Rimpach (Ravensburg), St. Leonhard Zitieren
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In einer zentralperspektivischen Kuppelarchitektur erstrahlt in der Kuppelöffnung das Auge Gottes und entsendet seine Strahlen auf die oberhalb des Hochaltars zu sehende neutestamentliche Szene des letzten Abendmahls. Die Strahlen – wie ein Inschriftenband am Himmel deutlich macht – symbolisieren durch die Menschwerdung und Opfertod Christi die Erlösung der Gläubigen: „Dies ist das Brot, das vom Hiel kot“. Dieses Grundthema der Deckenausstattung wird von der Kartusche am Hochaltar auch für das Möbilar übernommen: „Wer dies Brod isset | Der wird Leben | in Ewigkeit Io. C. VI | V.LII.“ Im Uhrzeigersinn schließen sich in den weiteren drei Rundbögen der Alte Bund in Gestalt eines Vertreters des jüdischen Priestertums, die Darstellung des Mannaregens nach 2 Mos 16 und schließlich der Neue Bund in Form der Verherrlichung der Ecclesia durch die bekehrten Repräsentanten der vier Erdteile an. Die weibliche Personifikation der Kirche sitzt auf einem Wolkenmeer rechts im Bild. Ihre Attribute – Tiara, Hostienkelch, die Heilige Schrift, die Schlüssel Petri sowie das Papstkreuz – trägt sie selber auf dem Kopf und in den Händen bzw. Putti neben und vor ihr halten diese. Im Bildhintergrund erhebt sich auf einem Berg im gleisenden Licht der Sonne ein Tempietto. Zu ihren Füßen auf den Boden knien und stehen die Vertreter der vier Erdteile in einer seltsamen Anordnung. Zuvorderst befinden sich die drei eindeutig zu identifizierenden Personifikationen Amerika, Asia und Afrika. Europa ist ganz und gar untypisch ihrer barocken Hegemonie nur fragmentarisch zwischen der links ins Bild ragenden Scheinbrüstung und der Personifikation Asia im Hintergrund dargestellt. Sie wirkt seltsam isoliert und unbeteiligt vom Geschehen vor ihr. Auch ihr helles Inkarnat, ihre westlichen Gesichtszüge und der Lorbeerkranz auf ihrem Haupt hebt die Personifikation Europas aus der Gruppe hervor.[1] Dies steht im prägnanten Konstrast zur inbrünstigen Anbetung der restlichen Menschheit. Während die rothäutige Amerika mit grüner Federkrone und rotem Mantel ihre linke Hand auf ihr Herz gelegt und ihren Blick zur Ekklesia erhoben hat, kniet die dunkelhäutige Figur Afrika mit bloßem Oberkörper, jedoch reich geschmückt mit Goldreif und Perlenarmband, und hat ihre Hände betend gefaltet. Vor ihnen auf den Boden liegt ein Köcher voller Pfeile. Es ist unklar, zu wem dieses Attribut zu zählen ist. Asia steht zwischen diesen beiden mit himmelndem Blick und ausgestreckter rechter Hand. Auf dem Kopf trägt sie einen mit einer Perlenkette verzierten pyramidenförmigen Turban, auf dessen Spitze ein Halbmond sitzt.
Der Auftraggeber und sicherlich eigentlicher Autor des Ausstattungsprogramms Fürstbischof Franz Karl Eusebius von Waldburg-Trauchburg-Friedberg-Scheer (1701–1772) verehrt in seiner Kirche nicht den vom gotischen Vorgängerbau stammenden Patronatsheiligen St. Leonhard, sondern in der gesamten Kirchenausstattung das Allerheiligste im Alten und Neuen Bund. In den Langhausfresken werden innerhalb des zentralen Mittelfreskos und den vier umgebenden Kartuschen einzelne Szenen aus der alttestamentlichen Geschichte der Bundeslade dargestellt. Im Judentum barg die Bundeslade nach Hebr 9,4 die Gesetzestafeln, ein goldenes Gefäß mit Manna und den Stab Aarons. Als zentraler Aufbewahrungsort war es das wichtigste Kultobjekt und Symbol für die göttliche Zusage an Israel.[2] In der mittelalterlichen Exegese wurden die Geschehnisse rund um die Bundeslade symbolisch mit Ereignissen aus dem Leben Christ gleichgesetzt: Das Thema des zentralen Mittelbilds „Die Überführung der Bundeslade nach Jerusalem, angeführt vom tanzenden König David“ (2 Sam 6, 13–14) diente in der Auslegung der Biblia Pauperum als Vorbild für den „von den Juden zur Kreuzigung entkleideten Christus“[3]. Die Themen in den Kartuschen[4] verwiesen im übertragenen Sinne auf die Taufe Jesu (Nr. 4) oder auf die Flucht nach und Rückkehr aus Ägypten (Nr. 1 und 2). Die nicht in Rimpach explizit bildlich dargestellte Bedeutung der Bundeslade als Symbol des Abendmahls unter Bezug auf 2 Mos 40 schwingt durch das Grundthema des Ausstattungsprogramms mit. So ist es nur folgerichtig, dass direkt hinter dem Chorbogen der erste Rundbogen der Scheinkuppel die Darstellung der Mannalese mit der zentralen Gestalt Moses enthält. Links und rechts schließen sich unter Anlehnung auf die traditionelle Gegenüberstellung der Ekklesia und der Synagoge das Judentum und das bekehrte Heidentum an.[5] Wie Jesus Christus im vierten Rundbogen, dem eigentlichen Höhepunkt des Programms, die Eucharistie an seine Jünger weitergibt, so gibt die Personifikation der Fides beziehungsweise der Ekklesia als eigentliche Empfängerin, Bewahrerin und Verteilerin des Eucharistiesakraments dieses weiter an die gesamte Menscheit. Hierdurch wird sie zur „Siegerin über Irrlehrer und Andersgläubige“[6], was in der vollzogenen Bekehrung der Menschen der „fremden“ Erdteile, ausgedrückt in ihrer anbetenden Haltung, Wiederhall findet. Neuzeitliche Verweise auf die Praxis und Anbetung der Eucharistie finden sich noch im Hochaltarbild „Die Präsentation der Monstranz durch den heiligen Karl Borromäus“ und in den zwei kleinen Wandkartuschen im Chor „Die Anbetung des allerheiligsten Altarsakraments durch den heiligen Franz von Assisi“ (links) und ein Bezug auf die oberschwäbische Lokalheilige „Die Heilige Kommunion an die selige Elisabeth von Reute“ (rechts) sowie in den Seitenaltarbildern mit der Kommunion Mariens (links) und des heiligen Benedikt (rechts). Das Hochaltargemälde verweist auf die besondere Rolle des Mailänder Bischofs Karl Borromäus (1538–1584) für die Eucharistieanbetung, indem er einer der ersten war, der das Tabernakel als Behälter des allerheiligsten Altarsakrament zentral auf dem Hochaltar positionierte. 1614 machte diese Handhabung Papst Paul V. (1552–1621) in der ersten Ausgabe des Rituale Romanum Pauli Quinti Pontifici Maximi Iussu editum zunächst für die italienischen Diözesen zur Regel.[7] Die besondere Beziehung des Auftraggebers zum Sakrament der Eucharistie wird auch dadurch deutlich, dass er noch im gleichen Jahr der Ausstattung eine Kongregation zur Anbetung der heiligen Eucharistie gründete und diese besonders in seinem Testament von 1768 bedachte.[8]
[1] Siehe ausführlich Befund.
[2] Vgl. theologisch LTHK 2/2009, 794f.; kunstgeschichtlich RDK 3/1950, 112–118 (Bundeslade).
[3] RDK 3/1950, 116 (Bundeslade).
[4] In den vier Kartuschen des Langhause werden folgende Themen dargestellt: [vorne links im Uhrzeigersinn] 1) Aufstellung im Tempel Dagons in Aschdod (1 Sam 5,4); 2) Rückkehr der Lade von den Philistern (1 Sam 6, 10–12); 3) Die Eroberung von Jericho (Jos 6, 15–20); 4) Der Übergang über den Jordan (Jos 3, 14–17).
[5] Vgl. RDK 4/1957, 1212f. (Ekklesia und Synagoge).
[6] RDK 6/1969, 230 (Eucharistie).
[7] Vgl. Piacenza 2005
[8] Vgl. Rauh 1968, 54; ders. 1971, 193–198. Wie die zweite Auflage einer 312 Seiten umfassende Unterweisung in der Anbetung des allerheiligsten Altarsakraments in Rimpach aus dem Jahr 1848 belegt, war die Bruderschaft auch noch im 19. Jahrhundert sehr lebendig. Das Büchlein wurde von der Bayerischen Staatsbibliothek digitalisiert und online gestellt: „Verehrung des allerheiligsten Altars-Sakramentes in Betrachtungen und Gebeten zum allgemeinen Gebrauche, besonders aber für die Mitglieder der Mechthildischen Bruderschaft zur ewigen Anbetung des allerheiligsten Altarssakramentes in Rimpach, Kempten: Kösel 1848“, http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10704788-3.
Von West nach Ost:
LANGHAUS
- westliche Seitenbilder:
- die Eroberung von Jericho (Jos 6, 15–20);
- der Übergang über den Jordan (Jos 3, 14–17)
- Mittelbild: die Überführung der Bundeslade nach Jerusalem, angeführt vom tanzenden König David (2 Sam 6, 13–14)
- östliche Seitenbilder:
- Aufstellung im Tempel Dagons in Aschdod (1 Sam 5,4)
- Rückkehr der Lade von den Philistern (1 Sam 6, 10–12);
CHORBOGEN
- Wappen des Auftraggebers (Langhausseite)
- Inschriftenkartusche: Fundata MCCC saeculo Amplificata splendite ornata 1765 ab Epp. Princ. C.F. EUSEBIO DE WALDBURG Renovata a Principe GEORGIO DE WALDBURG ZEIL 1758 (Chorseite)
CHOR
- Mittelbild: vier Szenen in einer Scheinarchitektur eingebettet, beginnend über dem Hochaltar im Uhrzeigersinn:
- letztes Abendmahl – Inschriftenkartusche: Wer disß Brod isset Der wird Leben in Ewigkeit Io. C. VI. V. LII.
- das Judentum in Gestalt eines Rabis
- Darstellung des Mannaregens (2 Mos 16)
- das bekehrte Heidentum in der Gruppe der Ecclesia angebetet durch die vier Erdteile
Das Deckenfresko präsentiert sich heute in gutem Zustand. Nach Auskunft des Leiters des Waldburg-Zeil’schem Gesamtarchivs auf Schloss Zeil in Leutkirch im Allgäu, Rudolf Beck, wurde das Innere der Schlosskapelle erst- und letztmalig 1958/59 restauriert. Zu diesem Zeitpunkt habe es sich „offenbar in schlechtem Zustand“ befunden und wurde durch den Konservator Josef Lutz aus Leutkirch umfassend wiederhergestellt.[1] Auf diese Renovierung verweist auch eine Kartusche auf der Chorseite oberhalb des Chorbogens. Hier ließ der Auftraggeber der Renovierung Fürst Georg von Walburg-Zeil-Trauchburg (*1928) Folgendes vermerken: „Fundata MCCC saeculo | Amplificata splendite ornata 1765 | ab Epp. Princ. C.F. EUSEBIO DE WALDBURG | Renovata a Principe | GEORGIO DE WALDBURG ZEIL 1958“.
Jedoch sprechen verschiedene Indizien dafür, dass bis 1924 eine erste Restaurierung des Inneren der Kirche stattgefunden haben muss. Das Stichjahr 1924 als terminus ante quem ergibt sich aus einer alten Fotografie des Erdteilfreskos, aufbewahrt unter der Inv. Nr. mi06853d02 im BKA Marburg. Diese bezeugt, dass die seltsame[2] Anordnung der Erdteile nicht im Zuge der Restaurierung von 1958 erfolgt ist, sondern bereits vor 1924 existierte. Weiterhin wird im Kunstdenkmälerverzeichnis von 1924 für das Oberamt Leutkirch erstmals die mittelalterliche Wandmalerei „Handwaschung von Pilatus“ in der nordwestlichen Ecke des Kirchenschiffes erwähnt.[3] Anzunehmen ist, dass diese im Zuge einer ersten Restaurierung der Kirche wiederentdeckt und freigelegt worden ist, denn höchst unwahrscheinlich wäre es, dass diese Wandfläche in der Barockisierung 1765 vom Umbau ausgespart geblieben wäre. Weiter kann vermutet werden, dass das Innere der Kirche im Verlauf der zwischen 1826 und 1890 durchgeführten größeren Umbaumaßnahmen im Schlossbereich[4] „restauriert“ worden ist. Da laut Grit Erlbeck „die baulichen Veränderungen dieser Zeit im östlichen Bereich [des Schlossbereich und somit der Kirche] … nicht überliefert sind“[5], lässt sich dies heute nicht mehr eindeutig klären.
Ausgehend von der Annahme einer ersten Restaurierung würde dies zwar nicht die seltsame Anordnung der Erdteile erklären, jedoch die untypische Kleidung der Amerika sowie die porträthaften Züge der Europa. Eine dunkelhäutige und/oder eine halbnackte Amerika wären für das Barock plausibel, aber nicht eine römisch anmutende Amerika in Goldharnisch und purpurfarbenem Mantel, den sie überdies elegant über den linken Arm gelegt hat. Auch die typische Federkrone auf ihrem Kopf wirkt nachträglich hinzugefügt. Sie wirkt genauso unecht wie die Ailinger Karl-May-Amerika, die auch aller Wahrscheinlichkeit nach ein Produkt der Restauration von 1921 darstellt. Vorstellbar wäre, dass die Europa und die Amerika-Allegorie die Position getauscht haben. Jedoch würde sich hier die Frage stellen, wie der Kuppelentwurf von Johann Geisenhof (1764–1810), der eine ähnlich seltsame Anordnung der Erdteile 1799 wiedereholt, erklärt werden könnte?
Schlussendlich erstaunt beim Vertreter Europas nicht nur die isolierte Position im Hintergrund, sondern auch die im Vergleich zu den idealisierten und seelenlosen Gesichtszügen der Asia, Afrika und Amerika fast schon porträthaften Züge Europas, die darüber hinaus auch noch einen für das Barock vollkommen untypischen Vollbart trägt. Könnte sich hier im 19. Jahrhundert einer der Patronatsherren, die Fürsten von Waldburg-Zeil, verewigt haben lassen?[6]
[1] Die Auskunft erteilt mir freundlicherweise Herr Rudolf Beck in einer E-Mail vom 7. September 2011.
[2] Siehe ausführlich die Bildanalyse.
[3] Vgl. Klaiber/Christ 1924, 67f.
[4] Dieser umfasste stets auch die Schlosskapelle. Siehe hierzu die Lagepläne von 1826 und 1908. Vgl. Erlbeck 1982, 58–61.
[5] Erlbeck 1982, 60.
[6] Vorstellbar wären die Auftraggeber der Umbaumaßnahmen Constantin Maximilian (1807–1862) oder dessen Sohn Wilhelm Franz von Waldburg-Zeil-Trauchburg (1835–1906). Es existieren unter anderem zwei Porträts in der Ahnengalerie auf Schloss Zeil. Für Abbildungen siehe Beck 2006, 284 (Fürst Constantin Maximilian) und Kircher 2006, 300 (Fürst Wilhelm Franz).
Zuletzt aktualisiert am: 06.07.2018