Kissingen (Bad Kissingen), St. Jakobus Zitieren
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Die Kanzel befindet sich am östlichsten Pfeiler zum Nordumgang. An den Ecken des runden Kanzelkorbs sind Frauenbüsten angebracht, die die vier Erdteile symbolisieren. In das Langhaus schauen Europa und Afrika, während Asien und Amerika zur Chorseite ausgerichtet sind. Sie sind durch ihre Kopfbedeckung sowie physiognomischen Merkmale eindeutig zu identifizieren:
- Europa mit hochgestecktem Haar und einer Krone
- Afrika mit einem Turban[1], negroiden Gesichtszügen und einem Ausschnitt, der mit Federn geschmückt ist
- Asia mit einem Turban
- Amerika mit einer Federkrone
Dazwischen sind Reliefs mit den Symbolen der vier Evangelisten angebracht: Europa – Adler (Joh.) – Afrika – Stier (Lk) und Löwe (Mk) – Asien – Engel (Mt, durch Kanzeltreppe beschnitten). Sie verweisen auf den Missions- und Verkündigungsauftrag Christi, der zu seinen Jüngern sprach: „Gehet hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15). Die Kanzel dient innerhalb des Kirchenraums als Ort der Verkündigung, der Predigt. Von hier aus wurde das Wort Gottes ausgelegt und verkündet. Darauf beziehen sich auch die Gegenstände der Dorsale: das offene Buch als Verweis auf die Bibel, eine Kerze als Licht der Erleuchtung, ein Kelch und Trauben als Sinnbild der Eucharistie, die wiederum die Brücke zu den Gesetzestafeln und dem Leidenswerkzeug Christi auf dem Schalldach bildet. Über allen steht die verpflichtende Kraft der Gebote Gottes, und indem diese befolgt werden, steht jedem die durch den Opfertod Christi gesicherte Erlösung zu. Dieser wiederum findet sich in der Dorsale mit dem Sinnbild des Messtods wieder.
[1] Dieser erinnert in seiner Form an die Elefantenexuvie.
KANZELTREPPE
einer der vier Erdteile „America“
KANZELKORB
- Reliefs: Evangeliensymbole (das Symbol des Evangelisten Matthäus wird vom Ansatz der Kanzeltreppe beschnitten)
- Ecken: drei der vier Erdteile
DORSALE
Gehänge aus offenem Buch, Kerze, Kelch und Trauben
SCHALLDACH
- Oberseite: die Gesetzestafeln Moses auf einer Vase, flankiert von zwei Engeln mit den Leidenswerkzeug Christi
- Unterseite: Heiliger Geist als Taube
Die Kanzel geht zurück auf einen Entwurf des Stuckateurs Materno Bossi. Dessen Hauptverantwortung für die gesamte Ausstattung der St. Jakobuskirche wurde erstmals durch Warmuth 1984 belegt und durch Iris Ch. Visosky-Antrack 2002 um die Seitenaltäre und Kanzel erweitert.[1]
Archivalisch in den Hofkammernprotokollen belegt, entsendete der Patronatsherr der Kirche Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim (reg. 1755–1779) im Frühjahr 1774 seinen Hofstuckateur zur Ausführung der Ausstattung. Im Einvernehmen mit der Kissinger Kirchengemeinde, die anteilig an den Kosten beteiligt war, sollte Bossi zunächst nur den Hochaltar und die Stuckdekorationen ausführen. Allerdings wurde seine Tätigkeit nach Abschluss dieser Arbeiten in den Folgejahren 1776 und 1777 auf die Seitenaltäre ausgedehnt.
Die Kanzel entstand erst zehn Jahre später, 1786, auf Initiative Bossis. Da Bossi ein Betrag in Höhe von 275 Gulden der fürstbischöflichen Kasse ausständig war, schlug er vor, dies mit den Kosten für eine Kanzel zu verrechnen.[2]
[1] Vgl. Visosky-Antrack 2000, 180f.
[2] Vgl. Visosky-Antrack 2000, 181.
Zuletzt aktualisiert am: 02.12.2015