Graz (PB Graz), Domherrenhof Zitieren
Die Kapelle im heutigen Grazer Domherrenhof war ursprünglich die Hauskapelle des Jesuitenkonvikts. Der kleine dreijochige Saal schließt im Osten mit einer flachbogigen Apsis ab. Das den Saal überspannende Platzlgewölbe sitzt auf Pilastern auf, wobei diese in der Scheinarchitektur der Apsis weitergeführt werden. Dort wird im Fresko das Pfingstwunder dargestellt: Die Taube des Heiligen Geistes schwebt durch das Opaion der Scheinkuppel und in Begleitung von Engeln in den Kirchenraum. Sie ist von Lichtstrahlen und Flammenzungen umgeben, die auf Maria und die Apostel herabfallen. Die Inschrift in der Kartusche im Scheitel des Rundbogens, der der Kuppel vorgeblendet ist, erläutert das Fresko, denn dort steht ein Zitat aus der Apostelgeschichte, das sich auf das Pfingstwunder bezieht: „REMPLETI SUNT O[MN]ES SPIRITU SANCTO“ – „Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt“ (Apg 2,4). Allerdings kann dieser Ausspruch auch auf alle weiteren drei Jochfelder des Saales bezogen werden, die durch Gurtbögen voreinander getrennt sind. In jedem Feld wird der Blick auf eine illusionistische Architektur beziehungsweise Landschaft freigegeben. Im östlichen Joch, anschließend an das Pfingstwunder, wird die Verkündigung an Maria in einer Scheinarchitektur mit Säulen und Rundbögen dargestellt. Im westlichen hingegen wird die Taufe Christi im Jordan in einer Landschaft gezeigt. In beiden Deckengemälden schwebt der Heilige Geist als Taube vom Himmel zur Erde auf Maria beziehungweise Christus herab. Anders hingegen die Szene im mittleren Joch, auf dem die Heilige Dreifaltigkeit mit den vier Erdteilen dargestellt wird.
So zeigt das mittlere Fresko eine Kuppel, die von roten Voluten getragen wird und die den Blick auf einen goldgelben Himmel freigibt. Dort thront die Heilige Dreifaltigkeit in Begleitung von Engeln. Ganz oben im rechten Bildfeld sitzt Gottvater in einem roten Gewand und einem goldenen Umhang. Mit seiner Linken, in der er ein Zepter hält, stützt er sich auf die Weltkugel. Links unter ihm scheint Christus in weißem Lendentuch und mit einem roten Tuch über der Schulter zu schweben. Mit ausgestreckten Armen präsentiert er seine Stigmata, ein Engel und Putti im Hintergrund halten sein Kreuz. Unter Gottvater und seinem Sohn schwebt in hellem Strahlenkranz die Taube des Heiligen Geistes. Unter ihr fliegen zwei Engel auf einer Wolke, von denen einer nach unten zum Betrachter blickt, während der zweite den Blick desselben auf die Taube lenkt. Diese sendet vier Lichtstrahlen in die Ecken des Freskos, wo zwischen roten Voluten und Blumenvasen die vier Erdteile dargestellt sind. Links von der Engelsgruppe steht in einem rot-grünen Gewand und mit einem goldenen Umhang und einer goldenen Kette eine junge Frau, die ihren linken Arm von sich streckt und den Blick zur Taube erhebt. Das weiße Pferd rechts hinter und die junge Dienerin links von ihr, die auf einem Kissen Zepter und Krone präsentiert, machen sie als die Personifikation Europa kenntlich.
Ihr gegenüber, auf der anderen Schmalseite, sitzt ein weißbärtiger Mann in blauem Gewand und mit einem goldenen Hermelinumhang. Auch er hat seinen Kopf, der von einem weißen Turban mit einem goldenen Halbmond bekrönt wird, zum Himmel erhoben. Der Halbmond und das Kamel hinter ihm weisen ihn als die Personifikation Asiens aus. Ebenso wie Europa hat er seine Arme erhoben. Auf der östlichen Schmalseite, ihm gegenüber, sitzt Afrika, hier dargestellt in dunklem Inkarnat, in einem weiß-goldenen Gewand und mit einer Federkrone auf dem Kopf. Ihr Attributtier ist der Elefant. Auch Afrika blickt nach oben zur Taube, allerdings fällt ihre Gestik verhaltener aus als die der anderen zwei Personifikationen. Damit ähnelt sie der vierten und letzten Erdteilpersonifikation, Amerika, die auf einem roten Tuch zu sitzen scheint. Sie ist nur mit einem Federrock und einer mit Perlenschnüren verzierten Federkrone bekleidet. Dem Betrachter hat sie den Rücken zugewandt, sodass er nur ihren mit Pfeilen gefüllten Köcher sieht, der an einer Goldkette zu hängen scheint. In ihrer Rechten hält Amerika ihren Bogen, im Vordergrund hinter ihrem Rücken schaut rechts noch die Schnauze eines Krokodils hervor. Auch wenn Amerika sich vom Betrachter abgewandt hat, so folgt auch ihr Blick dem Lichtstrahl, der von der Taube auf sie herabfällt.
Die Hauskapelle wurde in der Regel nur von den adeligen Schülern und Studenten des Jesuitenkonvikts besucht. Ihnen wurde mit der Ausmalung des Innenraums der Heilige Geist vor Augen geführt, wie er im Neuen Testament besonders von Paulus, Lukas und Johannes beschrieben wird. Dabei kreisen „die Aussagen über den Geist […] um eine Mitte“, nämlich um Jesus Christus, in dessen Leben sich die Macht des Heiligen Geistes offenbart.[1] Bereits der Erzengel Gabriel kündigt Maria den Heiligen Geist an.[2] Im Zusammenhang mit der Taufe Jesu im Jordan bezeugen alle Evangelien, dass der Heilige Geist auf ihn herabgekommen sei und die Menschen durch Jesus „in die Wirklichkeit der Gottesbeziehung“ eintauchten.[3] Das verspricht Jesus vor seiner Aufnahme in den Himmel auch seinen Jüngern, zu denen er sagt: „Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und […] bis an die Grenzen der Erde.“ (Apg 1,8) Den Heiligen Geist erfahren nach der Aufnahme Jesu im Himmel auch Maria und seine Jünger am Pfingsttag, als Jesus „das weitergibt, was er selbst vom Vater empfängt“.[4]
Das Thema der Innenausstattung – die Wirkmächtigkeit des Heiligen Geistes, wie sie im Neuen Testament beschrieben wird – war den Mitgliedern des Jesuitenkonvikts vertraut. So konnten sie auf dem mittleren Fresko sehen, wie der Heilige Geist mit seinen Strahlen die Erdteilpersonifikationen trifft. Diese sind nicht nur Zeugen des Geschehens, sondern werden von den Lichtstrahlen, also von der Kraft des Heiligen Geist selbst getroffen. Diese Strahlen – so konnten die Mitglieder aus dem Deckengemälde ablesen – trafen aber nicht nur die Erdteile, sondern alle sich im Raum befindenden Personen, also auch sie selbst. Somit wurden in ihrer Gegenwart die Welt und sie selbst vom Heiligen Geist erfüllt, wie Jesus es versprochen hatte.
[1] Hasitschka 2011, 8.
[2] So sagt der Engel zu Maria: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“ (Lk 1,35). Vgl. Hasitschka 2011, 8.
[3] Hasitschka 2011, 8. So prophezeit Johannes der Täufer dem Volk: „Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.“ (Mk 1,8).
[4] Hasitschka 2011, 8. So berichtet Petrus über diese Erfahrung: „Nachdem er [Jesus] durch die rechte Hand Gottes erhöht worden war und vom Vater den verheißenen Heiligen Geist empfangen hatte, hat er ihn ausgegossen, wie ihr seht und hört.“ (Apg 2,33).
im Gewölbe:
- Taufe Christi
- Dreifaltigkeit mit den vier Erdteilen
- Verkündigung an Maria
im Chor:
- Ausgießung des Heiligen Geistes
Nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 wurde die Hauskapelle als Registratur genutzt. Dies führte dazu, dass die Fresken in einem „vorzüglichen Erhaltungszustand“ blieben.[1] Einzig die unteren Partien der Wand des Apsisfreskos kamen dabei etwas zu Schaden, weshalb die Restaurierungen, die 1955 und 1961 durchgeführt wurden, besonders diese Schäden ausbesserten.[2]
[1] Bushart 1995, 216.
[2] Vgl. Bushart 1995, 216; Schweigert 1979, 61.
Ein vollständiger Programmentwurf – weder in schriftlicher noch in bildlicher Form – ist nicht überliefert. Allerdings hat sich für das Deckengemälde des Grazer Domherrenhofs ein „aquarellierte[r] und quadrierte[r] Entwurf“ der Taufe Christi erhalten.[1] Da aus dem Testamentprotokoll bekannt ist, dass zum Zeitpunkt von Gabriels Ableben „noch etliche Skizzen und Malereien und Kupferstiche“ existierten,[2] von denen sich nur wenige erhalten haben, ist davon auszugehen, dass für die ganze Kapelle Vorzeichnungen existiert haben. Inwiefern diese Arbeitsvorlagen für den Künstler oder als Entwürfe für den Auftraggeber gedacht waren, lässt sich nach dem heutigen Forschungsstand nicht rekonstruieren.
[1] Bushart 1995, 217. Vgl. Bushart 1996, 442–443. Link zur Skizze: http://sammlung-reuschel.de/sammlung/werke-a-z/die-taufe-christi-im-jordan/
[2] Bushart 1995, 177.
Es ist bei der schnellen und kompilatorischen Arbeitsweise von Eustachius Gabriel davon auszugehen, dass er über eine „wohlsortierte, moderne Vorbildsammlung“ verfügt hat.[1] Zwar hat sich diese Sammlung nicht erhalten,[2] aber es wird vermutet, dass diese zum Zeitpunkt seines Todes noch existierte. So gibt Solan Gabriel, der Bruder des Künstlers, im Testamentprotokoll an, dass sein Bruder „etliche Skizzen und Malereien und Kupferstiche“ bei ihm zur Verwahrung zurückgelassen habe, von denen heute bisher nur zwei als Entwürfe Gabriels identifiziert werden konnten.[3]
Unter den Skizzen befanden sich auch Zeichnungen und Stiche anderer Künstler, die Gabriel als Vorlagen dienten. Darunter waren Werke von Matthäus Günther, Franz Anton Maulbertsch oder Giovanni Battista Tiepolo.[4] Seinen Vorlagenschatz veränderte Gabriel im Lauf seines Schaffens kaum,[5] weshalb sich auch im Deckenfresko der Heiliggeistkapelle Elemente finden, die er bereits in anderen Fresken verwendet hat. So ähnelt die Kuppelöffnung im mittleren Joch mit der Darstellung der Dreifaltigkeit, wie Bushart festgestellt hat, der Architekturrahmung des Chorfreskos in Reute.[6] Weiter schreibt Bushart:
„Die prachtvolle Zwickelfigur der Europa entspricht der dortigen Fides, die Engel sind ebenfalls von dort geholt, die Dreifaltigkeitsgruppe sogar aus Waldsee. In den üppigen Blumenstilleben der Vasen in den dreipaßförmigen Tambourfenstern darf man vielleicht den Einfluß von Maulbertsch erblicken […].“[7]
Die schriftlichen Vorlagen für das Programm der Hauskapelle finden sich im Neuen Testament, in dem von den Evangelien der Heilige Geist und seine Wirkmächtigkeit beschrieben wird:[8]
Die Verkündigung Mariä:
„Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“ (Lk 1,35)
Die Taufe Christi:
„Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.“ (Mk 1,8)
Das Pfingstwunder:
„Nachdem er [Jesus] durch die rechte Hand Gottes erhöht worden war und vom Vater den verheißenen Heiligen Geist empfangen hatte, hat er ihn ausgegossen, wie ihr seht und hört.“ (Apg 2,33).
Die Heilige Dreifaltigkeit:
„Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.“ (Apg 1,8)
[1] Bushart 1996, 116. Bushart betont in diesem Zusammenhang, dass sich sein „Vorbilderschatz kaum veränderte“ (Bushart 1996, 117).
[2] Sie ist nach Busharts Vermutung entweder „verschleudert oder vernichtet“ worden (Bushart 1996, 116).
[3] Bushart 1996, 116. Vgl. Bushart 1995, 177–178.
[4] Vgl. Bushart 1996, 115–116.
[5] Vgl. Bushart 1996, 116–117.
[6] Vgl. Bushart 1995, 216–217.
[7] Bushart 1995, 217.
[8] Vgl. hierzu Hasitschka 2011.
Im heutigen Domherrenhof in Graz war von 1597 bis 1775 ein adeliges Jesuitenkonvikt untergebracht, das 1786 bei der Verlegung des Bistums nach Graz den Domherren übergeben wurde und daraufhin als Registratur diente. Der Umbau des Konvikts erfolgte von 1762 bis 1764 unter dem Bauherrn Josef Hueber.[1] Danach malte Eustachius Gabriel die Heiliggeistkapelle in den Jahren 1770 und 1771 aus.[2]
[1] Vgl. Hootz 1976, 369; Bushart 1995, 216; vgl. Brucher 1973, 93.
[2] Vgl. Vgl. Bushart 1995, 216; Bushart 1995, 120.
Da die Deckengemälde weder signiert noch datiert sind, wurden die Fresken der Hauskapelle des Domherrenhofes lange Zeit fälschlicherweise Johann Caspar Fibich zugeschrieben.[1] Die Zuschreibung an Eustachius Gabriel und die Datierung der Fresken im Grazer Domherrenhof in die Jahre 1770/71 erfolgte aus stilistischen Gründen.[2] Es wird davon ausgegangen, dass die Fresken vor der Ausmalung der Schlosskapelle in Premstätten ausgeführt worden sind, die auf das Jahr 1772, das Todesjahr des Künstlers, datieren.[3]
Die Zuschreibung über stilistische Mittel ist deshalb möglich, da Gabriel zahlreiche „mehr oder weniger unverändert beibehaltene[…] Bild- und Motivzitate“ immer wieder aufnahm. Aus diesen lässt sich auch ablesen, dass er über „eine umfangreiche[…] Sammlung überwiegend zeitgenössischer Vorlagen“ verfügte, die heute zwar nicht mehr erhalten ist und die auch keine Datierung, dafür aber eine „Zuschreibung an den Künstler“ ermöglicht.[4]
[1] Vgl. Egger 1935; Frey/Ginhart 1938, 232; Woisetschläger 1970; Brucher 1973, 93–96; Schweigert 1979, 61. Mit der falschen Zuschreibung kam es auch zu einer späteren Datierung in die Jahre 1772/73 (vgl. Brucher 1973, 93). Die Erforschung von Gabriels Werk erfolgte erst spät, wobei sich der Forschungsstand in Deutschland von dem in Österreich bis ins 20. Jahrhundert erheblich unterschied. Erst in den 1990er Jahren kam es zu neuen Zuschreibungen und einer neuen Würdigung des Künstlers. Zum Forschungsstand vgl. bes. Bushart 1995, 178–181; Bushart 1996.
[2] Vgl. Bushart 1995, 216; Möseneder 1999, 311.
[3] Vgl. Bushart 1995, 213–217. Die Schlosskapelle Premstätten bei Graz sowie die Heiliggeistkapelle des Grazer Domherrenhofes sind beide undatiert und unsigniert zuerst einem „namentlich unbekannten Künstler zugeschrieben“, bevor man in Caspar Johann Fibich den Autor der Ausmalungen vermutete (Brucher 1973, 93; Bushart 1995, 213). Zu dieser fälschlichen Zuschreibung kam es durch „zwei Quittungen Fibichs vom 4. April und 24. September 1773 über den Empfang von 440 Gulden für Malerarbeit im Schloß seit dem 26. Oktober 1772“ und durch die stilistische Zuordnung (Bushart 1995, 213–214).
[4] Bushart 1995, 188.
Zuletzt aktualisiert am: 15.11.2016