Dillingen an der Donau (Dillingen a. D.), Mariä Himmelfahrt [Kanzel] Zitieren
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Die Kanzel ist vor dem ersten Pfeiler an der nördlichen Langhauswand angebracht und grau beziehungsweise rötlich marmoriert mit weißen und goldenen Applikationen und Figuren versehen. Der Zugang zur Kanzel erfolgt über die Seitenkapelle, an deren Westwand die Stufen zum Kanzelkorb hinaufführen. Dieser stimmt in seiner Ausführung mit dem Entwurf von Johann Michael Fischer überein und übernimmt geläufige Themen der Kanzelikonografie: Am Kanzelfuß ist ein Tetramorph dargestellt, über dem an den Seiten des Kanzelkorbes, auf dem Kanzelwulst drei Frauengestalten sitzen, von denen die linke ein flammendes Herz und ein Kind, die mittlere ein großes Kreuz und die rechte einen Anker in den Händen hält. Es handelt sich dabei um die theologischen Tugenden Liebe (caritas), Glaube (fides) und Hoffnung (spes). Das Relief an der Kanzelrückwand zeigt die Darstellung des Guten Hirten.[1] Darüber, auf der unteren Seite des Schalldeckels, wurde die Taube des Heiligen Geistes im Strahlenkranz angebracht, die „dem Prediger inspirativ“ beistehen soll.[2] Den Schalldeckel selbst bekrönt ein Engel, der seinen Kopf nach unten neigt, während seine rechte Hand nach oben auf den von Strahlen umgebenen Hohlspiegel mit dem Monogramm IHS in seiner Linken verweist. Vor ihm kniet ein weiterer Engel, der dem Betrachter ein Spruchband entgegenhält, auf dem steht: IN OMNEM TERRAM EXIVIT SONUS (Ps 19,5) – „In alle Welt geht aus der Schall des Wortes Gottes“.[3] Neben und oberhalb des knienden Engels sind die Personifikationen der vier Erdteile angeordnet, die in verehrungswürdiger Haltung vor dem Namen Jesu niedergesunken sind. Begleitet werden die Figuren von geflügelten Engelsköpfen.
Gemäß der ikonografischen Etablierung werden Europa und Asien oberhalb der beiden anderen Kontinente dargestellt: So verneigt sich Europa mit über der Brust gefalteten Händen und einer Krone auf dem Kopf vor dem Bekrönungsengel. Sie trägt wertvollen Schmuck und einen Hermelinpelz über ihren Schultern. Ihr gegenüber kniet auf einer Wolke, eingehüllt in einem langen Mantel, Asia mit einem Turban auf dem Kopf, auf dem ein Halbmond appliziert ist. Ergriffen fasst sich die Personifikation Asiens an die Brust, während ihr Blick auf das IHS-Monogramm über ihr gerichtet ist. Unterhalb von Asien kniet Amerika. Im Gegensatz zu den anderen Personifikationen ist sie halbnackt dargestellt. Ihr Kopf ist mit Federn geschmückt, Köcher und Bogen trägt sie am Rücken. Amerika wird in betender Haltung gezeigt. Ihr gegenüber – ebenfalls mit einem Bogen auf dem Rücken und Federschmuck auf dem Kopf – ist die reich bekleidete Afrika mit geöffneten Armen niedergesunken.[4]
Dem Entwurf nach hätte ursprünglich anstatt des Bekrönungsengels der Ordensgründer Ignatius von Loyola auf dem Schalldeckel stehen und mit seiner Rechten auf den Dekalog an dem Wandpfeiler hinter ihm weisen sollen. Dieser wird auf der Entwurfszeichnung von einem Putto präsentiert. Auf dem Aufriss überreicht der Ordensgründer mit seiner Linken dem vor ihm knienden Franz Xaver einen Wanderstab. Der Missionar wiederrum deutet – während er mit seiner Rechten den Wanderstab fasst – mit seiner Linken auf Asia, den Kontinent, den er missionieren sollte. Dem Entwurf zufolge hätte mit der Darstellung der beiden Heiligen also die Ordensikonografie und damit im Zusammenhang stehend, die Missionierung der Welt durch die Jesuiten ins Zentrum gestellt werden sollen. Indem die Ordensheiligen in der Ausführung durch den Engel mit dem Hohlspiegel ersetzt wurden, kommt es zu einer Verschiebung der Aussage: Der Engel verbreitet mithilfe des konkaven Spiegels, vor den das Monogramm IHS[5] gesetzt wurde, das Evangelium in der Welt, die durch die Personifikationen der vier Erdteile dargestellt wird.[6]
Christine Schneider weist darauf hin, dass in der Ausführung des Hohlspiegels auf dem Schalldeckel eine Parallele zur Darstellung der Engelsfigur mit dem Hohlspiegel im Deckenfresko Andrea Pozzos in der römischen Kirche S. Ignazio erkennbar ist: „Bei beiden Darstellungen ist der Schriftzug nicht auf das Schild oder die Spiegelfläche gemalt, vielmehr stehen die Buchstaben davor. Sie befinden sich im Brennpunkt des Hohlspiegels und können von dort über die Erde strahlen und für ihre Bewohner wirksam werden. Deshalb weisen die Strahlen des Dillinger Hohlspiegels in alle Richtungen und auf die Personifikationen der Erdteile.“[7] Das Monogramm vor dem Hohlspiegel darf somit auch nicht als Ordenssignet, sondern muss als Abbreviatur für Christus gelesen werden. Dieser starb für alle Menschen den Opfertod, wodurch er die Zuversicht auf Erlösung für alle Menschen erst möglich gemacht hat. Indem sich der Engel an die Erdteilallegorien unter ihm wendet und sie mit seinem Fingerzeit auf das Zeichen aufmerksam macht, weist er sie auf die Erlösungsbotschaft hin.[8] Die Erlösungsbotschaft selbst wird in den Evangelien verkündet, die in Form der vier Evangelistensymbolen nicht nur die Basis für die Kanzel, sondern „für den Glauben allgemein“ bilden. Die darüber dargestellten christlichen Kardinaltugenden, die der Gläubige benötigt, um ein christliches Leben zu führen, verleihen diesem zugleich die Kraft, „das Wort Gottes und den Glauben in aller Welt zu verkünden“.[9]
Das Wort Gottes haben die Jesuiten durch ihre Weltmission – wie die Deckenfresken verdeutlichen – bereits erfolgreich in der ganzen Welt verkündet. Allerdings wird in den Deckengemälden „das Königtum Mariens verbreitet und verteidigt“, im Gegensatz zur Kanzel, bei der „das Evangelium vom Leben und Leiden Christi, der göttliche Heilsplan, im Vordergrund“ steht.[10] Dass die göttliche Botschaft jedoch bei der Missionierung der Welt auch durch Maria vermittelt wird, bescheinigt Benedikt XIV. dem Jesuitenorden durch das marianische Apostolat vom 27. September 1748 in der Goldenen Bulle: „Als sie (die Jesuiten) den anbetungswürdigen Namen Jesu über alle Meere und in alle Weltteile zu Königen und Völkern trugen, unterließen sie es nie, gleichzeitig auch überall den liebsten Namen seiner Mutter Maria zu verkünden, und so verbreiteten sie mit dem Licht des Glaubens und der Heiligkeit des Lebens auch die Verehrung und Andacht zu Maria in allen Gegenden des ganzen Erdkreises.“[11]
[1] In der Entwurfszeichnung war auf dem Relief statt des Guten Hirten eine Szene aus der Vita des Ordensgründers abgebildet. Es handelt sich bei dem ursprünglichen Szenenentwurf um „die Bekehrung eines Unbekannten in Paris durch Ignatius selbst während dessen Studentenzeit“ (Schneider 2014, 174).
[2] Gantner 2001, 41.
[3] Volk 1981, 96. Auf dem Entwurf Johann Michael Fischers hatte dieses Spruchband noch Europa emporgehalten.
[4] Zur ikonografischen Bildanalyse vgl. Schneider 2014, 174–175; Gantner 2001, 41, 57–58, 179–180; Schädler 1964, 216; Lochner 1895, 47.
[5] Zum IHS-Monogramm siehe Appuhn-Radtke 2003; Schneider 2014, 249–254.
[6] Vgl. Schneider 2014, 174–179.
[7] Ebenda, 175.
[8] Vgl. ebenda, 175, 179.
[9] Gantner 2001, 41.
[10] Schneider 2014, 179.
[11] Bäumer 1991, 374; vgl. auch Schneider 2014, 179.
Von oben nach unten
SCHALLDECKEL
- oben: Engel mit IHS-Monogramm
- Afrika, Europa, Engel mit Spruchband, Asien, Amerika
- unten: Taube des Heiligen Geistes
KANZELKORB
- Kanzelrelief: der gute Hirte
- Kanzelwulst: christliche Tugenden: Liebe (caritas), Glaube (fides), Hoffnung (spes)
- unten: Tetramorph (Evangelistensymbole)
KANZELFUSS
- Evangelistensymbole
Die mobile Ausstattung sowie die Kanzel wiesen im 19. Jahrhundert „relativ geringfügige Schäden auf“.[1] Eine erste Restaurierung in der Dillinger Jesuitenkirche fand bereits 1890–1893 unter dem Kirchenpräfekten Professor Michael Daisenberger statt. Eine umfassende Restaurierung erfolgte jedoch erst im Jahr 1957.[2] Zu jenem Zeitpunkt waren die Inneneinrichtung der Kirche und darunter auch die Kanzel von einer dicken Staubschicht überzogen und von Wurmfraß bedroht. Im Zuge der Restaurierungsarbeiten fanden folgende Maßnahmen statt: Säuberung, Wurmabtötung und Holzimprägnierung sowie Instandsetzung zerfressener Holzteile.[3] Die letzte umfassende Restaurierung des Kircheninneren fand von 1986 bis 1991 statt und betraf vor allem die Fresken. Allerdings wurden dabei auch die Innenausstattung mitsamt der Kanzel gereinigt und geringfügige Schäden beseitigt.[4]
[1] Vgl. Weigl 1993, [7].
[2] Einen ausführlichen Bericht über die Restaurierung von 1957 liefert Vogel 1958.
[3] Vgl. Häring 2005, 15; Vogel 1958, 17–18.
[4] Vgl. Häring 2005, 16.
Für die 1762 errichtete Kanzel legte der Bildhauer Johann Michael Fischer einen Entwurf vor, der sich jedoch in der Ausführung des Kanzelreliefs und des Schalldeckels unterscheidet.[1] Bei dem Entwurf handelt es sich um eine kolorierte Federzeichnung, die den Anbringungsort der rotmarmorierten und goldverzierten Kanzel an einem grauen Pfeiler anzeigt. Über eine im Viertelkreis aufsteigende Treppe gelangt man zum Kanzelkorb, an dessen äußeren Seiten drei vergoldete Skulpturen der theologischen Tugenden Liebe, Glaube und Hoffnung angebracht sind. Der spitze Kanzelfuß schließt mit einem Tetramorph ab. Die Kanzelrückwand ist mit einem Relief ausgestattet, aus der eine Szene aus dem Leben des heiligen Ignatius von Loyola zu sehen ist: die Bekehrung eines Unbekannten durch Ignatius von Loyola während seiner Studienzeit in Paris. Darüber, auf der Unterseite des Schalldeckels, erscheint die Taube des Heiligen Geistes im Strahlenkranz. Den Schalldeckel selbst bekrönt Ignatius von Loyola. Er verweist mit seiner rechten Hand auf einen Putto mit einem Dekalog, der an den Wandpfeiler über ihm angebracht ist. In seiner Linken hält er einen Wanderstab, der am unteren Ende von dem vor ihm knienden Franz Xaver festgehalten wird.
Links von Franz Xaver sitzt die Personifikation Afrikas, gekennzeichnet durch Elefantenexuvie sowie Pfeil und Bogen, während die drei weiteren Erdteilallegorien darunter am äußeren Rand des Schalldeckels angebracht sind. Auf die Figur links außen verweist Franz Xaver mit seinem ausgestreckten Arm, es handelt sich dabei um die Personifikation Asias mit Turban und Bogen, dem Missionsgebiet Franz Xavers. Daneben sitzen Europa in Rüstung und mit einem Spruchband in der Hand sowie rechts außen Amerika mit Federschmuck, Sonnenschirm sowie Pfeil und Bogen.[2]
Mit diesem ersten Entwurf sollte auf dem Kanzeldeckel „die Aussendung des Franz Xavers zur Mission durch Ignatius“ dargestellt werden.[3] Zugleich sollte mit den drei weiteren Erdteilallegorien auf die Einsatzgebiete der Jesuitenmission verwiesen werden, womit auch ein Bezug zu knapp zehn Jahre zuvor entstandenen Deckenfresken im Langhaus hergestellt werden konnte. Welche Gründe zur Programmänderung des Schalldeckels geführt haben, ist unklar, eventuell sind die Gründe in der Umplanung des Hochaltars zu suchen, da dort „eine Aufwertung der Ordensikonografie zu Lasten lokaler Themen“ stattfand.[4]
Die Societas Jesu war Auftraggeber der Zweitausstattung der Kirche und kam weitgehend für ihre Finanzierung auf. Das Programm selbst wurde von ihren Mitgliedern erdacht und realisiert.[5] Die Spendenliste der Historia Collegii der Jahre 1762 und 1765 belegt, dass die Stifter mit dem Rektor,[6] dem Kanzler der Universität und weiteren Mitgliedern der Gemeinschaft aus dem „direkten Umkreis der Jesuitenuniversität“ stammen, im Gegensatz zum 17. Jahrhundert, als sich besonders der Klerus und die Aristokratie für den Bau engagierten. Im 18. Jahrhundert waren es sogar Eltern von Studenten und Bürger Dillingens, die die Neuausstattung unterstützten.[7] So erwähnt die Historia Collegii für das Jahr 1762 in Bezug auf die Kanzel eine Frau Stegmillerin, die 400 fl. für die neue Kanzel spendetet: „Strenua Domina Stegmillerin, mater P. Bernardi“.[8]
[1] Die Entwurfszeichnung wurde erstmals abgedruckt in Volk 1981, 23, Abb. 15, Bildnr. 152, vgl. auch ebd. 95–96; siehe dazu auch Volk 1985, 116–119; Dobrzecki 1985, 119; Gantner 2001, 36, 120/Tafel 25; Schneider 2014, 351, Farbabb. 12.
[2] Vgl. Schneider 2014, 24–25, 174–175; Dobrzecki 1985, 116–119.
[3] Schneider 2014, 174.
[4] Ebenda.
[5] Vgl. ebenda, 47.
[6] Rektor der Dillinger Universität war in den Jahren von 1759 bis 1762 und nochmals 1763 bis 1766 Johann Baptist Bernstich (vgl. Specht 1899, 86–87, 94).
[7] Vgl. Schneider 2014, 45.
[8] Zitiert nach Lochner 1895, 33 Anm. 2.
- römische Kirche S. Ignazio: Engel mit Hohlspiegel auf dem Deckenfresko von Andrea Pozzo
- Vorbild für den Bekrönungsengel: die „figura serpentinata“ des Florentiner Bildhauer Giambologna, allerdings sind keine Auslandsaufenthalte Fischers nachweisbar. Ein mögliches Verbindungsglied bildet die Figur des Merkurs für den Augsburger Merkurbrunnen, der von Adriaen de Vries, einem Schüler Giambolognas geschaffen wurde und mit dem der Dillinger Engel in „Drehung, Kopfhaltung und nach oben gerichtete[m] Zeigegestus“ übereinstimmt.[1]
- Jeremias Kilian (Stecher), Ignatius von Loyola und die Weltmission der Jesuiten, Kupferstich (15,6 x 11 cm). In: Mathias Tanner, Societas Jesu Apostolorum imitatrix, Pragae 1694, 1. http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10637120-3
[1] Gantner 2001, 58.
Die Kirche aus dem 17. Jahrhundert, die von 1611 bis 1616 errichtet und 1617 geweiht wurde, erfuhr von 1750 bis 1768 eine Umgestaltung im Innenraum.[1] Im Rahmen der neuen Rokokoausstattung zu Beginn der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstand die Kanzel. Der Bildhauer Johann Michael Fischer und seine Werkstatt schufen 1760/61 für die Kirche die Ausstattung der Nebenaltäre. Dabei entstand auch die Kanzel zwischen 1760/62.[2]
[1] Vgl. Schneider 2014, 33–41; Häring 2005, 5, 9; Schädler 1964, 179–182.
[2] Vgl. Schlöttl 1934/35, 77–78; Volk 1981, 97; Schneider 2014, 41.
Der Bildhauer Johann Michael Fischer kann dank der Initialen „I F“, die auf dem Schalldeckel am Fuß des Bekrönungsengel angebracht sind, als gesichert gelten.[1] Die Datierung der Kanzel schwankt jedoch zwischen den Jahren 1760 bis 1762. Für einen frühen Zeitpunkt der Ausstattung spricht die Schaffung der Nebenaltäre, die Fischer mit seiner Werkstatt 1760/61 schuf. Einen gesicherten Nachweis findet sich jedoch erst 1762 in der Historia Collegii, in der eine Spende für die Kanzel erwähnt wird.[2] Die Kanzel wurde bereits von Zeitgenossen gelobt, da sie „vom Bildschnitzer und Schreiner so gearbeitet [sei], dass ihre Eleganz keiner Steigerung fähig erscheint“.[3]
[1] Vgl. Schädler 1964, 216.
[2] Vgl. hierzu Schneider 2014, 41, Anm. 242.
[3] Lochner von Hüttenbach 1895, 33. Vgl. hierzu auch Schädler 1964, 216; Gantner 2001, 180.
Zuletzt aktualisiert am: 01.12.2015