Reichersberg (PB Ried im Innkreis), Stift Zitieren
Die vier Erdteile stehen in den Nischen einer wuchtigen Scheinarchitektur aus Säulen und Bögen, deren nach oben offenes Dach das zentrale Deckenfresko umrahmt. Sie sind als bronzierte Statuen gestaltet, helle punktförmige Glanzlichter betonen die Plastizität der Darstellung.
Europa und Asien befinden sich auf der einen Längsseite, Amerika und Afrika auf der anderen. Die Figuren jedes Paares sind jeweils einander zugewandt. Europa erscheint als Frauenfigur in schlichtem langem Gewand, das die Unterarme freilässt. In der linken Hand hält sie einen Reichsapfel, mit der Rechten stützt sie sich auf ein halb verdecktes Schild, auf dem die Köpfe des Reichsadlers zu sehen sind. Es erfolgt hier also eine Gleichsetzung Europas mit dem Kaiserreich, die dem imperialen Programm dieses Saales Rechnung trägt. Asien tritt als androgyne Figur in orientalischer Kleidung auf: ein Turban auf dem Kopf, eine breite Schärpe um die Mitte, auf den Schultern liegt ein weiter Mantel. Neben der Kleidung ist Asiens einziges Attribut der Halbmond (mit angedeutetem Gesicht) in ihrer rechten Hand.
Das Paar Amerika und Afrika ist einander wesentlich ähnlicher. Die beiden männlichen Allegorien sind mit Pfeil und Bogen bewaffnet, zusammen mit den fremdartigen Gesichtszügen weist sie das als nach zeitgenössischem Verständnis barbarische Kontinente aus. Das Geschmeide, die beide Figuren mit der linken Hand umfassen, deutet gleichzeitig auf die exotischen Reichtümer hin, mit denen man damals diese Weltgegenden verband.
Amerika ist kenntlich durch die Federkrone auf ihrem Haupt und den gefiederten Rock um ihre Hüften. Den Oberkörper bedeckt eine Art Muskelkürass, der an den Schultern in kurze Federärmel ausläuft. Eine schwere Kette um den Hals vervollständigt ihre Ausstattung. Mit der rechten Hand stützt sie sich auf ihren Bogen, mit der linken rafft sie ein Bündel Perlenschnüre an sich. Afrika ist einzig mit einer schräg um den Leib gewickelten Decke und einem schmalen Stirnband bekleidet. Mit ihrer linken Hand hält sie ein Füllhorn, aus dem Perlen und Münzen quellen, in der rechten Hand liegt der ungespannte Bogen.
Obwohl die vier Erdteile Bestandteil der Scheinarchitektur sind, befinden sie sich doch in unmittelbarem Bezug zu der Thematik des zentralen Freskos. Sie gehören zu dem bunten allegorischen Reigen, der die Personifikation der göttlichen Vorsehung umgibt und in dem sich die Zahl vier als Ordnungsprinzip mehrfach wiederholt. Links und rechts der Providentia divina mit Szepter, Weltkugel und Zirkel sind zunächst vier antike Götterfiguren zu sehen. Links schweben Jupiter (mit Adler und Blitzen) und Ceres (mit Bäumchen) auf einer Wolkenbank, rechts sind Juno (mit Pfau) und Neptun (mit Dreizack und Wasserkrug) zu sehen. Sie vertreten gleichzeitig die vier Elemente: Feuer und Erde, Luft und Wasser. Um die beiden Götterpaare spielen jeweils Grüppchen von Putti, die ihrerseits anhand der beigegebenen Attribute als Personifikationen der vier Jahreszeiten zu identifizieren sind. Links schleppen einige eine große Getreidegarbe, das ist der Sommer. Andere balgen mit Stöcken, sie stehen für den Winter. Rechts streuen zwei Putti Blüten, sie sind der Frühling. Drei andere vergnügen sich mit prallen Weintrauben, sie vertreten den Herbst.
Die vier Erdteile sind die letzte Wiederholung dieses Viererreigens, in ihnen verbindet sich die Motivik des lebendigen luftigen Innenfreskos mit der Starrheit der gemalten Illsuionsarchitektur. Gleichzeitig verweist die Ausbildung als Bronzefiguren auf die Freskierung der Wandzone unterhalb, die von zwölf gemalten Bronzestatuen antiker römischer Kaiser dominiert wird.[1]
[1] Näheres zu den zwölf Kaiserdarstellungen bei Herbst 1970, 249–251.
DECKE
- zentrales Deckenfresko: Providentia divina, umgeben von Allgeorien der vier Elemente und der vier Jahreszeiten
- Zeus und Ceres für Feuer und Erde
- Juno und Neptun für Luft und Wasser
- Putti mit Getreidegarben und Ästen für Sommer und Winter
- Putti mit Weintrauben und Blüten für Herbst und Frühling
- an den Schmalseiten zwei Wappenfelder:
- Westseite (links): Wappen des Anton I. Ernst und des Theobald Antißner
- Ostseite (rechts): Stiftswappen und Wappen des Adam Pichler
- an den Längsseiten die vier Erdteile:
- Nordseite: Europa, darunter Muschelkartusche mit Dankopfer Abraham; Asien, darunter Muschelkartusche mit Verkündigung an Sara
- Südseite: Amerika, darunter Muschelkartusche mit Daniel in der Löwengrube; Afrika, darunter Muschelkartusche mit Verkündigung an Abraham.
WÄNDE
römische Kaiser und Ölgemälde
- Nordseite: Julio Caesare, Divo Augusto, unbenannt, Aug. Caio
- Ostseite: unbenannt, Gemälde Moses schlägt Wasser aus dem Felsen, unbenannt
- Südseite: Sept. Severo, Antonio Pio, Aug. Claudio, unbenannt
- Westseite: unbenannt, Gemälde Mannaregen in der Wüste, unbenannt
In Vorbereitung zur oberösterreichischen Landesausstellung 2004 wurden an den Stiftsgebäuden umfangreiche Renovierungsarbeiten durchgeführt. Die fresken des Augustinisaales präsentieren sich heute in sehr gutem Zustand.
Zuletzt aktualisiert am: 24.02.2016