*) VORLAGE – Erdteilallegorien von Johann Georg Bergmüller Zitieren
Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (324–328):
Erstmals lässt sich in Bergmüllers Œuvre die Erdteilikonografie 1719 in einem Thesenblatt für die Jesuitenuniversität in Olmütz (heute: Olomouc) finden. In dieser Komposition, aus der Zink die Europa- und Amerikapersonifikation entlehnt, knien die Erdteile – links Europa und Asia, rechts Afrika und Amerika – um eine Weltkugel. Am Himmel sitzt Maria mit Kind auf Wolken und schaut auf die Menschheit herunter. Der Entwurf hierzu wurde vermutlich 1718 von Bergmüller angefertigt.[1] Die Komposition fand nachweislich 1722 auf einem Thesenblatt an der Jesuitenuniversität in Wien und erneut 1738 an der Prager Jesuitenuniversität Verwendung.[2]
Keine vier Jahre später, 1723, lässt sich eine ähnliche Komposition im Hochaltarbild der Klosterkirche der Eichstätter Dominikaner nachweisen. Dieses Altargemälde ist lediglich in einer historischen Aufnahme fassbar, da es 1918 einem Brand zum Opfer gefallen ist. In der Himmelsszene ist die Rosenkranzübergabe an die Heiligen Dominikus und Katharina von Siena dargestellt. Auf der Erde haben sich die vier Erdteile um ein Podest, auf dem die Insignien der weltlichen und geistlichen Macht ruhen, versammelt: links Europa und Amerika, rechts Asia und Afrika. Als Verbindung zwischen Himmel und Erde fungiert die Personifikation der Ekklesia, die direkt hinter der stehenden Europaallegorie mit Kreuz und Tempietto zu sehen ist.
Im Medium des Kupferstichs fanden auch diese Erdteile auf Thesenblättern Verbreitung, allerdings hält die Ekklesia nicht ein Kirchenmodell, sondern ein Abbild des heiligen Petrus oder auch eine Porträtmedaille in den Händen, und Maria wacht im Typus der Schutzmantelmadonna auf Wolken über die Menschheit. […]
In späteren Jahren verwendete Bergmüller die Erdteile vor allem in seinem freskalen Werk. Anders als Bergmüllers unzählige Ölgemälde beschränkten sich seine Fresken im Wesentlichen auf Schlösser und Klosterkirchen, also auf Orte, die zum Bereich der Hochkultur zu zählen sind. Daher wurden im Verlauf des 18. Jahrhunderts besonders seine druckgrafischen Erdteilkompositionen von lokal arbeitenden Künstlern in ihren Werken innerhalb von Dorfkirchen rezipiert:
- 1781 fungierte Bergmüllers Komposition mit der Anbetung Mariens durch die vier Erdteile als Vorbild für die Ausmalung des Chores der Jungholzer Dorfkirche Unserer Lieben Frau Mariä Namen.
- 1747, ein Jahr vor der Verwendung der Komposition durch Zink, hatte sich auch der Unterdießener Künstler Joseph Andreas Merz ihrer bedient. Er kombinierte sie im Gegensatz zu Weiß, der sie nahezu originalgetreu übernahm, in der Pfarrkirche Mariä Verkündigung in Leeder mit der Anbetung der Eucharistie.
- 1748 diente Johann Michael Zink Bergmüllers Erdteilkompositionen als Vorbild für seine Erdteile in der Kirche von Dorfmerkingen. Er verarbeitete nicht nur eine Komposition, sondern vereinte einzelne Versatzstücke aus zwei eigenständigen Kompositionen Bergmüllers zu einer neuen.
Wie erlangten diese lokal wirkenden Künstler Kenntnis von Bergmüllers Kupferstich? Endgültig wird die Frage wohl nicht zu beantworten sein, aber ein Blick in das Œuvre und den Werdegang dieser Künstler, auch wenn sie größtenteils noch unerforscht beziehungweise quellenmäßig schwer greifbar sind, lässt diesbezüglich eine Vermutung zu:
Sowohl Weiß als auch Merz absolvierten eine lokale Lehre: Franz Anton Weiß lernte vermutlich zunächst in Pfronten bei Bartholomäus Stapf und dann in Reutte bei Balthasar Riepp. Von Joseph Andreas Merz wird angenommen, dass er in den 1720er-Jahren innerhalb der Familie anfangs im Landsberger Raum bei seinem Vater und später bei seinem berühmteren Onkel, dem Straubinger Maler Joseph Anton Merz, ausgebildet wurde.[3] Lange Zeit wurden die zwei bekannten Werke des jüngeren Merz in Leeder und in der Pfarrkirche St. Stephan in Ellighofen dem Straubinger Merz zugeschrieben.[4]
Sowohl Weiß, Zink als auch Merz stammten aus einer Künstlerfamilie: Während Merz am Ende einer Künstlertradition steht, ist Weiß der Stammvater einer über vier Generationen andauernden Künstlertradition. Beide verwendeten – wie in Jungholz und in Leeder – des Öfteren Vorlagen von anderen Künstlern. Obwohl sich der Aktionsrahmen von Franz Anton Weiß mit Ausnahme seiner beiden späten Schweizer Werke zeitlebens auf den Allgäuer Raum beschränkte, belegt ein in Augsburger Privatbesitz erhaltenes Skizzenbuch, dass er über eine breite Kenntnis von Werken berühmter Vorbilder niederländischer, italienischer und deutscher Provenienz verfügte. Später versorgten Franz Anton Weiß wohl seine Söhne, die er zum Studium der Malerei an die Augsburger Akademie geschickt hatte, mit den neuesten Entwicklungen. Die Bergmüller-Vorlage könnte Weiß auf einem dieser Wege zur Kenntnis gekommen sein.
Bei Merz verhält es sich ähnlich. Durch seine Ausbildung in der Straubinger Werkstatt seines Onkels kannte er sicherlich auch dessen Bestand an Vorlagen. Die Forschung nahm lange an, dass zwischen Bergmüller und Merz’ Onkel ein Lehrer-Schüler-Verhältnis bestanden hatte.[5] Der Altersunterschied von sieben Jahren (Bergmüller 1688 und Merz 1681 geboren) und das Jahr 1710 als in Merz’ Biografie einziger möglicher Zeitpunkt einer Lehre lassen dies aber wenig wahrscheinlich erscheinen.[6] Sicher ist aber, dass Joseph Anton Merz zu Bergmüller Kontakt hatte und dessen Œuvre rezipierte.[7]
Während Weiß und Merz vermutlich nur indirekt Bergmüllers Komposition über die genannten Kupferstiche rezipierten, hatte der „gebürtige Eichstätter“ Johann Michael Zink, der Bergmüller persönlich gekannte hatte, das Hochaltarbild in der Dominikanerklosterkirche sehr wahrscheinlich bei einem Besuch bei seinem Vater Matthias Zink in Eichstätt gesehen.[8]
[1] Vgl. Eppel/Strasser Bergmüller 2012, 247.
[2] Olmütz, Staatsarchiv Inv.-Nr. 147 und Prag, Staatsbibliothek (Clementinum), Inv.-Nr. 134. Vgl. Friedlmaier Druckgraphisches Werk 1998, 14 D 32; Epple/Strasser Bergmüller 2012, 247.
[3] Vgl. Stoll Mörz 2012, 6.
[4] Vgl. Tyroller Merz 1982, 11–31; Riedl Schöpf 1991, 154; Künast Dokumentation 1997, 1025–1340; Menath Merz 2005; Stoll Mörz 2012, 1–17.
[5] Vgl. AK Innsbruck Holzer 2010, 23.
[6] Vgl. Stoll Holzer 2010, 2.
[7] Alois Epple und Joseph Strasser vermuten, dass Bergmüller 1720 den Auftrag für das Altargemälde in der Katharinenkapelle der Straubinger Pfarrkirche auf Vermittlung von Merz erhalten hat. Merz hat sich später wie im Ausstattungsprogramm der Pfarrkirche St. Martin in Reichersdorf aus dem Jahr 1735 an Bergmüller orientiert. In einem anderen Fall schreiben die Herausgeber des Bergmüller-Werkverzeichnisses das Hochaltarbild in Nasgenstadt Bergmüller ab und verweisen auf ein identisches Gemälde von Merz in Frauenhofen. Darüber hinaus absolvierte auch der Bergmüller-Schüler und -Mitarbeiter Johann Evangelist Holzer seine dreijährige Lehrzeit zunächst bei Merz. Vgl. Epple/Strasser Bergmüller 2012, 80, 88, 280.
[8] Vgl. Weissenberger Zink 1967, 57.
Komplettes Verzeichnis der in der Dissertation verwendeten Literatur findet sich in der Datenbank unter Bibliografie > Dissertation.
Zuletzt aktualisiert am: 23.05.2016