Augsburg (Augsburg), Palais Heiss (heute Maximilianmuseum) Zitieren
Das 1700 fertiggestellte Fresko von Melchior Steidl im Festsaal des heutigen Maximilianmuseums besticht zunächst durch die üppige Scheinarchitektur, die durch aufwendige Kolonnaden, Arkaden und Skulpturen gegliedert wird. Nach oben hin ist der rechteckige Raum illusionistisch geöffnet und gibt so den Blick auf den Himmel und die auf Wolken platzierte antike Götterwelt frei. Das irdische und himmlische Geschehen beherrscht Jupiter in der Deckenmitte, symbolisiert durch die Wolken und die von drei Putti gehaltene Erdkugel. Rings um ihn haben sich Neptun nebst Luna, der Göttin des Mondes, ihrem Gegenstück Aurora, Göttin der Morgenröte, in Begleitung von Nymphen, Putti und einem weißen Pfau versammelt. An diese Gruppe reiht sich jene der Fruchtbarkeitsgottheiten Venus, Bacchus und Ceres umgeben von Grazien. Den Kreis um Jupiter beschließen Herkules, Vulkan und Merkur.
Auf der irdischen Zone, in den vier Ecken der Scheinarchitektur vor den Kolonnaden, sind in mit steinernen Fruchtgirlanden, Putti und weiteren Assistenzfiguren aufwendig gestalteten Nischen auf Sockeln vier Statuen der Erdteile Europa, Asien, Afrika und Amerika angebracht, vor ihnen tummeln sich liegend, sitzend und kauernd verschiedene reale tierische und menschliche Bewohner der einzelnen Erdteile. Die Statue der Europa zeigt eine Frauengestalt. In der rechten Hand hält sie das schmale Ende eines umgekehrten Füllhorns, das bis oben hin mit allerlei Früchten gefüllt ist. Mit der linken Hand hält sie einen Lorbeerkranz hoch. Ihr langes gewelltes Haar, das sie offen hinter die Schultern gestrichen trägt, wird von einer geschlossenen Krone geziert. Am Fuß des Denkmals flankieren ein Pferdebändiger sowie eine barbusige Frauengestalt die edle Gestalt Europas. Der junge Mann, lediglich mit einer Decke bekleidet, hält ein sich aufbäumendes Pferd am Zügel. Die mit einem Blumenkranz geschmückte Frau dagegen ruht entspannt inmitten verschiedenster Gegenstände: Korbwaren, Bücher, beschriebene Blätter, aber auch bereits transportfertig gemachte, in Jute gehüllte und geschnürte Waren sowie Weintrauben, Melonen und Äpfel. Hinter ihr begleitet sie ein Putto, der einen Korb voller Weintrauben auf dem Kopf balanciert.
Asia wird ebenfalls von einer weiblichen Gestalt personifiziert. Sie ist in eine bis zum Sockelboden reichende Toga mit langen, weit geschnittenen Ärmeln gehüllt, die an der Taille durch einen metallenen Gurt gehalten wird. Auf ihrem Kopf trägt sie einen Turban, der stirnseitig mit einer Feder an einer Brosche fixiert geschmückt ist. In der rechten Hand hält Asien ein an drei dünnen Ketten befestigtes Weihrauchgefäß, während sie in der linken einen Fliegenwedel über ihre Schulter gelegt hat. Zu Füßen der Statue, an den Voluten ihres Sockels gelehnt, finden sich zwei irdische Bewohner in osmanischer Tracht mit Turban. Die Gestalt zur Rechten Asiens umfasst mit seinen Händen ebenfalls ein Weihrauchfass, dessen aufsteigender Rauch die Statue umhüllt. An den Armgelenken und Ohren trägt er Perlen. Unter dem violetten Kaftan des Jünglings ist er in einem weißen Hemd mit weiten Ärmeln und einer weiten Pluderhose in derselben Farbe, aber zusätzlich mit spiralförmig verlaufenden rot-goldenen Streifen verziert, gekleidet. Rings um ihn liegen ein Blechblasinstrument, ein Turban, ein mit Pfeilen gefüllter Köcher, ein Zepter sowie ein rückseitig dargestellter Schild. Sein Kompagnon auf der anderen Seite des Sockels wird stattdessen von einem Kamel begleitet. Seine Kleidung besteht aus einem Turban, einem roten Kaftan, einem weißen Hemd mit blauen dünnen Streifen, einer grünen, eng anliegenden Hose, einem blauem Tuch um die Hüfte und braunen Pantoffeln. Zu seinen Füßen ist ein goldenes Weihrauchfass platziert, aus dem ebenfalls Rauch aufsteigt.
Die Nischenstatue Afrikas ist barbusig mit einem kurzen Federrock, um den in der Taille ein in Falten gelegtes Tuch geknotet ist, dargestellt. Ihr kurzes welliges Haar wird von einer hohen Federkrone, die stirnseitig mit Edelsteinen verziert ist, bedeckt. Perlen werden von Afrika nicht nur um den Hals getragen, sondern schmücken zu Ohrringen und Armreifen verarbeitet das Antlitz der Statue. Um ihren Oberkörper ist schräg der Gurt ihres am Rücken getragenen Köchers mit Pfeilen gelegt, und auf ihrer rechten Hand, die sie angewinkelt nach oben hält, klettert eine Meerkatze. Die realen Vertreter Afrikas sind zwei dunkelhäutige, halb nackte, männliche „Wilde“ mit krausem schwarzem Haar. Als Begleiter hat ihnen der Künstler einen Löwe sowie einen Elefanten zur Seite gestellt. Auch sie führen Köcher mit Pfeilen sowie Perlen mit sich und tragen über ihrem Federrock ein wallendes Tuch.
Amerika, die letzte der vier Erdteile, steht, beide Arme nach oben haltend, barbusig in ihrer Nische. In der linken Hand hält sie einen langen Speer, während in der rechten ein Papagei sitzt. Ihr Kopf ist mit einem aus einem Band entspringenden Federdiadem gekrönt, ihre Ohren sind mit Edelsteinen geschmückt. Um die Taille trägt Amerika einen breiten Gürtel, aus dessen unterem Saum lange Federn ihren Bauch bedecken. Ein überlanges Tuch, in Falten um Beine und Schultern gelegt, wird von einem quer über den Oberkörper verlaufenden Gurt sowie dem Federgürtel um die Taille gehalten. Rechts und links ihres Sockels ruht beziehungsweise kniet eine weibliche und männliche Gestalt, die ebenfalls bis auf einen gefederten Lendenrock, ein Tuch, Schnürsandalen und kostbare Edelstein- und Perlenschnüre unbekleidet sind. Die junge Frau lehnt auf einer Decke an einem in Jute gepackten und geschnürten Paket. Ein blauer Sonnenschirm in ihrer rechten Hand beschützt sie vor der Sonne. Zu ihren Füßen befindet sich ein geflochtener Korb, unter dessen losem Deckel Perlen und edle Stoffe hervorquellen. Ein Ara und ein Graupapagei haben es sich auf dem Deckel bequem gemacht. Ihr Gefährte links von ihr kniet auf einem braunen Stoffballen. Er wühlt in einer vor ihm stehenden Kiste voller Perlen, Korallen und edler Stoffe. Seine Aufmerksamkeit gilt aber nicht den Kostbarkeiten vor ihm, sondern dem Betrachter, zu dem er sein Gesicht gewendet hat. Über ihm, auf der Volute des Sockels, sitzt ein Kapuzineräffchen mit einer Orange (?) in der Hand.
Mittelbild Zeus im Götterhimmel und in der Scheinarchitektur die vier Erdteile
Zuletzt aktualisiert am: 09.03.2017