunst gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Wie kein anderes Nachschlagewerk wurde es zu dem Bestseller des Barock. Über die nächsten 200 Jahre „lebte“ es regelrecht durch ständige Erweiterungen.[5] Bis zu Ripas Tod 1621 wurde die italienische Version bereits 1611, 1613, 1618 und 1620 erweitert und neu aufgelegt.[6] Bis 1709 ist es in die wichtigsten Sprachen Europas übersetzt worden.[7] Mit dem Wandel des ästhetischen Wertekanons gegen Ende des 18. Jahrhunderts geriet auch Ripas Iconologia in Vergessenheit. Erst 1927 verwies Émile Mâle auf die Nützlichkeit dieses Werkes für die Deutung barocker Kunst.[8] Und nach ihm untersuchten Erna Mandowsky 1934 und Gerlind Werner 1977 Ripas Werk hinsichtlich Quellen, Methoden und Zielen.[9]
Neben der weiten Rezeption dieses Werkes ist Ripas Beitrag für die Entwicklung der Erdteil-Allegorien in zweierlei Weise von großer Bedeutung. Erstens legte er als Erster ein überzeugendes und differenziertes ikonographisches Schema vor.[10] Zweitens ordnet er jedem Erdteil bestimmte Tiere zu.
[1] Vgl. Poeschel 1985, 368. Allerdings nach Sonia Maffel (Email vom 27.11.2017) sind Carlo Grandi und Carlo Mariotti für die Darstellungen in der Perugia-Edition von Orlandi 1764–1767 verantwortlich. Online zugänglich sind die Editionen auf der Website der Università di Bergamo „Cesare Ripa. Allegorie dell’Iconologia di C. Ripa“.
[2] Edward A. Maser im Vorwort zur Dover Edition von Ripas Iconologia aus dem Jahr 1971. Diese Auflage basiert auf der deutschen Hertel Edition von Ripas’ Iconologia von 1758–60, somit siehe Ripa 1758–60, S. x.
[3] Für biographische Referenzen siehe Mandowsky, Erna, Untersuchungen zur Iconologie des Cesare Ripa, Diss., Hamburg 1934, S. 3–6, ergänzt durch neuere Erkenntnisse von Stefani, Chiara, Cesare Ripa: New Biographical Evidence, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 53/1990, S. 307-312.
[4] Auf der Website von SIGNUM (Centro di ricerche informatiche per le discipline umanistiche) ist die digitalisierte Transkription dieser Ausgabe öffentlich verfügbar. In der ersten nicht illustrierten Ausgabe Iconologia overo descrittione dell’imagini universali cavate dall’antichita et da altri luoghi.., Roma, Heredi di Gigliotti von 1593 (ebenfalls von SIGNUM online digitalisiert und transkribiert) waren die Erdteile nicht enthalten.
[5] Die letzte größere Erweiterung veröffentlichte 1764 Pierogiovanni Costantini in Perugia unter dem Titel Iconologia … notabilmente accresciuta d’immagini.
[6] Hierbei handelt es sich 1611 um die Padua-Edition von Pietro Paolo Tozzi (online transkribiert), 1613 um die Iconologia…nella quale si descriuono diuerse imagini di virtu, vitij, affetti, passioni humane, arti, discipline, humori, elementi, corpi celesti, prouincie d’Italia, fiumi, tutte le parti del mondo, ed altre infinite materie in Siena von Matteo Florimi und Florenz von Bartolomeo Ruoti, sowie letztlich 1618 wiederum von Tozzi und 1620 in Parma herausgegeben. Die letzten beiden wurden um 300 neue Holzschnitte erweitert. (vgl. Ripa 1758–60, S. xi). Für weitere italienische Ausgaben siehe Mandowsky 1934, S. 113f.
[7] Auf Französisch – Iconologie où les principales choses qui peuvent tomber dans la pensée touchant les vices et les vertus, sont représentées – wurde sie in Paris 1643/44 von Jean Baudoin herausgeben. Ein Jahr später folgte die holländische Edition Iconologica of uytbeeldingen des Verstands.…vertaelt dorr Dirck Pietersz Pers. Auf Deutsch erschien sie 1669 in Frankfurt am Main von Wilhelm Serlin. Die englische Edition wurde 1709 unter dem Titel Iconologia; or, Moral Emblems in London von Pierce Tempest veröffentlicht. Laut Karl Ludwig Selig ist die erste spanische Edition erst 1866 in Mexiko publiziert worden. Martin Soria argumentierte überzeugend, dass selbst Goya wie Velázquez eine italienische und/oder englische Ausgabe besessen haben müssen. Vgl. Soria, Martin S., Goya’s Allegories of Fact and Fiction, in: The Burlington Magazine, Vol. 90, Nr. 544, Juli/1948, S. 196–202; Selig, Karl Ludwig, The Spanisch Translation of Cesare Ripa’s Iconologia, in: Italica, 28, 4/1951, S. 254–256.
[8] Vgl. Mâle, Émile, La clef des Allégories peintes et sculptées au XVIIe et au XVIIIe siècle, in: Revue des deux mondes, 39/1927, S. 107–129, 376–394. Und nochmals in: ders., L’Art religieux de la fin du XVIe siècle du XVIIe siècle et du XVIIIe siècle. Etude sur l’iconographie apres le Concile de Trente. Paris 1951, S. 383–428.
[9] Vgl. Mandowsky, Erna, Untersuchungen zur Iconologie des Cesare Ripa, Diss., Hamburg 1934; Werner, Gerlind, Ripa’s Iconologia. Quellen-Methoden-Ziele, Diss., Utrecht 1977.
[10] Vgl. Poeschel 1985, S. 104.
Zuletzt aktualisiert am: 30.11.2017