Als Johann Georg Bschorer, der am 31. März 1692[1] geboren wurde, seine Lehre als Bildhauer antrat, war er bereits 19 Jahre alt, wie ein Eintrag im Zunftbuch vom 2. August 1711 belegt: „Anno 1711 den 2. Augusti, erscheint vor dem Sitz Herr Christoph Bahmer, bildhauer, mit einem Knaben, die bildthauer Kunst auff 4. Jahr zu erlernen, heißt der Knab, Johann Georg Bschorrer.“[2] Über Bschorers Tätigkeiten bis zu diesem Zeitpunkt ist nichts bekannt.[3] Da sein Vater Ulrich Bschorer jedoch von Beruf Schäffler (Küfer) war, ist es möglich, dass er bis 1711 in der väterlichen Werkstatt gearbeitet hat.[4] Der Vater war spätestens um 1690 aus Pfaffenhofen nach Oberndorf gezogen, wo er kurz darauf geheiratet hat. Bereits zwei Jahre später wurde Johann Georg Bschorer als erstes von sechs Kindern geboren und am 31. März 1692 getauft.[5]
Wie im Zunftbuch vereinbart, beendete Johann Georg Bschorer seine Lehrzeit bei dem Bildhauer Bahmer vier Jahre später,[6] wie ein weiterer Eintrag bestätigt: „1715 den 28. July stellet Herr Christoph Bahmer, Bildhauer abermahlen seinen Jungen Johann Georg Bschorer Vor den Vorgeher Sitz und bezeigt daß er seine gebührnde Lehr Zeit Ehrlich erstanden hab, läßt ihn Hiermit frey sprechen.“[7] Im Anschluss an seine Lehrjahre ging Bschorer wahrscheinlich als Geselle auf Wanderschaft, die ihn auch nach Brünn (Mähren) und Prag (Böhmen) geführt haben soll.[8]
Nach seinen Wanderjahren, zu Beginn der 20er-Jahre des 18. Jahrhunderts, war Bschorer für wenige Jahre in Wallerstein, wo er seine einzigen Arbeiten aus Stein fertigte.[9] Im Jahr 1723 übersiedelte er mit seiner Frau nach Oberndorf,[10] wo er eine Bildhauerwerkstatt betrieb. Seitdem bezeichnete er sich auch als „Bildhauer von Oberndorf“.[11] In dieser Werkstatt entstanden bis etwa 1750 „eine Vielzahl von meist überlebensgroßen Heiligenfiguren und Engeln und unzähliges kleinteiliges Dekor, wie Engelchen, geflügelte Engelköpfchen, Blütengirlanden, reiche Kapitelle an Altarsäulen, Vasen, Wolkenballen und vieles mehr“.[12] Allerdings können ihm bereits in den 1740er-Jahren immer weniger Werke nachgewiesen werden.[13] Die Ursachen für seine nachlassende Produktivität sind bisher unbekannt, es werden hierfür sowohl die Auswirkungen des Österreichischen Erbfolgekriegs sowie die Konkurrenz des Dillinger Bildhauers Johann Michael Fischer als auch gesundheitliche Gründe in Erwägung gezogen,[14] da Bschorer nach langer und schmerzhafter Krankheit am 2. April 1763 verstarb.[15] Da es keinen Nachfolger gab, wurde seine Werkstatt, in der auch mehrere Gesellen und Lehrlinge angestellt waren, nach seinem Tod aufgelöst.[16]
Zu dem „renommiertesten Auftrag seiner künstlerischen Laufbahn“ gehörte für Bschorer die plastische Ausstattung der Dillinger Jesuitenbibliothek in der zweiten Hälfte der 30er-Jahre des 18. Jahrhunderts.[17] Die Dillinger Historia collegii bezeichnet ihn in diesem Zusammenhang als „artifice Statuario oberdorffensi“ und bezeugt die Schaffung von acht Statuen für die Bibliothek.[18] Obwohl sonst keine weiteren Angaben zu Bschorer gemacht werden, wird die „komplette plastische Ausstattung des Raumes“, also auch die Kartusche mit der Darstellung der vier Erdteilpersonifikationen über dem Eingang, aufgrund stilistischer Übereinstimmungen Bschorer zugeschrieben.[19] Neben den Arbeiten in der Dillinger Bibliothek konnten Bschorer bis jetzt keine weiteren Darstellungen von Erdteilpersonifikationen nachgewiesen oder zugeschrieben werden.
[1] Sick gibt als Geburts- und Taufdatum den 31. März 1692 an (vgl. Sick 1995, 16; ders. 1992, 200). Ob Bschorer am Tag seiner Taufe auch geboren wurde, geht daraus nicht eindeutig hervor. Sicher ist jedoch, dass er spätestens am 31. März oder nur wenige Tage davor geboren wurde.
[2] Zitiert nach Sick 1992, 200; vgl. hierzu auch ders. 1995, 21.
[3] Vgl. Sick 1992, 200.
[4] Vgl. ebenda, 203.
[5] Der Kauf einer Sölde im Juli 1690 und die nur wenige Tage darauf erfolgte Heirat mit Anna Dunz aus Rain belegt, dass sich Ulrich Bschorer spätestens zu diesem Zeitpunkt in Oberndorf niederließ. Vgl. hierzu Sick 1992, 200; ders. 1995, 15.
[6] Erläuterungen zum Werk und zur Tätigkeit Christphoph Bahmers siehe Sick 1995, 23–25.
[7] Zitiert nach Sick 1992, 200.
[8] Vgl. ebenda, 201; zur Gesellenzeit Bschorers siehe auch ders. 1995, 25–29.
[9] Bei den Arbeiten handelt es sich um eine Pestsäule und um einen Epithaph. Vgl. hierzu Sick 1992, 201; ders. 1995, 16.
[10] Die Ehe mit seiner Frau Maria Katharina Boos wurde am 31. Oktober 1723 geschlossen und blieb kinderlos. Vgl. hierzu Sick 1992, 201, 203; ders. 1995, 17, 20.
[11] Er bezeichnete sich auch als Bildhauer „zu“ oder „aus“ Oberndorf. Sick 1992, 201.
[12] ebenda.
[13] So sind für die Zeit nach 1738 nur sechs Aufträge belegt, von den Arbeiten haben sich leider keine erhalten. Sechs Werke scheinen angesichts der noch verbleibenden 25 Jahr sehr wenig zu sein. Vgl. hierzu Sick 1995, 47.
[14] Vgl. ebenda, 48–49.
[15] Auf gesundheitliche Ursachen wird aus dem Sterbeeintrag vom 2. April 1763 geschlossen, in dem es heißt: „Durch die lange Dauer und Heftigkeit der Schmerzen sehr gequälet, […] starb der angesehen und tüchtige Bildhauer Johann Georg Bschorer.“ Hier zitiert nach Sick 1992, 203.
[16] Vgl. Sick 1992, 202–203; ders. 1995, 20.
[17] Sick 1995, 46. Von den Dillinger Jesuiten war Bschorer bereits in den 1720er-Jahren für die Anfertigung von Skulpturen für Altäre der Jesuitenkirche beauftragt worden. Siehe hierzu Sick 1995, 101–102; Schneider 2014, 52.
[18] Hier zitiert nach Sick 1995, 46, 276, siehe ebd., 105–108.
[19] Sick 1995, 108. Vgl. Schneider 2014, 230. Eine Zuschreibung der zwölf Büsten in den Treppenhäusern, die ebenfalls Erdteilallegorien darstellen, lehnt Gudrun Sick in ihrer Dissertation nach einem Stilvergleich hingegen ab. Sick sieht eine „stilistische Verwandtschaft“ der Büsten mit den Figuren Merkur und Minerva am Eingangsportal zum Bibliothekssaal. Da Bschorer aber nach „heutigem Wissensstand […] ausschließlich Figuren [schnitzte], die im Zusammenhang mit der christlichen Ikonografie stehen, aber keine Allegorien oder klassisch-mythologischen Gestalten“, spricht sie Bschorer eine Autorschaft für diese Figuren ab (Sick 1995, 188–189; vgl. hierzu frühere Zuschreibung bei Meyer/Schädler 1964, 333–334). Da die Büsten im Treppenhaus allerdings Erdteilpersonifikationen darstellen, die auch auf der Kartusche im Bibliothekssaal dargestellt sind, handelt es sich hierbei nicht um „klassisch-mythologische Gestalten“ (Sick 1995, 189), sodass nur eine stilistische Untersuchung über die Zuschreibung Klarheit verschaffen könnte.
Zuletzt aktualisiert am: 01.12.2015