Benediktbeuern (Bad Tölz-Wolfratshausen), Klostergebäude, 2. OG Zitieren
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Die Decke des Festsaals im Klosters Benediktbeuern ist durch 29 unterschiedlich große Ölbilder, die in geometrische Felder, die von üppigen Stuckranken umgeben sind, gegliedert. Die Gemälde sind Teil eines kosmologischen Programmzyklus, der den Triumph des freien Willens in Gestalt der Anima Rationalis im Zeitverlauf feiert. Das Mittelbild zeigt wie die Anima Rationalis auf einem Prunkwagen als Sinnbild des „Menschen mit seinem Lebenswagen“ inmitten einer Gruppe allegorischer Figuren triumphal zum Tor der Ewigkeit, bewacht vom Tod, geführt wird. Nach Überwindung des Todes ist dem Einzelnen die Gotteserkenntnis und Erlösung im Glauben prophezeit. Umgeben wird dieser Triumphzug von vier kleineren zentral sowie 24 an der Deckenschräge angebrachten Bildern. Die zwei nördlich des Mittelbildes befindlichen Deckenspiegel verweisen auf die Rolle Christi als Seelenfänger, während die südlichen die Bedeutung Christi als Schöpfer und Erlöser der Welt hervorheben. Die kosmologische Dimension der Botschaft wird durch die drei Zyklen der vier Elemente, der zwölf Monate und der Laster wie auch Tugenden transportiert. Diese drei Zyklen heben sich durch ihre geometrisch unterschiedliche Stuckeinfassung voneinander ab und sind abwechselnd an den Seiten gereiht.
Die Erdteilallegorien befinden sich im nordöstlichen Nebengemälde der Decke. Es zeigt Jesus, gekennzeichnet durch einen Heiligenschein der sein lockiges kurzes Haar umgibt, als Jäger bei einer Hetzjagd. Im Vordergrund des rechten Bildrandes platziert, zielt er mit einer Büchse, aus der bereits das Mündungsfeuer bricht, auf das flüchtende Wild. Der Gottessohn trägt eine lockere rote Tunika, deren Ärmel leicht aufgekrempelt sind und die mit einem Gürtel um die Leibesmitte fixiert ist, sowie ein blaues Tuch um seine Hüften geknotet.
Der Jagende wird flankiert von drei, die christlichen Tugenden darstellenden jungen Frauengestalten: Glaube, Liebe und Hoffnung. Auf der gegenüberliegenden Seite ist ein Zelt zu sehen, aus dem ein Mitglied der Jagdgesellschaft mit einer Büchse in der Hand heraustritt. Das bejagte Wild, jeweils ein Elefant, ein Hirsch und ein Rotfuchs, wird aus der linken Bildseite herausgetrieben, während ein Löwe, ein Krokodil und ein Leopard von der rechten Seite kommend, vor der Treiberwehr flüchten. Ein Entkommen wird durch den im Bildvordergrund angebrachten Zaun verhindert. Die Treiberwehr besteht aus vier unterschiedlich gekleideten männlichen Gestalten, den Verkörperungen der vier Erdteile, die der Schützenlinie entsprechend nebeneinander aufgereiht sind. Sie treiben das Wild dem geistlichen Jäger entgegen.
Räumlich am nächsten zum Jagenden, aber im Vergleich etwas hinter den übrigen Gestalten stehend, befindet sich die Verkörperung Asiens. Asien trägt ein ziegelrotes Obergewand mit Ärmeln und kleinen goldene Knöpfen, welches durch einen ebenfalls goldfarbenen Gürtel in der Taille gehalten wird. An den Schultern ist ein blauer, doppelseitig gelegter bodenlanger Umhang befestigt. Das enge weiße Beinkleid ist in hohen Stiefel gesteckt. Asias Gesicht wird durch einen dunklen Vollbart charakterisiert, auf seinem Kopf trägt er einen weißen, mit einer roten Feder geschmückten Turban.
Links neben Asien befindet sich die Verkörperung Amerikas, ein goldenes Jagdhorn blasend und aufgeregt in den Trieb hineinzeigend. Amerika trägt eine mehrreihige bunte Federkrone, deren Farben sich im Federrock des Mannes wiederfinden. Während die Beine Amerikas, bis auf dünne rote Bänder um die Fesseln, unbedeckt bleiben, ist der Oberkörper des Mannes durch ein hellrotes Hemd mit kurzen Ärmeln, die nach dem goldenen Saum in weiße Federn übergehen, bekleidet.
An Amerika anschließend reiht sich Europa, dargestellt als junger Mann mit blondem schulterlangem Haar. Europa trägt eine silberne Ganzkörperrüstung, die mit rotem Tuch um die Hüften geschmückt ist. Auf dem Kopf des Dargestellten zeigt sich ein mit Hermelinfell verbrämter roter Herzogshut. Wie die übrigen Erdteile ist auch Europa aus dem die Szene umgebenden Laubwald herausgetreten, um dem jagenden Christus das Wild vor die Büchse zu treiben.
Afrika, mit dunkler Hautfarbe und kurzem krausen Haar dargestellt, vervollständigt schließlich die Treiberwehr. Anders als seine Begleiter lässt Afrika seine Schultern unbedeckt und lässt, verdeckt durch den Rauch des Mündungsfeuers, eine längsgestreifte rotweiße Tunika erkennen, die an seiner linken Schulter mit einer einfachen Fibel gehalten wird.
Im Hintergrund des Ölgemäldes lassen sich, vor einer auf einer Anhöhe gebauten Burg, zwei Faune ausmachen, die mit Lanzen auf einen Drachen einstechen.
Decke:
- Nördliche Seitenbilder:
- Christus als geistlicher Seelenfischer
- Christus als geistlicher Jäger
- Mittelbild: der Triumph der Anima Rationalis über den Tod
- Südliche Seitenbilder:
- Christus als Gärtner
- Christus als Anfang und Ende des Kosmos
Deckenschräge:
[MZ = Monatszyklus | TLZ = Tugend-Laster-Zyklus | EZ = Zyklus der vier Elemente]
- Südliche Schmalseite:
- November (MZ)
- Element Feuer (EZ)
- Dezember (MZ)
- Westliche Längsseite (= Fensterseite):
- Jänner (MZ)
- Erdkugel mit sieben Allegorien des Laster-Tugend-Katalogs (TLZ)
- Februar (MZ)
- Stolz (TLZ)
- Element Erde (EZ)
- Neid (TLZ)
- März (MZ)
- Streit/Krieg (TLZ)
- April (MZ)
- Nördliche Schmalseite:
- Mai (MZ)
- Element Wasser (EZ)
- Juni (MZ)
- Östliche Längsseite:
- Juli (MZ)
- Armut/Elend (TLZ)
- August (MZ)
- Demut (TLZ)
- Element Luft (EZ)
- Friede/Wohlstand (TLZ)
- September (MZ)
- Reichtum (TLZ)
- Oktober (MZ)
1958–1978 (begonnen durch August Dirr; beendet durch Peter Pracher)
Ab 1988 erfolgte die Renovierung der Klosteranlage in Teilschritten.
Bildliche Vorlage war ein Kupferstich von Matthäus Küsel nach Johann Christoph Storer aus: Taxis, Sebastian Franz und Philipp Konstanz Wilhel von, Philosophia Sacro-Profana logicam, physicam et metaphysican Disputationem complexa …, Dillingen 1664 (bg. von der BSB, München online: http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb11026685-3)
Zuletzt aktualisiert am: 20.05.2016