Ebnet (Freiburg i. Br.), Schloss Zitieren
Analog zu dem ein Jahr später entstandenen opulenten Erdteilfresko im Treppenhaus der Würzburger Residenz diente das Stiegenhaus der freiherrlichen Familie von Sickingen-Hohenburg dem Zweck einer „angenehme[n] invito zu dem ganzen kostbaren Werk“[1] zur Schlossanlage für die Besucher von Adel und Bildung. Auch wenn Pfunners Werk weder an Opulenz noch an Detailreichtum an Tiepolos Würzburger Fresko heranreicht, mag die Wahl des Themas der vier Erdteile eine Idee der Gemahlin Ferdinand Sebastians von Sickingen-Hohenburg gewesen sein. Denn die Reichsfreiin war eine Halbschwester des amtierenden Fürstbischofs von Würzburg und Auftraggebers Tiepolos Karl Philipp von Greiffenclau zu Vollrads, dessen Mutter wiederum aus der Hauptlinie der Sickingen-Sickingen entstammte.[2]
Die Decke des Stiegenhauses ist illusionistisch durch einen rechteckigen Deckenrahmen erhöht, dessen vier Pfeiler auf einem von Putti gehaltenen Gebälk ruhen und in dessen Mitte Merkur vor einem Stern schwebt. In vier Bildfeldern darunter befinden sich die vier Erdteile. In prominenter Positionierung nimmt Europa einer der Längsseiten gegenüber dem oberen Treppenaufsatz ein. Herrschaftliche gekleidet mit einem roten Umhang, bekrönt und einem Füllhorn voller Blumen in der Hand hat sie stolz in der rechten Hand ihr Zepter erhoben. Flankiert ist sie von Begleitern sowie Attributen ihrer hegemonialen Stellung in Kunst, Literatur und Musik. Ihren Ruhm verkündet ein Engel zu ihrer linken. Zu ihrer rechten bändigt ein Untertan ihren Schimmel.
Ihr gegenüber an der anderen Längsseite oberhalb der Fenster sitzt Asia, ebenso reich mit Gold und Perlen geschmückt. Sie hält ein Weihrauchfass in den Händen und ist ebenfalls von drei Personen begleitet. Diese tragen das typische Habit der Osmanen: Turban geschmückt mit einem Halbmond und Kaftan. Der ihr am nächsten Stehende hält eine Standarte empor. Aber auch zwei Kamele und kostbare Teppiche sind am linken äußeren Bildrand zu sehen.
Die beiden Schmalseiten sind den beiden anderen Personifikationen vorbehalten: Afrika und Amerika. Beide auf Handelsgut beziehungweise Steinquadern sitzend sind mit verschiedenen Dingen attributiert: Afrika mit einem Papagei, Perlen, Korallen und Amerika mit einem Elefantenstoßzahn und einem Weihrauchfass. Begleitet werden sie von Pagen. Während Afrika von schwarzer Hautfarbe ist und ihrer Physiognomie einem Bewohner Afrikas gleicht, ist Amerikas helles Inkarnat an Füßen und Händen zu erkennen. Ihr Kopf ist nicht mehr Originalbestand. Im Zuge der Restaurierung wurden ihr die Züge der Schlossherrin Karen von Gayling verliehen. Als weiteres Attribut wurde ihr ein Gegenstand in die linke Hand platziert, der je nach Identifizierung umgeändert wurde. Bis heute wird die hier an dieser Stelle als Amerika identifizierte Allegorie in der Literatur als Afrika ausgewiesen.[3] Die Unsicherheit in der Identifizierung verdeutlicht auch der Wandel ihres Attributs: Zunächst war ihr in der Annahme, dass es Amerika sei, die Freiheitsstatue in die Hand gegeben worden. Allerdings wurde dies dann kurze Zeit später geändert, als beschlossen wurde, dass es sich ja „nur“ um Afrika handeln könne. Aus der Freiheitsstatue wurde ein afrikanisches Gefäß mit Januskopf, eventuell als Hinweis auf ihre Doppeldeutigkeit?
Grundsätzlich gilt bei der Identifizierung der Erdteile, dass der Barockkünstler selten daran interessiert war oder überhaupt in der Lage war, nur ethnologisch und anthropologisches abgesichertes Wissen zu verwenden. Der Künstler entschied ausgehend von seiner schöpferischen Kraft und in Kohärenz mit dem gemeinsamen bestehenden kulturellen Konsens[4] wie er die Personifikationen darstellte. Aus diesem Grund ist auch zu konstatieren, dass
„mit der fortschreitenden Blüte, deren Höhepunkt in den 1750er- und 1760er-Jahren erreicht ist, im Einsatz der Ikonografie keine Wissensprogressivität festgestellt werden [konnte], sondern durch die Heterogenität der Entstehungsbedingungen, die unterschiedlichen Ausbildungswege und den individuellen künstlerisch-schöpferischen Umgang mit der Ikonografie kam es zum parallelen Erscheinen unterschiedlichster Erdteilallegorien“[5].
Dies gilt insbesondere im Bezug auf den Umgang mit der Afrika- und Amerikapersonifikation. Hier hat bereits 1985 Sabine Poeschel festgestellt, dass die
„Austauschbarkeit der Attribute […] im 18. Jahrhundert […] die Eindeutigkeit und klare Lesbarkeit der Erdteil-Allegorien [untergräbt]. Besonders betroffen davon sind die Darstellungen Afrikas, […] denn die Personifikation des Kontinents wird in einigen Fällen sehr stark an die Asiens angelehnt. […] Noch häufiger jedoch wird Afrika der Figur Amerikas angeglichen.“[6]
Ein Blick in das Werk Pfunners offenbart einen weiteren Einsatz der Ikonografie an einem anderen Ort. 1766 malte Johann Pfunner im Festsaal des Pfarrhauses von Wyhl am Kaiserstuhl im Auftrag des Propstes von St. Märgen Peter Glunk CRSA die vier Erdteile als Putti in Einzelspiegel. Die Identifizierung ist hier eindeutig: Amerika hellhäutig mit einem Krokodil und einem Elefantenstoßzahn und Afrika von dunkler Hautfarbe, negroider Physiognomie, Federrock, Sonnenschirm und einem Löwen. Das von dem Autor des Aufsatzes im Sammelband der Festschrift zu Schloss Ebnet von 1989 Heinfried Wischermann angeführte Argument, dass die Amerikapersonifikation aufgrund des Elefantenstoßzahnes eine Afrika darstellen müsse, da dieses Attribut „nur als Beigabe des schwarzen Kontinents“[7] auftritt, wiederlegt nicht nur der obige Blick in den schöpferischen Umgang Pfunners mit der Ikonografie, auch andere Künstler attributierten die Personifikation analog.[8] Es handelt sich hierbei durchaus um einen zwar seltenen, aber keineswegs unmöglichen Fall.
Die Afrikapersonifikation in Ebnet entspricht mit ihrem krausen Haar, den negroiden Gesichtszügen und dem fast schwarzen Inkarnat dem klassischen Bild eines Ureinwohners Afrikas, einem „Mohren“, wie er einerseits durch die Hofmohren[9] weitaus bekannter und andererseits auch innerhalb der Erdteilikonografie äußerst gängig war.
[1] Seyfried SJ und Gilbert SJ, Ohnvorgreiffliche Gedanken auf was Arth die Mahlerey der neuen hochfürstl. Residenz Würtzburg vorzustellen und einzutheilen sein könne, Würzburg, Staatsarchiv, Bausachen 14/335, fol. 130r, zitiert nach: Büttner 1996, 60). Vgl. hierzu die Aufzeichnungen des Hoffouriers Johann Christoph Spielberger (1714–1791) (Würzburg, Staatsarchiv, Tagebuch …, Ms. 9. 176, Bd. III.).
[2] Vgl. ausführlich die ESTA XI, Tafeln 48, 65 und 67.
[3] Vgl. Gayling 1989; Mühleisen 2016, 13.
[4] Vgl. Assmann 1997, 139
[5] Romberg 2015, 481, siehe auch 352.
[6] Poeschel 1985, S. 137–139.
[7] Gayling 1989, 114.
[8] Wie beispielsweise in der Pfarrkirche von Hilzingen oder in der Alten Kapelle von Regensburg.
[9] Mohren gehörten in der frühen Neuzeit zur höfischen Repräsentation. Man findet sie an allen Höfen Europas wie zum Beispiel in Braunschweig den Mohren Johann Matthias Pauli am Hof Herzog Carls I.; in Wien Angelo Soliman am Hof Kaiser Franz’ II. oder in München Max Ammon am Hof König Maximilians I. Joseph. Der bayerische Herzog Wilhelm V. war einer der Ersten, der einen schwarzen Pagen erwarb; im Jahr 1570 zahlte er für ihn 117 Kronen und 52 Schillinge. Aber nicht nur an den Höfen konnte ein Europäer im 18. Jahrhundert ihnen in verschiedenen Funktionen begegnen (als Leibdiener, Kammerdiener, Tischdiener, Tafeldecker, Livrée-Bedienter, Lakai, Läufer, Pferdeknecht, Kutscher, Bader, Trompeter etc.), sondern auch als Mitglied der Paraderegimenter. In Kassel sind nach 1784 zwanzig bis dreißig schwarze Soldaten dokumentiert. Vgl. Huber 1939, 324f.; Verma 1993, 73–80; Martin 2001, 129–181; Kuhlmann-Smirnov 2008, 287–312 (mit einem Forschungsüberblick); AK Wien Soliman 2012.
- Westen: Europa
- Norden: Afrika
- Osten: Asien
- Süden: Amerika
Das Schlossareal trug im Außen- und im Innenbereich Schäden im Zuge des Zweiten Weltkriegs davon. Die Schäden an den Deckengemälden von Benedikt Gams im Gartensaal und Balkonzimmer wie auch die im Stiegenhaus von Johann Pfunner wurden 1946 von Dr. Kasper beseitigt. 1988/89 im Rahmen der allgemeinen seit 1975 ausgeführten schrittweisen Wiederherstellung der Barockanlage wurden die Deckengemälde Pfunners erneut restauriert. Dies war notwendig geworden, da zwischenzeitlich bei der Amerika[1] der obere Bildbereich und der Kopf herabgestürzt waren.[2] 1989 wurde entschieden, aufgrund fehlender historischer Aufnahmen der Amerika-Personifikation die Züge der Schlossherrin[3] und als endgültiges Attribut eine afrikanische Elfenbeinplastik zu geben. [4]
[1] In der Festschrift anlässlich der fortschreitenden Wiederherstellung der Schlossanlage herausgegeben von Nikolaus und Karen von Gayling 1989 ist die Personifikation noch als Afrika identifiziert worden. Siehe hierzu die Bildanalyse weiter unten.
[2] Für einen Befundbericht siehe Gayling 1989, 95–103.
[3] In Anlehnung an die Verewigung der Schlossherrin von 1750 in Benedikt Gambs Flora Personifikation im Gartensaal.
[4] Zur Identifizierung der Amerika-Afrika-Allegorie siehe Bildanalyse.
Zuletzt aktualisiert am: 20.06.2016