Sowohl die Quellen- als auch Literaturlage zum Künstler Joseph Esperlin ist äußerst mager.[1] Er wurde 1707 in Degernau, heute ein Ortsteil von Ingoldingen, geboren.[2] Seine Eltern waren der Lehrer Georg Esperle (†1729) und Anna, geb. Albisserin (†1729).[3] Die einzige umfassende Quelle zu Esperlins Jugendjahren ist der Lexikoneintrag von Esperlins Zeitgenossem Johann Kaspar Füssli (1706–1782) in dessen „Geschichte der besten Künstler in der Schweiz“, die 1779 in Zürich erschienen ist. Zu dessen Ausbildung schreibt dieser, dass Esperlin die Grundlagen des Handwerks vor 1731 bei Johann Georg Wegscheider (1668–1744) in Riedlingen erlernt haben soll. Danach soll er beim Italiener Francesco Trevisani (1656–1746) in Rom in die Lehre gegangen sein. 1736 (eventuell auf seiner Rückreise) ist für ihn ein Kurzaufenthalt in Basel belegt[4]. In der Schweiz soll er auch, so nimmt Barbara Ohnemus an, geheiratet haben. 1740 – im Alter von 33 Jahren – ist Esperlin zwecks Niederlassung und Handwerksausübung in einem Ratsprotokoll der Stadt Biberach an der Riß zu fassen. Es wurde ihm gestattet und er blieb vermutlich bis zu seinem größten Auftrag die Ausmalung der Kirche St. Nikolaus in Scheer dort wohnhaft.[5] Bevor er nach Scheer ging, hat er noch entsprechend eines Eintrags in der Schussenrieder Chronik zwei Altarbilder für die Wallfahrtskirche in Steinhausen[6] vollendet.[7] Von 1746 bis 1756 war er im Wesentlichen für den Grafen Joseph Wilhelm von Waldburg-Friedberg-Scheer (1694–1756) tätig, wovon er alleine sechs Jahre, von 1747 bis 1752, in der Kirche St. Nikolaus arbeitete.[8] Nach dem Tod des Grafen im Jahr 1756 zog er mit seiner Familie[9] in die Schweizer Heimat seiner Frau nach Basel, wo er bis zu seinem Tod 1775[10] lebte und arbeitete.[11]
In den nächsten zwei Jahrzehnten war er nicht nur in seiner neuen Wahlheimat als Freskant und Ölmaler tätig, sondern immer wieder holten ihn Aufträge zurück in die Heimat. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er 1765 in Donaueschingen während eines fürstenbergischen Auftrags für ein Ölbild[12] Maria Theresia (*1736), Tochter des dort ansässigen fürstlichen Büchsenmachers Franz Joseph Kaiser.[13] Eine Reise nach Paris[14] in den Folgejahren wird von der gegenwärtigen Bearbeiterin des Œuvre Esperlins, Barbara Ohnemus, infrage gestellt.[15] Ob Esperlin, außer seinen Söhnen in der Basler Zeit, auch Schüler hatte, bleibt im Dunkeln. Angela Pudelko vermutet, dass er in Scheer Schüler gehabt haben müsse.[16] So schreibt sie die Kreuzwegstation in den Seitenschiffen der Kirche Hl. Nikolaus in Scheer diesen zu, da in der Signatur anders als in den Gemälden des Mittelschiffs und der Supraportenbilder das „pinxit“ fehle.[17] In den 1980er-Jahren verknüpft Hubert Hosch in seinem Werkverzeichnis zu Andreas Brugger (1737–1812) die Lebenswege von Brugger und Esperlin, indem er Esperlin für die Jahre 1750 bis 1755 als möglichen Lehrmeister für den vom Bodensee Stammenden vorschlägt.[18] Die Verbindung beider könne über die Schwester des Auftragsgebers und Brugger Landesherrin Maria Antonia Eusebia (1691–1767), Gräfin von Montfort, geschehen sein.
Esperlins freskales Werk wird von seinen Ölgemälden (~39) weit übertroffen. Esperlin wird heute trotz seines 34 Jahre dauernden Wirkens als Maler nur mit acht Freskoaufträgen und zwei Aufträgen für Supraportenbilder sicher in Verbindung gebracht (s. Werkliste der Fresken). Hier stellt der Auftrag für die Ausmalung des Mittelschiffs und der Seitenschiffe von St. Nikolaus in Scheer der umfangreichste dar und ist auch in seiner Ikonografie einzigartig im Œuvre Esperlins.
[1] Außer der 1938 erschienenen Dissertation „Joseph Esperlin. Ein Maler des Spätbarock (1707–1775)“ von Angela Pudelko, verfasst an der Johann Wolfgang Goethe Universität zu Frankfurt am Main, geben lediglich eine 1970 organisierte kleine Ausstellung im Braith-Mali-Museum in Biberach, an der die Verfasserin ebenfalls mitwirkte, und einschlägige Lexikoneinträge (Thieme Becker 1915, 35, ADB 4/1959, 656; AKL XXXV/2003, 90; e-HLS 2004) Einblick. Dieses Defizit erkennend beschäftigt sich aus einer biografischen Sichtweise im Moment Barbara Ohnemus im Rahmen ihrer Dissertation am Kunstgeschichtlichen Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit dem Künstler.
[2] Während sein Geburtsort archivalisch belegt ist, ist Füsslis Angabe zu Esperlins Geburtsjahr bis heute unbestätigt. Vgl. Füssli 1779, Pudelko 1938, 10.
[3] 1708 wurde in Ummendorf, wohin die Familie kurze Zeit später umgezogen ist, Esperlins Schwester Ida geboren. Vgl. Pudelko 1938, S. 74, Anm. 6.
[4] Vgl. AKL XXXV/2003, 90.
[5] Altarbilder aus dieser Zeit bezeugen seinen längeren Aufenthalt in Biberach an der Riß. Jedoch sein Wirkungsort und vor allem sein Schaffen der Jahre 1744 und 1745 sind bis heute ungeklärt. Vgl. Pudelko 1938, 11; AKL XXXV/2003, 90.
[6] 1731 hat Johann Baptist Zimmermann dort die Erdteile gemalt und Esperlin 1746 Steinhausen bei Schussenried, SS Peter und Paul: Tod des heiligen Joseph; Rosenkranzspende, 1746.
[7] Die Chronik belegt die Aufstellung der Altargemälde für das Jahr 1746.
[8] So malte er das Langhaus und die Seitenschiffe aus. Für das Jahr 1752 sind dann noch Altarblätter von Esperlin für den Josephsaltar und St. Leonhardaltar in den Seitenschiffen belegt. Vgl. Bleicher 1986, 203, 206; Knapp 1996, 140.
[9] Ein Ratsprotokoll der Stadt Basel aus dem Jahr 1760 nennt ihn mit zwei Töchtern und zwei Söhnen. Vgl. AKL XXXV/2003, 90.
[10] Barbara Ohnemus nennt als Erste 1776 als mögliches Todesjahr. Jedoch Angela Pudelko zitiert in ihrer Dissertation von 1938 zwei Bittschriften der Witwe an die Solothurner Baukommission, wovon die erster auf den 12. März 1775 datiert. Was wiederum ein terminus ante quem darstellt. Vgl. Pudelko 1938, 13; AKL XXXV/2003, 90.
[11] Sein Sterbeort ist unbekannt und wird in der Literatur kontrovers angegeben. ThB XI/1915, 35; Pudelko 1938, 13; ADB 4/1959, 659, AKL XXXV/2003, 90, e-HLS 2004.
[12] 1765 Baitenhausen: Himmelfahrt Mariä, 1765 (ehem. Hochaltar-Bl.der Schloß-Kap.zu Heiligenberg).
[13] Vgl. Pudelko 1938, 12; AKL XXXV/2003, 90.
[14] Vgl. Pudelko 1938, 13 und 75, Anm. 22.
[15] Vgl. AKL XXXV/2003, 90.
[16] Vgl. Pudelko 1938, 13 und 1970, o. S.; Beck 1997, 6.
[17] Vgl. Pudelko 1938, 26. Einblicke in Bedeutung und Funktion von Künstlersignaturen gibt das umfangreiche Werk von Tobias Burg, Die Signatur. Formen und Funktionen vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert, Berlin 2007.
[18] Vgl. Hosch 1987, S. 45 Anm. 4.
Zuletzt aktualisiert am: 27.02.2016