Herrenchiemsee (Rosenheim), Klostergebäude Zitieren
Das von Benedikt Albrecht in den Jahren 1710 bis 1715 geschaffene Fresko im Kaisersaal der Klosteranlage Herrenchiemsee weiSt nicht nur an der Decke, sondern auch an den Seitenwänden eine üppige Scheinarchitektur in rotem Marmor auf. In der zum Himmel hin offenen, im Zentrum der Decke platzierten Szenerie weist ein Spruchband mit der Inschrift IPSI OBSERVANT EV: Luc: 14: C: V.I auf das dargestellte Thema: die Heilung des Wassersüchtigen am Sabbat. In die Scheinarchitektur der Seiten eingebettet findet sich weitere Mahlszenen wieder: im Norden die wunderbare Brotvermehrung (Joh 6, 10–11), im Osten die Jünger von Emmaus (Lk 24, 30), im Süden die Hochzeit zu Kana (Joh 2, 6–7) und im Westen Jesus beim Pharisäer (Lk 11, 37–41). Während in den Ecken der Decke sowie an den Wänden die „Namensgeber“ des Saales zu sehen sind: vier Büsten und zwölf lebensgroße Portraits römischer Kaiser, verkünden an den Längsseiten als Nischenstatuen in Grisaille die vier Erdteile die Ausstattungsbotschaft über die ganze Welt, wobei Europa und Asien die Hochzeit zu Kana, Amerika und Afrika die wunderbare Brotvermehrung flankieren.
Europa, als junge Frau dargestellt, trägt einem Helm mit einem ausladenden Helmbusch. Sie steht aufrecht im Kontrapost. Während ihre rechte Hand ein Zepter nach oben hält, ist ihre linke in ihre Hüfte gestützt. Europa trägt einen an den Schultern mit Hermelinpelz verzierten langen Mantel, der mittig mit einer dem Ohrschmuck entsprechenden, perlenverzierten Spange zusammengehalten wird. Darunter kommt ein stilisierter, aufwendig geschmiedeter Harnisch zum Vorschein, der ab der Taille in Form von einzelnen Schuppen verarbeitet wurde und unter dem das lange Kleid, das an den Oberarmen durch filigrane Knöpfe gerafft ist, gen Boden fließt. Als einziges zusätzliches Attribut ist ihr Füßen ein Tempietto gestellt.
Asien, als junger Mann mit Oberlippenbart in türkischer Tracht dargestellt, trägt auf seinem Kopf einen ausladenden Turban mit stirnseitig angebrachtem, aus einer Brosche entspringendem Federschmuck. Über seinem mit Spangen bis zum Hals zugeknöpften, langärmeligen Kaftan trägt Asien einen bodenlagen Umhang, der wie jener Europas mit Hermelinpelz über den Schultern versehen ist und in der Höhe des Schlüsselbeins mit einer verzierten Brosche und an der Taille mit einem Gürtel aus Tuch zusammengehalten wird. Seine rechte Hand stützt Asien auf ein ovales Schild, in dessen Mitte eine Mondsichel und ein sechszackiger Stern zu sehen sind. Mit der linken Hand, die angewinkelt nach oben zeigt, hält der Jüngling einen filigranen Wurfspeer, an der selben Körperseite findet sich auch ein in Hüfthöhe hervorblitzender Griff eines Säbels. Die Füße des Mannes stecken in hohen, mit zum Schienbein hin spitz zusammen laufenden Schaft ausgestatteten Stiefeln. Der Fuß bleibt jedoch ab dem Knöcheln hinter dem Gesims verborgen.
Amerika, ebenfalls in Gestalt eines Jünglings, trägt auf seinem nach rechts geneigten Kopf eine aus einem Metallreif entspringende Federkrone. Sein muskulöser Oberkörper ist nackt, nur sein Hals und seine Ohren werden mit Perlen geschmückt. Über seiner rechten Schulter zeigt sich ein mit Pfeilen gefüllter Köcher, und in seiner angewinkelten rechten Hand hält er den dazugehörigen Bogen noch ungespannt. Auf der Faust seiner nach oben gerichteten linken Hand sitzt ein Papagei. Um die Hüfte trägt Amerika einen Gurt, an dem Federn, die sich zu einem zweilagigen Rock verdichten, angebracht sind.
Afrika, eine junge Frau, schmückt ihren Kopf mit einem im Nacken zu einem Knoten gebundenen gestreiften Tuch. Perlen zieren ihren Hals und ihr tief ausgeschnittenes Dekolleté. Um Taille und Armgelenk hat sie weitere mehrreihige Perlenketten geschnürt. Auf Kniehöhe endet ihre Tunika, deren Saum so abschließt, dass nach wenigen Zentimetern bereits der Schaft ihrer ledernen, mit Knöpfen geschlossenen Stiefeln anschließt. Die kurzen Ärmel werden mithilfe von an Perlen angebrachten Nadeln nach oben gekrempelt. Zusätzlich dazu präsentiert Afrika in ihrer rechten Hand noch eine lange Perlenschnur, die sie durch ihre Finger gleiten lässt. In ihrer linken Hand hält Afrika Pfeil und Bogen und stützt sich damit auf ein ovales Schild, in dessen Mitte Pegasus zu sehen ist.
von links nach rechts:
MITTELBILD
Gastmahl zu Bethanien bei Maria und Martha
IN DER SCHEINARCHITEKTUR
- linke Schmalseite: Segen über das Brot zu Emmaus
- obere Längsseite: Europa – Hochzeit zu Kana – Asien
- rechte Schmalseite: Heilung des Wassersüchtigen am Tisch des Pharisäers
- untere Längsseite: Amerika – wunderbare Brotvermehrung – Afrika
WAND
- rechte Schmalseite: Julius Caesar – Augustus
- Fensterseite (außen): Caligula – Nero – Otho – Vespasianus
- linke Schmalseite: Domitian – Titus Vespasianus
- Fensterseite (Hof): Tiberius – Claudius – Sergius Galba – Vitellius
Zuletzt aktualisiert am: 13.06.2016