Das Dorf Liggersdorf gehörte im 18. Jahrhundert zur Herrschaft Neu-Hohenfels, die wiederum 1506 in die Deutsch Ordenslandkommende Altshausen der Ballei Elsass-Burgund eingegliedert wurde. An der Spitze der Ballei stand der jeweilige Landkomtur mit Sitz in Altshausen. Die Liggersdorfer Kirche ist unter dem Patronat dreier Landkomturen entstanden. Die erste Bauphase mit dem Neubau der Kirche von 1710 bis 1718 beauftragte Landkomtur Marquard Franz Leopold von Falkenstein OT (1660[1]/1709–1717), das Langhaus wurde in der zweiten Bauphase von 1762 bis 1764 unter Landkomtur Christian Moritz von Königsegg-Rothenfels OT (1705–1778; reg. 1757–1774) ausgemalt, die letzte Phase, die 1788 lediglich die Ausmalung des Chores durch Joseph Anton Messmer (1747–1827) umfasste, fand zur Zeit des Landkomturs Beat Konrad Reuttner von Weyl OT (1719/1774–1803) statt. Lediglich Königsegg und Johann Franz von Reinach (~1653/1719–1730) haben sich als Patronatsherr mit Wappen am Chorbogen und am 1727 eingebauten Hochaltar verewigen lassen.
Die gesamte Verwaltung des Deutschen Ordens war auf den Hochmeister beziehungsweise Landkomtur ausgerichtet. Abhängig von der Bedeutung einer Entscheidung musste unterschiedlich weit hoch gegangen werden. Bauvorhaben wie der Neubau der Residenzen der Kommenden Altshausen und Hitzkirch bedurften der Zustimmung des Hochmeisters, während der Neubau und/oder Umbau einer Dorfkirche nicht ohne Zustimmung des Komturs und/oder Landkomturs realisiert werden konnte. [2] Im Falle der Chorausmalung der Liggersdorfer Dorfkirche handelte es sich um einen relativ kleinen Auftrag, für den Messmer 55 Gulden erhielt.[3] Einerseits wäre anzunehmen, dass die vergleichbar geringe Bedeutung des Auftrags, das Fehlen jeglichen Wappens sowie die ordenspolitische Rolle des Landkomturs als einer der engsten Berater des Hochmeisters gegen eine umfassende Involvierung Reuttner von Weyls in der Chorausstattung spricht. Darüber hinaus hatte Franz Maximilian von Österreich (1756–1801), der seit 1780 der neue Hochmeister des Ordens war, die Rolle des Ordenspriester innerhalb seiner Pfarrei betont, indem er forderte, dass dieser „so viel möglich Lust und Liebe zu geistlichen Verrichtungen beizubringen“[4] habe und ein würdiges Äußeres des Gottesdienstes zu schaffen habe. Keine fünf Jahre vor der Chorausstattung, 1783, hatte der Hochmeister hierfür eine neue Gottesdienstverordnung erlassen und sprach sich für eine stärkere Förderung des Kirchen- und Kapellenbaus aus.[5] Liggersdorf war noch einer der wenigen Pfründen des Deutschen Ordens, die 1786 noch mit Ordenspriester besetzt waren.[6] Dies würde somit den Ortsgeistlichen und Ordenspriester Franz Joseph Hepp OT in den Untersuchungsfokus rücken. Zwar war Adel für den geistlichen Zweig des Ordens kein Aufnahmekriterium, [7] aber ein Universitätsstudium[8] sowie der Besuch eines vom Orden geleiteten Priesterseminar[9] sorgten dafür, dass die Amtsträger von hoher Bildung waren.[10]
Andererseits vertrat Reuttner von Weyl eine konträre Meinung, was das Aufgabenfeld eines Ordenspriesters betraf. So umschrieb er dieses 1790 mit folgenden Worten:
„Auf Weisung des Hochmeistes und der Landkomture hätten sie Gottesdienste zu halten, die Aufsicht über die Spitäler zu führen und die Jugend zu unterrichten. … [man dürfe sie] keinen Einfluß auf die Verwaltung der Korporation und des Ordensbesitzes gewinnen lassen. … Wie die Ritter seien diese geistlichen Hilfsbrüder dem Hochmeister und dem Balleivorsteher durch Gelübde unterworfen…“[11].
Die Worte des Landkomturs entsprachen der weit verbreiteten negativen Sichtweise auf den geistigen Zweig des Ordens durch die Deutschordensritter. [12] Inwieweit nun Hepp oder der Landkomtur als maßgeblicher Auftraggeber des Chorfreskos gesehen werden kann, ist ungewiss. Sicher fungierte der Architekt Franz Anton Bagnato (1731–1810) als der Vermittler zwischen beiden Parteien, da ihm als Ordensbaumeister die Oberaufsicht über solche Bauvorhaben oblag.[13]
[1] Vgl. OG 1/1898, 332.
[2] Vgl. Gubler 1985, 44.
[3] Fakten zur Baugeschichte und Ausstattung der Kirche auf der Website des Pfarramts Liggersdorf.
[4] Oldenhage 1969, 109.
[5] vgl. Oldenhage 1969, 109.
[6] Das Recht der Besetzung eigener Patronatskirchen mit Mitgliedern des Ordens geht zurück auf ein Privileg von 1237 (vgl. Voggeler 1991, 47). Hierdurch stand der Orden, dessen Gebiete exemt waren, unter anderem immer wieder in Konflikt mit dem Bischof. Zwar hat sich die Anzahl der mit Ordensgeistlichen besetzten Pfarrstellen seit 1750 nicht geändert (Vgl. Gubler 1985, 61 Anm. 12), jedoch wurden die Möglichkeiten des Ordens die Besetzungsquote zu erhöhen und somit ihre Kommunität zu wahren, etwa durch eine Vereinbarung mit den Klöstern Weingarten und Ochsenhausen aus dem Jahre 1764 sowie die von Seiten der vorderösterreichischen Regierung und bischöflichen Stelle in Konstanz durchgesetzte Einführung der Pfarrstellenvergabe mittels Pfarrkonkurs 1786, stark begrenzt. In Zukunft hatte der Orden nur noch für die zwölf Pfarreien das alleinige Besetzungsrecht. vgl. Röttgers 1995, 151.
[7] Vgl. Voggeler 1991, 46; Röttgers 1995, 75–78; Hartmann 1996, 92f.
[8] Viele Ordenspriester waren Akademiker vgl. Voggeler 1991, 53.
[9] Hepp könnte unter Umständen das 1735 neu eingerichtete Priesterseminar der Ordenszentrale Altshausen absolviert haben. Allerdings erlangte es nie die Bedeutung der „mustergültig geführten Seminaren in Mergentheim und Köln“ Voggeler 1991, 67, vgl. Röttgers 1995, 150f.; Hartmann 1996, 94.
[10] Einer seiner Vorgänger oder auch sein unmittelbarer Vorgänger Franz Xaver Schmid OT (*1705), der seit 1762 Pfarrer in Liggersdorf gewesen war, hat 1772 in einem Augsburger Verlag ein Buch mit dem Titel „Sittliche Gleichnisse über verschiedene Gegenstände: aus berühmten Schriften gesammelt, und in eine alphabetische Ordnung gebracht“ veröffentlicht. Vgl. Schmid 1772; Hörsch 1998, 351.
[11] Oldenhage 1969, 95.
[12] Die Reformation hatte die Stellung der Ordenspriester radikal verändert. Während sie seit ihrer Gründung und besonders im Mittelalter „als geweihte Personen, unmittelbar nach dem Komtur und vor den Ritterbrüdern“ (Hartmann 1996, 92) rangierten und zum Teil wie in Rothenburg ob der Tauber und in Mühlhausen in Thüringen reine Priesterkonvente existierten, verloren sie im 16. Jahrhundert diese privilegierte Stellung. Von da an waren sie zwar als Ordenspriester volle Mitglieder des Ordens, hatten aber nicht dieselben Rechte eines Ritters und waren in der Hierarchie an unterster Stelle. Im 17. und 18. Jahrhundert sind immer wieder Konflikte zwischen Ritter und Ordenspriestern wie der von 1679 oder 1790 zu verzeichnen, obwohl zu diesem Zeitpunkt längst ein Gleichgewicht beider Zweige innerhalb des Ordens existierte. 1801 lebten im Orden 60 Ordensritter und 59 Ordenspriester. Im 19.Jahrhundert erlangten die Ordenspriester immer mehr Mitspracherechte, bis sie 1929 die alleinige Verantwortung übernahmen. Frank Rudolf Hepp war somit Vorreiter eines Wandels vom ritterlichen zum heute geistlich-klerikalen Orden. Somit knüpfte der Orden an seine Anfänge an: Die Gründung des Deutschen Ordens 1190 in Akkon war eine Gründung durch Ordenspriester, die sich nicht nur der gewaltlosen Kranken- und Seelenpflege, sondern auch der Missionsarbeit mit dem Schwert und dem Kampf um die heilige Stätte verpflichtet fühlten. Was letztlich zur Umwandlung der Hospitalsgemeinschaft in einen Ritterorden acht Jahre später zur Folge hatte. Vgl. Täubl 1966, 21; Voggeler 1991, 44–47, 56, 64, 73–75; Hartmann 1996, 92–95.
[13] Bagnato hatte kurz nach seiner Benennung zum Baudirektor des Ordens 1761 die erste Barockisierung der Liggersdorfer Kirche 1762 überwacht und baute keine fünfzehn Jahre später das Pfarrhaus von Liggersdorf. Anders als zu seinem Vater Johann Caspar Bagnato fehlt für ihn bis heute eine umfassende Monografie. Vgl. Wohleb 1952, 217, 223; Gubler 1985, 181; Seiler 1996, 301.
Zuletzt aktualisiert am: 02.12.2015