Die Fresken der Pfarrkirche St. Stephan in Ellighofen tragen die Signatur „Jo A: Mörz 1756“. Anfänglich wurden diese aufgrund der geringen Abweichung in der Namenschreibweise, die für die Frühe Neuzeit nicht untypisch ist, dem Maler Joseph Anton Merz (1681–1750) zugeschrieben. Diese Gleichsetzung führte dann auch zur Zuschreibung der Leederer Fresken, die lediglich mit dem Kürzel „IAM“ signiert sind. Allerdings haben neuere Forschungen dazu beigetragen, diese Identifikation zunächst infrage zu stellen und dann komplett aufzuheben.[1] Archivrecherchen im Unterdießener Pfarrarchiv, ausgeführt von Peter Stoll, haben nun ergeben, dass es sich bei dem Ellighofener Maler nicht um Merz, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach um Joseph Andreas Merz aus Unterdießen handelt. Dieser wurde am 16. März 1698 getauft, vermählte sich am 12. Januar 1734 mit Maria Jehle (†1764) und verstarb am 3. Dezember 1764, im gleichen Jahr wie seine Frau. In den entsprechenden Quellen wird er als „artificiosus Dominus Josephus Andreas pictor“ sowie „Pictor Artificialis“ bezeichnet.[2] Seine Ausbildung erfuhr er zunächst bei seinem Vater Ägidius Merz (1668–1732), der ein Bruder der vorher genannten Joseph Anton und Andreas Merz (1678–1735) gewesen ist. Er wird in Verbindung mit der Taufe seines ersten Kindes[3] 1695 in Unterdießen gemeinsam mit seiner Frau Anna Maria Drexl als „de Oberdorf“ [aus Marktoberdorf] genannt. Joseph Andreas Merz stammte somit aus einer Künstlerfamilie, deren künstlerische Wurzeln bereits mit dem Großvater Johann Merz (getauft 1637) begannen.[4]
Insgesamt sind lediglich die zwei oben genannten freskalen Programme für den jungen Merz aus der näheren Umgebung von Unterdießen bekannt. Für das Jahr 1747 wird ihm die Ausstattung in der Kirche Mariä Verkündigung in Leeder zugeschrieben, 1756 malte er sicher die Ausstattung in der St. Stephanskirche in Ellighofen. Über seine Ausbildung ist nichts bekannt, aber die Verwendung von Kupferstichen als Vorlagen[5] sowie die auffallenden Bezüge zum Werk seines in Niederbayern tätigen Onkels Joseph Anton Merz lassen eine Ausbildung bei diesem sehr wahrscheinlich werden. Peter Stoll vermutet, dass sich hinter dem in den Haindlinger Kirchenrechnungen erwähnten Gesellen von Joseph Anton dessen Neffe verbirgt.[6] Der ältere Merz, der zu den „begabtesten niederbayerischen Fresko- und Altarbildmaler des 18. Jahrhunderts“[7] zu zählen ist und seit 1710[8] in Straubing ansässig war, hat in der dortigen Wallfahrtskirche 1720/1721 gemalt. Eine länger andauernde Zusammenarbeit – Lehre und/oder Mitarbeit – untermauern verschiedene Gemeinsamkeiten[9] zwischen dem Leederer Fresko zu Merzʼ größtem Auftrag von 1727: die Ausmalung der Benediktinerklosterkirche St. Peter und Paul in Oberaltaich.
Dort arbeitete der junge Merz zunächst nicht nur mit Joseph Anton, sondern auch mit seinem anderem Onkel Andreas zusammen. Allerdings endete die gemeinsame Arbeit in einem Streit und Joseph Anton stellte den jungen Südtiroler Johann Evangelist Holzer (1709–1740) ein, der drei Jahre später in die Werkstatt von Johann Georg Bergmüllers (1688–1762) nach Augsburg wechselte.[10] Dieser Wechsel soll eventuell über Vermittlung des älteren Merz erfolgt sein, da in der Forschung ein Lehrer-Schüler-Verhältnis zu Johann Georg Bergmüller diskutiert wird.[11] Allerdings erscheint dies aufgrund des Altersunterschieds von sieben Jahren sowie Merzʼ Biografie wenig plausibel.[12] Sicher ist allerdings, dass der ältere Merz zu Bergmüller Kontakt hatte beziehungsweise dessen Œuvre rezipierte.[13] Über die Tätigkeit in der Werkstatt seines Onkels erlangte der junge Merz eine fundierte Ausbildung, die einerseits den Zugang zu verschiedenen Vorlagen- und Nachschlagewerken ermöglichte, andererseits auch das Arbeiten nach und mit diesen. Eine andere zusätzliche Möglichkeit bestände, wenn zwischen der Augsburger Verlegerfamilie Merz[14] und den Marktoberdorfer Merz’ verwandtschaftliche Beziehungen nachzuweisen wären; was bis heute allerdings aussteht.[15] Spätestens 1733 kehrte Joseph Andreas nach Unterdießen zurück, da er im Januar des darauffolgenden Jahres heiratete.
In dieser Zeit arbeitete der ältere Merz wohl mit seinem Neffen in der Pfarrkirche St. Michael in Michaelsbuch (1731), in St. Johann Nepomuk in Thürnthenning (um 1732), in Hl. Blut in Niederachdorf (um 1733). Erst 1747 wird der junge Merz in Leeder erneut greifbar. Was er in der Zwischenzeit nach seiner Hochzeit gemacht hat, liegt im Dunkeln. Vielleicht betätigte er sich verstärkt anderweitig, beispielsweise als Fassmaler, oder arbeitete erneut mit seinem Onkel zusammen oder seine Werke sind verloren gegangen oder werden noch identifiziert.[16]
[1] Vgl. Tyroller 1982, 11–31; Riedl 1991, 132 und 154 Anm. 61; Menath 2005; Stoll 2012, 1–17.
[2] Stoll 2012, 5.
[3] Elisabeth (get. 1695), Peregrina (get. 1703) und Gervasius (get. 1706). Vgl. Stoll 2012, 6.
[4] Vgl. Stoll 2012, 6.
[5] Er verwendete für die Kartuschen der Leederer Pfarrkirche eine Kupferstichserie nach Vorlagen von Christoph Thomas Scheffler (1699–1756), verlegt von Martin Engelbrecht (1684–1756), und für die Erdteilallegorien im Chorfresko ein Thesenblatt von Johann Georg Bergmüller, das dieser vermutlich 1723 in der Nachfolge seiner ersten Ausführung für das Hochaltarblatt der Eichstätter Dominikanerkirche in modifizierter Form entworfen hatte. Das Thesenblatt diente auch 58 Jahre später Franz Anton Weiß (1729–1784) als Vorlage für das Chorfresko in Jungholz (Tirol). Vgl. Abb. in Epple/Strasser 2012, 253 Gv 346; Stoll 2012, 3, 11.
[6] Vgl. Stoll 2012, 7.
[7] Stoll 2010, 1.
[8] Vgl. Tyroller 1982, 11.
[9] Wie beispielsweise die Kuppelarchitektur im hinteren Langhausfresko von Leeder findet sich auch im Sakristeifresko in Oberaltaich wieder. Vgl. ausführlich Stoll 2012, 8, 10f.
[10] Andreas Merz übernahm zunächst im Zisterzienserkloster Gotteszell einen Auftrag. Im Anschluss daran kehrte er nach Cham, seinem Wohnsitz, zurück und stattete im nahegelegenen Furth im Wald, die dortige Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt mit Fresken aus. Vgl. Tyroller 1982, 19; Neueder 2009, 12–25.
[11] Vgl. Roeck 2010, 23.
[12] Vgl. Stoll 2010, 2.
[13] Alois Epple und Josef Strasser vermuten, dass Bergmüller 1720 den Auftrag für das Altargemälde in der Katharinenkapelle der Straubinger Pfarrkirche auf Vermittlung von Merz erhalten hat. Die Rollen vertauscht, hat sich Merz später wie im Ausstattungsprogramm der Pfarrkirche St. Martin in Reichersdorf aus dem Jahr 1735 an Bergmüller orientiert. In einem anderen Fall schreiben die Herausgeber des Bergmüller-Werkverzeichnisses das Hochaltarbild in Nasgenstadt Bergmüller ab und verweisen auf ein identisches Gemälde von Merz in Frauenhofen. Vgl. Epple/Strasser 2012, 80, 88, 280.
[14] Im gesamten 18. Jahrhundert waren Augsburger Mitglieder der Familie Merz als Buchhändler, Verleger und Kupferstecher tätig. David Raimund Merz (1693–1751) betätigte gemeinsam mit Johann Jakob Meyer ein Verlagshaus unter dem Namen Merz & Meyer, ebenso in der zweiten Hälfte Johann Baptist (Balthasar) Merz, der zwischen 1786 und 1833 sein Geschäft betrieb. Johann Georg Merz der Ältere und der Jüngere (1726–1804) arbeiteten als Kupferstecher und Verleger in der Reichsstadt. Vgl. Künast 1997, 1205–1340.
[15] Vgl. Stoll 2012, 6.
[16] Peter Stoll spekuliert ausführlich darüber vgl. Stoll 2012, 12.
Zuletzt aktualisiert am: 24.02.2016