Fürstenzell (Passau), Kloster Zitieren
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Die Erdteilallegorien sind Teil eines momumentalen Freskos zur Huldigung des Kurfürstentums Bayerns, das sich an der Decke des rechteckigen Festsaals im Mittelrisalit des Prälaturtraktes des Klosters befindet. Der Raum erstreckt sich in seinen Ausmaßen über die gesamte Tiefe des Westflügels, sodass der Saal sowohl zur Innen- als auch zur Außenseite des Klosters über jeweils fünf Fenster beleuchtet wird. Die Wände werden durch gemalte, kannelierte, rötlich marmorierte Pilaster gegliedert und sind durch Nischen mit Vasen optisch erweitert sowie mit Grisaillemedaillons biblischen Inhalts und Porträtmedaillons verziert. Neben Darstellungen griechischer Denker (Aristoteles, Platon, Solon und Aristipp) verbinden die Personen, verewigt in zwei Medaillons an den Schmalseiten des Raumes direkt unterhalb des Schlussgesims der Decke, die Vergangenheit mit der Gegenwart des Klosters: sein Gründer Herzog Heinrich XVIII. von Niederbayern (1235–1290) und sein Landesherr Kurfürst Maximilian Joseph von Bayern (1756–1825).
Das scheinarchitektonische Schlussgesims geht über in eine Balustrade. Teil dieser sind die vier Erdteile sowie Jahreszeiten. Während die Jahreszeiten in den Ecken durch jeweils zwei Putti mit den klassischen Attributen – Frühling: Blumen; Sommer: Heu; Herbst: Weintrauben; Winter: Feuer – kombiniert sind, müssen für die Erdteile die Ecken und die Mitten der Balustrade zusammen gesehen werden. In den Ecken krönen herzförmige Kartuschen umrandet von floralen Elementen Büsten der Vertreter der vier Kontinente. Hinterfangen sind sie jeweils von einer Muschel.
Europa ist mit dem Frühling gepaart. Anders als die anderen Büsten trägt sie keine Kopfbedeckung, sondern ihr Haar ist am Hinterkopf hochgesteckt, ein Edelstein besetztes Haarband dient ihr als einziger Schmuck. Um den Hals trägt sie eine Kette mit einem Anhänger in Form eines Kreuzes. In der Mitte der Balustrade an der Schmalseite des Raumes oberhalb des Medaillons mit dem Porträt des bayerischen Kurfürsten ist der Begleiter Europas ein Pferd in einem rechteckigen Bildfeld zu erkennen. Die Zusammengehörigkeit der Büste mit den Tierfiguren wird durch die Inschrift mit dem jeweiligen Namen des Kontinents am oberen Rand des Bildfelds unterstrichen. Das Pferd ist im Profil dargestellt. Es trabt einer aufgehenden Sonne entgegen. Weitere Attribute Europas finden sich unter- wie auch oberhalb des Bildfelds. Während unten die Gartengeräte abgebildet sind, schütten zwei ineinander verschlungene Füllhörner die Erzeugnisse der Erde – Früchte, Blumen, Gemüse – aus.
Links von Europa schließt sich Asia mit dem Sommer an. Die männliche Personifikation ist eindeutig als Vertreterin ihres Landes durch ihren Turban sowie ihrer Halskette mit dem Symbol des osmannischen Halbmondes zu erkennen. Ihr Tier ist ein Löwe, der im Schein einer Mondsichel schläft.
In der dritten, diagonal von Europa befindlichen Ecke schaut unterhalb des Herbstes Afrika auf das Geschehen im Festsaal. Wie sein asiatischer Nachbar besteht sein Kopfhabit aus einem Turban, der mit einer Brosche geschmückt ist. Die negroiden Gesichtszüge lassen aber keinen Zweifel an seiner Zugehörigkeit zum schwarzen Kontinent aufkommen. Eine Kette, ähnlich einer Orchidee, hängt um seinen Hals. Sein Begleiter ist ein fauchendes Krokodil, das auf einer leeren Ebene unter einer Palme liegt. Wie das Bildfeld mit dem Pferd Europas finden sich auch hier ober- und unterhalb zusätzliche Attribute: eine Muschel unten und zwei verschlugene Fische oben.
Der vierte Erdteil, unterhalb der Winterallegorie, ist wohl bezüglich seiner Kleidung der Fantastischste: Federkrone, Perlenorhinge und eine Steinkette mit einem großen ovalen Anhänger. Seine ebenfalls negroide Physiognomie erstaunt zwar, aber durch die Inschrift „AMERICA“ bei seinem Begleittier den Elefant ist die Zuweisung eindeutig. Der Elefant schreitet gemächlich an Palmen vorbei.
Direkt über der grau in grau gehaltenen Balustrade öffnet sich der Blick auf einen blauen Himmel, in dem sich eine Reihe von Figuren auf rosa Wolken tummeln. In der Mitte des Deckenspiegels im Licht der Sonne sitzt die Personifikation der Bavaria, ausgestattet mit Krone, Zepter, Reichsapfel, Orden des Goldenen Vlieses, Hermelin verbrämter Goldbrokatumhang über einem purpurfarbigen Kleid. Ein Engel des Ruhmes, von dessen Trompete ein Wimpel mit dem Wappen der Wittelsbacher hängt, sowie die Göttin der Weisheit Minerva in Begleitung der beiden bayerischen Löwen, die eine mit weiß-blauen Rauten gefüllte Wappenkartusche halten, flankieren sie. Zwei weitere Engel über ihr halten eine Krone sowie eine Landkarte in den Händen. Auf den anderen Wolkenbänken sind in vier Gruppen die Allegorien des Krieges, des Friedens und der Kunst zu einer Gruppe und die Allegorien der Landwirtschaft und des Handels begleitet vom fliegenden Merkur, dem Gott des Handels, zu einer weiteren Gruppe zusammengefasst. Eine dritte Gruppe, bestehend aus der Sünde, Unglauben und Lasterhaftigkeit, wird von einem Engel mit dem Papstkreuz in die Flucht getrieben. Daran anschließend, in der linken Bildecke, haben sich um die Allegorie der Kirche und Glaubens Vertreter des Klerus versammelt. Die Person in einer weißen Kutte soll der Auftrageber des Freskos sein: Abt Otto II. Prasser von Fürstenzell.
Mitte: Verherrlichung der Bavaria durch Diana, Merkur, Allegorien des Krieges und des Friedens, der Kunst, der Landwirtschaft, des Handels
Scheinarchitektur: Balustrade mit den vier Erdteilen, den vier Jahreszeiten
Das zentrale Deckengemälde stammt von Bartolomeo Altomonte. Für die Scheinarchitektur wurde der Künstler Vinzenz Fischer engagiert.
Zuletzt aktualisiert am: 13.06.2016