Dillingen an der Donau (Dillingen a. D.), Kolleg, westliches Treppenhaus [Fresko] Zitieren
Das westliche Treppenhaus liegt im rechten Winkel zwischen dem äußeren Westflügel und dem Nordflügel. Es gleicht in seiner Größe und Gestalt dem Treppenhaus am nördlichen Ende des Ostflügels: Beide sind in ihrem Grundriss annähernd quadratisch, wobei auf halber Höhe ein Treppenabsatz eingezogen ist. Das Treppengeländer ist abwechselnd mit Büsten und Kugeln verziert, die Flachdecke des obersten Stockwerks ist mit einem Deckengemälde versehen.[1] Dieses zeigt die Verherrlichung der beiden Ordensheiligen: im Osten die des heiligen Ignatius von Loyola, im Westen die des heiligen Franz Xaver, umgeben von den vier Erdteilen. Die beiden Ordensheiligen nehmen in Anlehnung an die beiden Apostel der katholischen Kirche, Petrus und Paulus, innerhalb des Jesuitenordens die Rolle von Stützpfeilern für die Societas Jesu ein: „Während der eine in Rom der Kirche bzw. dem Orden vorstand, verkündete der andere den Völkern das Evangelium.“[2] In Dillingen nehmen die Darstellungen der beiden Ordensheiligen mit ihrer Rahmung, ihrer Komposition und ihrem Thema aufeinander Bezug, wodurch die enge Verbindung zwischen den beiden auch künstlerisch zum Ausdruck kommt.
An der Decke des westlichen Treppenhauses im zweiten Obergeschoss befindet sich auf weißem Grund eine in einen viereckigen hellbraunen Rahmen eingefasste Illusionsmalerei mit der Glorie des heiligen Franz Xaver. Das Deckengemälde gibt den Blick frei auf eine dunkelbraune, mit Stuckprofil eingefasste kreisrunde Öffnung, über die sich eine Scheinarchitektur erhebt. Aus starker Schrägsicht öffnen sich drei hellbraun gerahmte Rundbogen; der vierte ist aufgrund der Perspektive nicht dargestellt. Die Pendentifs leiten über zu einem Tambour mit einem Opaion. Dort ist vor einem gelblich leuchtenden Himmel ein hellblaues Dreieck mit dem Auge Gottes zu sehen, das von einem Putto und Puttenköpfen umringt wird. Darunter schwebt Franz Xaver, dessen Kopf von einem hellen Strahlenkranz umgeben ist, auf einer Wolke mit dem zum Himmel gerichteten Blick der Öffnung entgegen. Er trägt eine Soutane, darüber ein weißes Chorhemd und eine rote Stola. Zu seiner Rechten begleiten ihn drei Putti, von denen der unterste seinen Wanderstab hält. Im Rundbogen unter ihm sitzen auf einem Podest zwei Erdteilpersonifikationen umrahmt von Blumenvasen, während die beiden anderen sich in den seitliche Rundbogenöffnungen niedergelassen haben.
Der Missionar zeigt mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf seine Brust, während seine linke geöffnet ist und auf die Erdteilpersonifikationen unter ihm verweist. Diese sind durch ihre Attribute genau zu bestimmen: Bei den beiden weiblichen Gestalten im mittleren Bogen handelt es sich um Europa und Asia. Links in einem grüngelben Gewand mit einem roten Umhang und zu erkennen an der Krone, dem abgelegten Reichsapfel, dem Zepter und dem Adler hinter sich, sitzt Europa. Ihre Arme greifen aus und verweisen zum einen auf den Missionar über und Asia neben sich. Diese hat die Hände wie zum Gebet zusammengefaltet und den Blick nach oben gerichtet. Sie trägt ein grünes Unterkleid und einen gelben Überwurf. Ihr Kopf bedeckt eine Art Turban mit Goldreif, während hinter ihr ein Kamel zu erkennen ist.
Zu ihrer Linken, im rechten Rundbogen, sitzt Afrika in Begleitung eines Löwen. Sie trägt ein prächtiges, mit Perlen verziertes rot-weißes Gewand mit einem grünen Überwurf. Ihre Hände hat sie zum Gebet gefaltet, während ihr Blick nach oben, auf den Ordensheiligen fällt. Ihr gegenüber, im linken Rundbogen, sitzt Amerika mit dunklem Inkarnat in goldgrün geschmückten Kleidern, über die ein roter Umhang fällt. Auf ihrem Kopf trägt sie einen goldverzierten Federschmuck. Während sie ihre Linke auf das Krokodil neben sich gelegt hat, scheint sie mit ihrer Rechten fast erschrocken etwas abzuwehren.[3]
Unterhalb des Deckengemäldes wird das Thema der Erdteildarstellungen durch die Büsten auf den Eckbalustern des Treppengeländers fortgesetzt. Denn ähnlich wie das Treppenhaus im Ostflügel ist auch das Geländer des Nordflügels mit Halbfiguren besetzt. Diese können als Fortführung und Doppelung der Erdteilpersonifikationen des Deckengemäldes gelesen werden, während sie im östlichen Treppenhaus die Glorie des heilgen Ignatius von Loyola komplementieren.
Historisch gesehen hat Franz Xaver in Europa, vor allem aber in Asien missioniert. Im Deckenfresko wird sein Wirkungskreis auf die ganze Welt – hier repräsentiert durch die vier Erdteile – ausgedehnt. Wie der Prophet Jesaja hat Franz Xaver nach dem Verständnis der katholischen Kirche den Auftrag erhalten, das Evangelium der ganzen Welt zu verkünden.[4] Er wurde damit zum Vorbild für die Mitglieder der Societas Jesu und ihre weltweite Missionstätigkeit.
Indem er mit seiner rechten Hand auf sich selbst verweist, macht er deutlich, dass er sich des Erfolges seines Wirkens bewusst ist.[5] Damit übernimmt der Maler des Dillinger Freskos das Motiv einer Druckgrafik, die in der Lebensbeschreibung „Apostolisches Leben und Thaten deß heiligen Francisci Xaverii, der Societet Jesu, Indianer Apostels“ von Orazio Torsellini aus dem Jahr 1674 als Frontispiz Verbreitung fand. Gefertigt hat das Frontispiz Matthäus Küsel, die Vorlage dafür lieferte Johann Michael Toberias.[6] Wie auf dem Fresko schwebt Franz Xaver in der Druckgrafik zwischen der irdischen und himmlischen Sphäre auf einer Wolke. Seine rechte Hand verweist auf seine Brust, während sich sein strahlenumkränzter Kopf an die Trinität über ihn wendet. Eine Menschenmenge, die hauptsächlich aus Asiaten, Amerikanern und Afrikanern zu bestehen scheint, wohnt diesem Ereignis bei. Spruchbänder erläutern die Szene und machen deutlich, dass es Franz Xavers Verdienst war, die Ungläubigen auf der Welt durch das Wort der Wahrheit bekehrt zu haben.[7]
Auch ohne die erläuternden Spruchbänder und die Trinität werden die Verdienste des Missionars im Dillinger Deckenfresko deutlich. Besonders die andächtige Haltung der Erdteilallegorien, in der die Verehrung für den Heiligen zum Ausdruck kommt, bringt dies zum Ausdruck. Einzig Europa kommt eine Sonderstellung zu: Sie, die schon im Besitz des wahren Glaubens ist, fordert die anderen Erdteile dazu auf, den Missionar zu verehren. Franz Xaver wiederum empfiehlt die Erdteile durch den Gestus seiner linken Hand der Trinität über ihm. „Dies macht ihn zum Patron der Erdteile und Garanten einer Heilsgewissheit.“[8] Und es rechtfertigt die Darstellung des „Heiligen in gloriam“, denn durch seine Verdienste ist er bereits in die „Herrlichkeit Gottes einbezogen“.[9]
Im Vergleich mit der Darstellung des heiligen Ignatius von Loyola werden Gemeinsamkeiten deutlich, die auch für die ikonografische Deutung wichtig sind. So werden beide Heilige in ähnlichen Kontexten vorgestellt und historische wie biografische Angaben vermieden, wie Christine Schneider feststellt: „Die Protagonisten sind auf Wolken dargestellt, nimbiert und durch die Nähe zum Monogramm Jesu oder zur Trinität Teil der himmlischen Herrlichkeit: Sie werden in gottesnaher Glorie gezeigt.“[10] Die beiden sind damit nicht mehr Vorbilder für ihre Ordensbrüder, sondern werden dank ihrer Tugenden und Leistungen in der Glorie gezeigt. Hinzu kommt, dass die Ausführungen in den Treppenhäusern des Kollegs umgesetzt wurden, was auf die „Funktion barocker Treppenanlagen als Orte der Repräsentation und des Zeremoniells“ betont, denn über die Treppenhäuser erst gelangte der Besucher zur Bibliothek und zum Speise- wie Rekreationssaal.[11]
Um auf den anfangs genannten Vergleich zwischen den Jesuitenheiligen und den Apostelfürsten zurückzukommen, kann der Anbringungsort im Treppenhaus auch eine weitere Lesart zulassen: „Als Säulen des Ordens tragen Ignatius und Franz Xaver im wahrsten Sinne des Wortes die architektonische Struktur des Kollegs.“[12] Dass die beiden Ordensheiligen in die Dillinger Treppenhäuser Eingang fanden, kann durch die gemeinsame Kanonisation von Franz Xaver und Ignatius von Loyola erklärt werden. Ziel der Dillinger Konzeptionisten mag es gewesen sein, die ersten und bedeutendsten Ordensheiligen an einem sehr prominenten Ort dem Besucher zu präsentieren.[13]
[1] Vgl. Schneider 2014, 58.
[2] ebenda, 233. Die Funktion von Stützpfeilern wurde den beiden Ordensheiligen bereits im 17. Jahrhundert zugeschrieben, wie ein Schreiben von Papst Gregor XV. an Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg vom 1. Dezember 1621 belegt, indem er beide „als starcke Pfeiler der Allein Seligmachenden Catholischen Kirchen“ beschreibt (Schneider 2006, 5; hier zitiert nach Schneider 2014, 233 Anm. 1222).
[3] Vgl. Schneider 2014, 242.
[4] Christine Schneider macht hierauf im Zusammenhang mit dem Konsistorialbericht vom 19. Januar 1622, der kurz vor der Kanonisation des Heiligen (12. März 1622) entstand, aufmerksam. In diesem Bericht wird die Berufung des Propheten Jesaja in die Parallele mit dem Missionsauftrag des heiligen Franz Xaver gesetzt (vgl. ebenda, 242–243)
[5] Zugleich nimmt die Handbewegung eine für Franx Xaver in der Bildenden Kunst fast schon ikonografische Geste auf, denn damit soll die Liebe zu Gott, von der er so sehr erfüllt war, angedeutet werden. Vgl. ebenda, 243.
[6] Torsellini 1674, Frontispiz. Vgl. ebenda.
[7] Gottvater zeigt dabei mit seiner Linken auf das Spruchband mit der Frage „QUIS GENUIT MIHI ISTOS?“ (Isaia 49) – Wer hat mir diese geboren?, auf die Franz Xaver antwortet: „IN CHRISTO IESU EGO (hos) GENUI“ (1. Cor. 4). Ein im linken unteren Bildteil kniender chinesischer Mandarin bekräftigt die Antwort des Missionars mit den Worten „GENUIT NOS VERBO VERITATIS“ (Iac. 1). Vgl. hierzu ebenda.
[8] ebenda, 245.
[9] ebenda, 243. Vgl. dazu auch das Deckenfresko von Mondovì, wo Andrea Pozzo dieses Motiv bereits 1676 ins Monumentale übertrug.
[10] ebenda, 245.
[11] Vgl. ebenda.
[12] ebenda.
[13] Vgl. ebenda.
Verherrlichung des heiligen Franz Xaver durch die vier Erdteile
- oben: Opaion mit dem Auge Gottes
- Mitte: Hl. Franz Xaver
- unten: America, Europa, Asia, Africa
Orazio Torsellini, Apostolisches Leben und Thaten deß heiligen Francisci Xaverii, der Societet Jesu, Indianer Apostels, München 1674; Frontispiz.
Andrea Pozzo: Deckenfresko in der Vierung der Kirche S. Francesco Saverio (Mondovì) mit der Darstellung der Glorie des hl. Franz Xaver (1676–1679)[1]
Ins Monumentale wurde dieses Motiv bereits 1676 von Andrea Pozzo übertragen. In der Jesuitenkirche in Mondovì schwebt der Jesuitenheilige in Begleitung einer Engelsschar dem Himmel entgegen. Die Personifikationen der Erdteile wohnen diesem Ereignis in den Zwickeln bei. Während Asia, Amerika und Afrika in ergriffener Haltung mit zum Teil ausladenden Gesten nach oben blicken, bleibt Europa in ihrer Haltung gelassen. Dadurch wird ihre Vorrangstellung unter den Erdteilen deutlich. Allerdings bleiben die Erdteile bei Pozzo Zeugen des Geschehens, eine Interaktion zwischen ihnen und Franz Xaver gibt es nicht, da er seinen Blick nach oben wendet.
[1] Vgl. Kerber 1971, 43–46. Zu Pozzos Ausmalungen in Mondovì siehe Pfeiffer 2010.
Ab 1736 entstand unter dem „director fabricae“,[1] dem Architekten und Laienbruder Ignaz Merani, der Neubau des Kollegs. Im Zuge der Neu- und Umbauarbeiten am Kolleggebäude konnte ab 1737 mit dem Innenausbau und der Ausstattung der Säle am Nord- und Ostflügel begonnen werden.[2] Bereits ein Jahr später, 1738, war das Kolleg fertiggestellt, allerdings waren damit die Arbeiten an der Innenausstattung noch nicht vollkommen abgeschlossen. Es wird vermutet, dass Joseph Ignaz Schilling die Arbeiten an den Deckengemälden in der Bibliothek, der Hauskapelle und in den beiden Treppenhäusern im Jahr 1738 ausführte.[3]
[1] Die Historia Collegii nennt ihn so für die Jahre 1737 bis 1739 (hier zitiert nach KD Schwaben (Dillingen an der Donau) 6/1964, 325).
[2] Vgl. Schneider 2014, 39; KD Schwaben (Dillingen an der Donau) 6/1964, 325–326; Zoepfl 1950, 201.
[3] Vgl. Schneider 2014, 38–39.
Da sich keine schriftlichen Quellen über die Künstler erhalten haben, die an der Ausgestaltung der Treppenhäuser beteiligt waren, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, wann von wem die Arbeiten ausgeführt wurden. Aufgrund der Tätigkeit des Malers Joseph Ignaz Schilling, der in der Historia Collegii als Maler der Bibliothek genannt wird, liegt die Vermutung nahe, dass er neben der Bibliothek auch die Decke der Hauskapelle und der Treppenhäuser ausmalte. Allerdings gibt es dafür weder schriftliche noch stilistische Belege, wodurch „die meisten Künstler, die an den wandgebundenen Ausstattungen im Kolleg arbeiten, unbekannt“ bleiben müssen, wie Christine Schneider unterstreicht.[1]
[1] Schneider 2014, 49; vgl. ebd., 39. Bezüglich der Zuschreibung an Joseph Ignaz Schilling siehe auch KD Schwaben (Dillingen an der Donau) 6/1964, 334.
In der Dillinger Jesuitenbibliothek, die nach der Historia Collegii ein Werk von Joseph Ignaz Schilling sein soll, findet sich die Signatur „LB 1738“. Da Schilling zeitgleich zur Dillinger Bibliothek auch die Münchner Bibliothek und die Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in Taufkirchen ausmalte, ist es möglich, dass es sich bei der Signatur „LB“ um einen Gehilfen Schillings handelt. Ob dieser Gehilfe oder Mitarbeiter des Künstlers auch an den Deckenmalereien der Treppenhäuser beteiligt war, konnte bisher noch nicht nachgewiesen werden, da bisher weder schriftliche noch stilistische Belege dazu vorliegen.[1] Somit müssen die Fresken der Treppenhäuser vorläufig Joseph Ignaz Schilling zugeschrieben werden. Eine Mitarbeit weiterer Künstler und Gehilfen kann nur vermutet werden.
[1] Vgl. Schneider 2014, 49.
Zuletzt aktualisiert am: 08.03.2016