Oberaltaich (Straubing-Bogen), SS. Peter und Paul Zitieren
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Das gesamte Ausstattungsprogramm dient der Verherrlichung des Benediktinerordens. Das weltweite Wirken sowie die weltumspannende Gültigkeit der Botschaft werden durch die Einbindung der vier Erdteilallegorien vermittelt. Insgesamt finden sich Darstellungen der vier Erdteile an fünf Orten der Kirche: zusammen zentral im Hauptfresko des Mittelschiffs und aufgeteilt in den vier Ecken der Emporenkirche.
Das Mittelbild, das sich über zwei Joche erstreckt, ist in zwei zusammenhängende Narrative geteilt: Triumph über die Sündhaftigkeit. Im oberen Bildteil, der zwei Drittel des Bildes umfasst, sitzt der Ordensvater, der heilige Benedikt von Nursia, in einem goldenen Prunkwagen. Umgeben ist er von den drei christlichen Tugenden: der Glaube zu seiner rechten, die Hoffnung zu seiner Linken und hinter ihm die Liebe. Gezogen wird der Wagen von vier Tieren, die wiederum von ihren jeweiligen „Eigentümerinnen“ geleitet werden. Es handelt sich hierbei um die vier Erdteile und ihre Tierattribute.
Voran schreitet die blonde Vertreterin Europa mit ihrem Schimmel. Sie ist in einem blauen Gewand mit einem kostbaren Brustgürtel und einem purpurfarbigen Umhang gekleidet. Es ist mit einer Brosche am Oberschenkel gerafft. In ihrer rechten Hand hält sie ein Szepter. Ihr Kopf ist schräg nach rechts zu ihrem Pferd gewendet.
An Europas Seite geleitet Asia ein Kamel, von dem lediglich der Kopf, der Halsansatz sowie die Vorderhufe zu sehen sind. Sein netzartiges Geschirr harmoniert mit den netzartigen Sandalen der Asia. Diese ist fantastisch in Gewänder in Gold, Rot, Grün, Rosa gehüllt, deren Borten mit Perlen und Edelsteinen besetzt sind. Ihr Haar wird von einer flachen roten Haube und einem filigran gearbeitet Reif verdeckt. Letzterer verzweigt sich nach oben und unten wie eine Lebensader: nach unten fallen ihr Perlen auf die Stirn und nach oben stehen Goldblätter.
Europa und Asia werden von den dunkelhäutigen Repräsentanten Afrika und Amerika flankiert. Links folgt Afrika ihrem großen Begleiter – einem Elefanten. Dieser schreitet munter neben Europa einher. Eine kostbar bestickte grüne Decke schmückt den mächtigen Rumpf und Kopf des Elefanten. Eine Quaste hängt ihm zwischen den Augen. Afrika hat ein schulterfreies Kleid mit Gold besetzter Borte an, Perlen leuchten im schwarzen Haar, am braunem Hals, an den Ohren und Armgelenken. Das Bild einer edlen Wilden rundet ein Goldreif mit einer weißen Feder im Haar und ein Bogen mit Pfeilen in den Händen ab.
Auf der gegenüberliegenden rechten Bildseite bändigt Amerika ihr Tier, einen Löwen. Dieser geht tänzelnd vor ihr her und hat spielerisch mit der Leine im Maul seinen Kopf nach hinten geworfen. Das Inkarnat Amerikas ist von hellerem Braun als das Afrikas. Auch dient ihr lediglich ein Tuch um die Hüfte als Kleidungsstück. Die zweireihige Perlenkette und ein Brustband aus Goldplatten zieren ihre entblößte Brust. Auf ihren Kopf trägt sie eine Krone bestehend aus rosa und blauen Federn. Während Afrika als einzige ihre Aufmerksamkeit auf den heiligen Benedikt gerichtet hat, ist es auch nur Amerika, die mit dem Betrachter Blickkontakt sucht.
Die Mittelszene ist eingebettet in eine breite Figurengruppe, die aus zwölf Greisen mit Sense und Stundenglas, zwei Atlanten und einer Engelschar besteht. Die Insignien der weltlichen, kaiserlichen und geistlichen päpstlichen Macht sind auf der Erd- bzw. Himmelskugel der Altanten geprägt. Während die Greise auf das zwölf Jahrhunderte andauernde Bestehen des Ordens verweisen, bringen zwei der Engel im Licht der Sonne ein offenes Buch mit der Inschrift „Regula SSP. Benedicti Ausculta, o Fili!“ dem Ordensvater entgegen.
In der unteren kleineren Bildhälfte fallen die Personifikationen der Todsünde zwischen zwei Berggipfeln in das brennende Feuer der Hölle. Auf den Bergspitzen verweisen bereits die zwei Tiere – links das Lamm Gottes und rechts das aus der Mythologie legendäre geflügelte Pferd Pegasus – auf die Herkunft der Figurengruppe, die sich am Fuß des jeweiligen Berges versammelt haben. Die eine Gruppe umfasst die drei göttlichen und vier sittlichen Tugenden der christlichen Hilfslehre und ihr Pendant die „edlen, die Sünde ablehnenden Kräfte des Heidentums, Kunst und Wissenschaft“[1] repräsentiert durch Apoll und die Musen.
Die in den vier Ecken der Emporen angebrachten Erdteildarstellungen sind weniger allegorisch als tropologisch. Im Mittelpunkt steht stets ein Mitglied des Benediktinerordens, der ganz im Sinne von Mt 28,19 „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ vor Ort missioniert. Dargestellt sind konkret die Durchführung der heiligen Sakramente: das Bußsakrament (Europa), die Taufe (Asia), der Eucharistie (Afrika) und der Firmung (Amerika). Die Szenen sind mehrfigurig überwiegend in eine Landschaft gesetzt. Ausnahmen hiervon sind Europa, bei der in der rechten Bildhälfte eine Ruinenarchitektur zu erkennen ist, und Amerika, in der Zelte aufgestellt sind. Die Menschen sind landestypisch gekleidet, der Europäer in Bauerntracht, der Asiate mit Turban und Kaftan, Afrika von schwarzer Hautfarbe und negroider Physiognomie und Amerika mit Federkrone, Federrock und von rötlich-braunem Teint.
[1] KD Niederbayern (Bogen) 20/1982, 252.
Die Darstellung der Fresken folgt Pater Angelus Sturms Beschreibung, erschienen im Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung von 1927; von hinten nach vorne:
ERDGESCHOSS [EG]
- nördliches Seitenschiff (EG):
- Beauftragung des Benediktinerordens zur Weltmission durch die Allegorie der Ecclesia
- Studium der Wissenschaften durch den Auftraggeber Abt Dominikus II. Perger und Warnung vor dessen Gefahren
- die Benediktiner mit Kreuz und Schwert zum Kampf
- das Gebet als allheilbringende Waffe des Fürsten
- Sicherung des Wohl des Herrschers (spez. Karl VI.) durch das Gebet des Prälaten
- Mittelschiff:
- legendäre Gründung des Klosters im Jahre 731 durch den heiligen Pirmin und Herzog Odilo
- Übertragung des Apostolats durch Gott an den heiligen Benedikt, der in einem Triumphwagen von den vier Erdteilen gezogen wird
- Wiederaufbau des Klosters nach der legendären Zerstörung durch die Hunnen
- südliches Seitenschiff (EG):
- das Heilige Römische Reich als Schutzmacht des Benediktinerordens
- die Pflege der Musik durch den Benediktinerorden
- die Sicherung des weltlichen Friedens durch den Benediktinerorden
- Gebet des Prälaten für den von der Kirche anerkannten Landesherrn; hier Karl Albrecht von Bayern (reg. 1726–1745)
- Teufelsaustreibung in Anwesenheit und durch die Hilfe des heiligen Leonhard
- die Erlösung durch das Blut des Lammes Gottes
EMPORENKIRCHE [OG]:
- Westseite hinter der Orgel: erfolgreiche Rekatholisierung der Oberpfalz durch das Kloster Oberaltaich 1627–1630 mit Portraits historischer Personen: Kurfürst Maximilian von Bayern (1573–1651), Feldherr Johann ‚t Serclaes von Tilly (1559–1632), Martin Luther (1483–1546)
- Seitenschiffe:
- der Kampf und Sieg des Benediktinerordens gegen Unglaube und Irrglauben (8 Bilder)
- Szenen aus den vier Erdteilen (4 Eckbilder)
- Chorkapelle: die Apotheose des heiligen Benedikt
Das Programm der Ausstattung der Klosterkirche entstammt der Feder des Abtes Dominkus Perger.[1] Einflüsse sind hier von der Salzburger Ordenstheologie sowie der auf Angelus Sturm zurückgehende benediktinischen Lehrmeinung „Dogmatik der Farben“ zu notieren.[2]
[1] KD Niederbayern (Bogen) 20/1982, 251.
[2] Dehio Bayern 2/2008, 433.
Die Mittelszene „Der Triumphwagen mit dem heiligen Benedikt gezogen von den vier Erdteilen“ entstammt dem Kupferstich „Glorie des heiligen Benedikt“ von Johann Karl von Reslfeld (1658–1735), gestochen von Leonhard Heckenauer (1655–1704). Für eine Abbildung der gesamten Komposition Reslfelds sowie weiterführender Informationen siehe Die Glorie des heiligen Benedikt – Thesenblatt von J. K. von Reslfeld und dessen Rezeption.
Im Besitz der Städtischen Kunstsammlungen Augsburg (Inv. Nr. G.930) befindet sich eine Zeichnung von Joseph Anton Merz. Diese zeigt einen Entwurf des zentralen Deckenbildes „Glorie des heiligen Benedikt“.[1]
[1] Für eine Abbildung siehe Biedermann 1987, 324f.
Zuletzt aktualisiert am: 28.02.2016