Joseph Franz von Waldburg-Wolfegg-Wolfegg Zitieren
* 14. Sep 1704, † 29. Apr 1774,
Vier Jahre nach der Eheschließung und nach drei Töchtern[1] gebar am 14. September 1704 Maria Anna, geb. Schellenberg (1681–1754), den lang ersehnten Erben des Hauses Waldburg-Wolfegg-Wolfegg: Joseph Franz Leodegar Anton Eusebius. Sein Vater war Ferdinand Ludwig (1678–1735). Über seine Kindheit ist nichts Definitives zu sagen. Vermutlich absolvierte er zunächst ein Jesuitengymnasium, um dann im Anschluss auf eine Universität, Ritterakademie[2] und/oder auf eine Kavalierstour zu gehen, um vor allem seine sozial-politischen Fertigkeiten, die sogenannte „Hofeszucht“[3] zu erwerben und/oder zu verfeinern.[4] 1735 folgte Joseph Franz seinem im April verstorbenen Vater als Landesherr. Mit den Testamenten seines Vaters und seiner Mutter von 1730 war das Erbrecht der Erstgeburt sowohl für die Herrschaft Wolfegg als auch für die Herrschaft Kißlegg[5] festgeschrieben worden.[6] Hierdurch wurde eine weitere Zerstückelung und Dezimierung des Besitzes in jeder Hand und folglich eine Schwächung des Ansehens und Bedeutung des Hauses Waldburg verhindert.[7] In Bezug auf die Herrschaft Kißlegg fiel diese ihm erst gänzlich nach dem Tod der Mutter 1754 zu. Zu ihren Lebzeiten – wie im Heiratspakt vom 21. Januar 1700 festgelegt – flossen die Erträge in das Familienvermögen.[8]
Noch im Herbst desselben Jahres heiratete Joseph Franz die Altgräfin und ehemalige Canonissin von St. Ursula in Köln Anna Maria Luise zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1712–1760), eine Nichte seiner Großmutter Maria Ernestine, geb. Salm-Reifferscheidt (1657–1723). Mit ihr hatte er 14 Kinder. Nach ihrem Tod heiratete er 1761 im Alter von 56 Jahren die dritte Tochter von Friedrich Anton Marquard (1700–1744) und Nichte des damaligen Landesherren Fürstbischof Franz Karl Eusebius, Maria Adelheid Franziska von Waldburg-Trauchburg-Kißlegg (1729–1787). Die Residenz der Familie war seit jeher das Renaissanceschloss Wolfegg.
Der katholischen Gesinnung sowie Baulust seiner Familie[9] entsprechend ließ Joseph Franz eine Reihe von Neubauten und Barockisierungen in seiner Herrschaft durchführen, denn anders als der jakobinische Familienzweig war Wolfegg finanziell abgesichert.[10] Gleich zu Beginn seiner Herrschaft wurden in den Kirchen St. Katharina und Franziskus in Wolfegg (Neubau 1733–1742) und St. Gallus und Ulrich in Kißlegg (Neubau 1734–1738) gebaut.[11] In der Rolle des Bauherrn ist sicherlich nicht nur Joseph Franz, sondern auch seine Mutter Maria Anna zu sehen. Für beide Kirchen wurden für Bauleitung, Stuckierung und Freskierung dieselben Künstler verpflichtet: Johann Georg Fischer, Franz Anton Erler[12] (~1700–1756) und Johann Schütz (<1704–1756).[13] So bezeichnete Erler Joseph Franz in einem Briefwechsel als einen „berühmten Kunstkenner“ [14]. Unter Joseph Franz wurden in den Folgejahren die Spitalskapelle St. Anna in Neutann (1738–1742)[15], die Pfarrkirche St. Magnus in Waldburg (1748) sowie der Rittersaal in Schloss Wolfegg[16] (1748/49) neu gebaut, erweitert beziehungsweise ausgestattet. Im Rittersaal setzte er fast fünfzig Jahre später das Werk fort, das seine Großmutter Maria Ernestine, geb. Salm-Reifferscheidt (1657–1723) im Rahmen der ersten Ausstattungsphase von 1691 bis 1700 begonnen hatten (s. ausführlich ikonografisch-ikonologische Bildanalyse).
Mit dem Tod von Fürstbischof Franz Karl Eusebius von Waldburg-Trauchburg 1772 starb die jakobinische Linie aus. Deren Besitzungen in Friedberg-Scheer und Trauchburg-Kißlegg wurden nach langwierigen Erbauseinandersetzungen unter den verschiedenen Familienzweigen aufgeteilt. Joseph Franz teilte sich in Form eines Kondominats die Verwaltung der Herrschaft Friedberg-Scheer, bis zu deren Verkauf 1786 an die Fürsten von Thurn und Taxis mit den anderen Familien der Wolfegg-Waldsee und Zeil-Wurzach. Die Trauchburger Hälfte Kißleggs ging an die Linie Zeil-Zeil. Joseph Franz selber starb zwei Jahre später am 29. April 1774.
[1] Hierbei handelt es sich um Maria Anna Theresia Ottilia Eusebia (1700–1755), Maria Theresia Josepha Felicitas (1702–1755) und Maria Antonia Franziska Eusebia Felicitas (1703–1760). Während Maria Anna und Maria Antonia Klöstern beitraten, heiratete Maria Theresia in erster Ehe 1722 ihren Kißlegger Nachbar Johann Ernst II. von Waldburg-Trauchburg-Kißlegg (1695–1737) und in zweiter Ehe 1742 Joseph Ignaz von Welsperg zu Primör und Langenstein (1702–1760). Vgl. ESTA V, Tafel 155.
[2] Vgl. Conrad 1982.
[3] Hierbei handelt es sich um die zentrale Fertigkeit die Regeln und Tricks im Umgang mit den Mächtigen zu erlernen, anzuwenden und letztlich in gesellschaftliche Netzwerke Eingang zu finden wie auch selber welche aufzubauen. Vgl. Paravicini 2005, 662.
[4] Sein Vater studierte von 1690 bis 1699 in Dillingen, Innsbruck, Prag, Salzburg und in Italien. Im seinem 1730 verfassten Testament betont Franz Ludwig explizit die Notwendigkeit einer Ausbildung, der Erlernung von Sprachen und einer Kavalierstour. Der Erbe, sprich Joseph Franz, sei im Falle des Todes des Vaters als Vormund für die Finanzierung dieses Lebensabschnittes seiner Geschwister verantwortlich. Vgl. Waldburg-Wolfegg 1961, 34; Rauh 1971, 158.
[5] Die Herrschaft Kißlegg war schon seit dem 14. Jahrhundert geteilt. Der sogenannte Paumgartische Anteil gehörte seit dem 17. Jahrhundert der Waldburg-Trauchburger Linie. Mit der Heirat der Erbin des Schellenbergischen Anteils, Maria Anna im Jahre 1700 gelangte der Waldburg-Wolfegg’sche Familienzweig in den Besitz der anderen Hälfte Kißleggs.
[6] Für die Linie Wolfegg-Wolfegg hat der Großvater von Joseph Franz, Maximilian Franz Eusebius (1641–1681) bereits 1677 testamentarisch das Erbrecht der Erstgeburt für diese Linie verfügt. Jedoch erst wurde 1730 wurde eine Primogeniturordnung festgelegt, jedoch Die ersten die solch eine Ordnung eingeführt haben, war 1686 die Linie Zeil-Zeil und dann 1706 Zeil-Wurzach. Für beide Familienzweige der Jakobinischen Linie wurde 1724 die Erbteilung zugunsten des Erstgeborenen geregelt. Vgl. Rauh 1971, 140–153, 156, 163.
[7] Joseph Franz hatte noch drei jüngere Brüder Johann Ferdinand (1705–1773), Maximilian Heinrich (1710–1758) und Karl Eusebius (1717–1798). Der ältere Bruder Johann Ferdinand hat die kirchliche Laufbahn eingeschlagen und hatte nach einem Studium in Rom am Collegium Germanicum 1735 ein Kanonikat am Kölner Domkapitel inne. Vgl. ESTA V, Tafel 155.
[8] Vgl. Rauh 1971, 162.
[9] Die wichtigsten Bauprojekten sind: in Kißlegg die Gottesackerkapelle St. Anna (Neubau 1718/19), die Kapelle des Heiliggeistspitals (Weihe 1723) und das Alte Schloss (1717–1721), in Neutann das Spital (1718–1733) und in Wolfegg die Loretokapelle (Erweiterung 1706/07) und das Schloss (Ausstattung 1691–1700). Vgl. Weber 1989, 2.2.; Kullen 2002, 24–32; Mayer 2006, 255–264. Fälschlicherweise hat Beatrice Weber die 1748 veranlasste Erweiterung der Kirche St. Magnus in Waldburg mit Franz Ludwig in Verbindung gebracht. Jedoch war dieser zu diesem Zeitpunkt bereits seit 13 Jahren verstorben. Der Neubau beziehungsweise Umbau der Kirchen in Neutann (1732/1738–1742), Wolfegg (1733–1742) und Kißlegg (1734–1738) wurde zwar unter der Herrschaft des Vaters initiiert, jedoch unter der des Sohnes vollendet.
[10] Zum finanziellen Polster trug besonders die Mitgift und das Erbe der reichen Herrschaft Kißleggs bei, die durch die Heirat der Schellenbergischen Erbin Maria Anna und Franz Ludwig von Waldburg-Wolfegg-Wolfegg 1700 beziehungsweise 1708 in die Familie kam. Vgl. Mayer 2006, 255.
[11] Vgl. KDV Waldsee 1943, 284 (Wolfegg); KDV Wangen 1954, 193 (Kißlegg); Rauh 1951, 236f., Sauermost 1965, 98–103 (Kißlegg, Kirche), 104–122 (Wolfegg, Kirche); Mayer 2006, 258–260 (Wolfegg, Kirche).
[12] Malte in Ottobeuren im Treppenhaus 1728 Erdteile.
[13] Zu erweitern ist diese Liste in Wolfegg um den Freskanten Franz Joseph Spiegler (1691–1757) und in Kißlegg um Erlers Gehilfen Benedikt Gambs (~1703–1751).
[14] Weber 1989, 2.2., Anm. 10. Gesamtarchiv, Briefwechsel.
[15] Auch für diesen Bau wurde Fischer und Erler verpflichtet. Erste Gespräche mit Johann Georg Fischer wurden bereits 1732 geführt. Der eigentliche Bau ist aber erst zwischen 1738 (fünf Risse) und 1742 (Weihe) anzusetzen. Vgl. KDV Waldsee 1943, 178; Rauh 1951, 236f.; Sauermost 1965, 79.
[16] Zur Baugeschichte des Schlosses Wolfegg siehe KDV Waldsee 1943, 295–305; Kullen 2002, 24–32.
Zuletzt aktualisiert am: 17.06.2016