In der Staatsgalerie zu Stuttgart befindet sich ein Entwurf für ein Kuppelgemälde[1]. Signiert hat diesen der aus der Pfrontener Malerfamilie stammende Johann Geisenhof. Der Entwurf ist mit 1799 datiert. Wie im Chorfresko der Kirche St. Leonhard in Rimpach dominiert eine zentralperspektivische Kuppelarchitektur das Bildgeschehen, die in der Tradition von Andrea Pozzos illusionistischen Scheinarchitektur steht. Drei der vier Szenen in den Rundbögen zeigen ikonographische und zum Teil kompositorische auffallende Gemeinsamkeiten mit dem 34 Jahre zuvor entstandenen Werk von Franz Anton Dick (†1784). So findet sich neben der Darstellung des Letzten Abendmahls sowie des Repräsentanten des Judentums auch die seltsame[2] Versammlung der Vier Erdteile. Die Gemeinsamkeiten mit Rimpach stechen ins Auge: die blau-weiß gewandete Personifikation der ecclesia, der Tempietto im Hintergrund und auch hier die seltsame Isolation der Personifikation Europas, ebenso als römischer Imperator mit Lorbeerkranz gekleidet. Die anderen drei Erdteile unterscheiden sich in Anzahl, Kleidung und Haltung. Statt drei sind vier Figuren zu erkennen, die zweite Person rechts hinten ist aufgrund seines Turbans dem Erdteil Asiens zuzuordnen. Der Vertreter Afrikas ist anhand seinen negroide Physiognomie eindeutig zu identifizieren. Amerika dagegen steht im Hintergrund und ist bis auf den Kopf von Asia und Africa verdeckt. Weiterhin ist auch anders als in Rimpach, dass nicht die Personifikation der Kirche das Zentrum der Aufmerksamkeit darstellt, sondern die drei Vertreter scheinen mit einem Disput untereinander beschäftigt zu sein.
Trotz allem werfen die augenscheinlichen Übereinstimmungen die Frage auf, wann und wo Geisenhof das Rimpacher Fresko oder etwas ähnliches gesehen haben könnte? Johann[3] Geisenhof entstammte einer in Pfronten im Allgäug ansässigen Baumeister-, Stuckateur- und Malerfamilie, deren Mitglieder bis zurück ins 17. Jahrhundert verfolgt werden können.[4] Er wurde als ältester von fünf Söhnen des Baumeisters und Stuckateurs Josef Anton Geisenhof (1737–1797) und seiner Gemahlin Maria Barbara, geb. Fink, am 22.8.1764 in Meilingen bei Pfronten geboren.[5] Anfänglich wurde er vom Vater zusammen mit seinem acht Jahre jüngeren Bruder Josef Anton (*1772) nicht nur in der Malerei, sondern auch im Stuckateurhandwerk unterwiesen. So wirkte die Familie gemeinsam in verschiedenen Kirchen wie bspw. 1783 in der Wallfahrtskirche Maria Hilf in Speiden.[6] Anders als sein Vater und Bruder widmete sich Johann stärker der Malerei. Hier erwies sich besonders der Augsburgische fürstbischöfliche Hofmaler Joseph Keller (1740–1823) als prägend. Joseph Grünenfelder schlägt 1998 plausibel ein mögliches Lehrer-Schüler-Verhältnis vor, da sie nicht nur aus dem selben Heimatort stammten, sondern auch Johanns Vater mit Keller nicht erst in der Speidener Wallfahrtskirche, sondern bereits in der Pfrontener St. Nikolauskirche 1780, in St. Peter und Paul in Stötten am Auerberg 1781 bis 1783 und in der Kirche St. Nikolaus in Wald 1782 zusammengearbeitet hatte.[7] Keller sollte für Geisenhof zeitlebens eine wichtige Inspirationsquelle darstellen und hierdurch kommt es bis heute in der Forschungsdiskussion des Öfteren zur Verwechslung.[8] Für Johann Geisenhof sind zunächst die Ausmalung der Pfarrkirche Hll. Philippus und Jakobus im vorarlbergischen Schoppernau durch Signatur Joh. Geisenhoff pinxit 1796[9] und dann ein Jahr später die Renovierung des Stucks in der St. Martinskirche im schweizerischen Baar durch Ratsprotokolle belegt.[10] Der oben signierte und datierte Entwurf zu einem Kuppelfresko und dessen kompositorischen wie auch ikonographischen Übereinstimmungen mit dem Rimpacher Chorfrekso lassen ihn 1799 unter Umständen im oberschwäbischen Gebiet verorten. Die nächste Station findet sich 1804 wiederum in der Schweiz, in der Kirche St. Wendelin in Greppen.[11] Die Parallelen zu Kellers zahlreichen Abendmahldarstellungen[12] sind in der Greppener Pfarrkirche nicht von der Hand zu weisen. Vermutlich hat sich Johann Geisenhof ähnlich wie sein „Lehrer“ Joseph Keller, der selber ab 1785 verstärkt bis zu seinem Lebensende in der Schweiz tätig war, dorthin zunächst beruflich und dann auch privat orientiert. Am 15. Juli 1793 hatte er in Rapperswill am oberen Zürichsee Anna Maria (Martina?) Keller aus Lachen (Kt. Schwyz) geheiratet.[13] Für seinen nächsten Auftrag in der St. Martinskirche in Steinhausen am Zugersee malte Geisenhof 1805 wiederum ein Abendmahlfresko, das von der Forschung aufgrund der Ähnlichkeit der Gesamtausstattung mit den 1785 entstandenen Malereien von Joseph Anton Messmer (1747–1827) und Keller in der nahe gelegenen Kirche St. Jakob von Cham anfänglich Keller und dann 2006 endgültig Geisenhof zugeschrieben worden war.[14] Eine ähnliche Zuschreibungsdiskussion hatte sich auch um die Ausmalung der Marienkirche im elf Kilometer entfernten Unterägeri am Ägerisee entsponnen. Durch Dokumente sind nachweislich Joseph Anton als Stuckateur und Johann Geisenhof als Maler belegt. Jedoch die Übereinstimmung des Hauptthemas „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“ nicht nur in thematischer, sondern v.a. in kompositorischer Hinsicht mit Cham lassen Josef Grünenfelder für die Figuren Joseph Keller in die Diskussion bringen.[15] Im gleichen Jahr wie Steinhausen, 1805, malte Geisenhof auch die Zuger Schutzengelkapelle aus. Seine weitere Tätigkeit bis zu seinem Tod 1810 bleibt im Dunkeln. Wie aus dem 1981 zusammengestellten Pfrontener Künstlerverzeichnis hervorgeht, ist Geisenhof am 1.12.1810 in Heitlern bei Pfronten verstorben.[16] Über seine Frau Maria Anna (Martina) Keller und mögliche Kinder ist bislang nichts bekannt.
[1] Eine Abbildung findet sich entweder in Rave 2004, 81 oder online in der Bilddatenbank der Staatsgalerie Stuttgart: http://digikat.staatsgalerie.de/detail.jsp?id=098A32E94FB42C333D59879C6925EC58&img=1.
[2] S. ausführlich die Bildanalyse des Rimpacher Chorfreskos.
[3] Oder auch Johannes oder Johann Ludwig. Vgl. Grünenfelder 1998, 497; Rave 2004, 81; AKL LI/2006, 105.
[4] Vgl. AKL LI/2006, 105f.
[5] Vgl. Schröppel 1981, 2; KD Zug 1999, 343; AKL LI/2006, 105.
[6] Vgl. Mayr 1998, 438; Grünenfelder 1998, 498; KD Zug 1999, 453 Anm. 194.
[7] Vgl. Seitz 1998, 404f.; Grünenfelder 1998,
[8] Wie bspw. die Zuschreibungsdiskussion um die Marienkirche in Unterägeri oder auch S. Martinskirche in Steinhausen zeigen. Siehe Anm. 14.
[9] Zitiert nach: Dehio Vorarlberg 1983, 366.
[10] Vgl. KD Zug 1999, 31 und 399 Anm. 31.
[11] Vgl. KD Luzern 2009, 136, 138.
[12] Josef Keller bezog sich als Vorbild auf Martin Knollers weithin berühmtes Abendmahlfresko in der Abteikirche von Neresheim, das 1770 entstanden ist. Ausführlich zu seinen Abendmahldarstellungen siehe Tacke 1998.
[13] Vgl. Grünenfelder 1998, 502 Anm. 28; KD Zug 1999, 453 Anm. 179.
[14] vgl. Grünenfelder 1998, 499f; KD Zug 2006, 445, 448.
[15] Vgl. Grünenfelder 1998, 498; KD Zug 1999, 344 Abb. 321 und 346.
[16] Vgl. Schröppel 1981, 2; AKL LI/2006, 105.
Zuletzt aktualisiert am: 02.12.2015