Buggenhofen (Dillingen a. D.), Mariä Himmelfahrt Zitieren
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Im Langhaus der Wallfahrtskirche schwebt Maria stehend auf einer Weltkugel auf einer Wolkenspirale am Firmament. Unter ihr auf Erden hat sich auf einer Treppe die Menschheit, vertreten durch die Personifikationen der vier Erdteile, versammelt. Maria ist in einem langen weißen Gewand mit einem goldenen über der Brust gekreuzten Gürtel gekleidet. Gerafft an den Ärmeln und schräg geschnitten am Rock, wird das Purpur des Untergewandes sichtbar. Der blaue Himmelsmantel umflattert sie. Nicht als Mutter oder Magd des Herrn, sondern als Königin des Himmels, ausgestattet mit Krone und Zepter, tritt sie dem Betrachter entgegen. Die Sternengloriole sowie ein Lilienzweig, der ihr links im Bild von einem Engel gereicht wird, sind Zeichen ihrer Unbefleckten Empfängnis. Auf der Weltkugel liegt oben auf eine Mondsichel, auf der Maria in Referenz zum Darstellungstypus der Mondsichelmadonna steht. Die Weltkugel selber wird von Engel getragen. Weitere Engel krönen sie mit einem Lorbeerkranz, musizieren und verkünden ihren Ruhm mit einer Trompete.
Als stille Betrachter dieser Himmelserscheinung fungieren die Vertreter der vier Erdteile. Im Zentrum steht Europa. In ihrem Habit (Krönungsmantel, wallendes Kleid, goldenes Mieder, Krone, Zepter) und ihrer Physiognomie (weiblich, hellhäutig, blondes Haar, wohlgenährt) gleicht sie einem Mitglied des Herrscherhauses. Während ihr Mantel von zwei Pagen gehalten wird, liegen zu ihren Füßen auf den Treppenabsätzen weltliche (Kronen, darunter die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches, der Reichsapfel, Zepter) und geistliche Insignien (Tiara, Mitra, Kardinalshut, Schlüssel Petri). Begleitet wird sie von einem Schimmel, der von einem Untertan am Halfter gebändigt wird, und links am Bildrand von der Allegorie der Fruchtbarkeit und Überflusses, aus dessen Füllhorn sich Obst, Gemüse und Blumen ergießen. Auf der Front ihres goldenen Mieders ist der Doppeladler zu erkennen, was wiederum wie auch die Kaiserkrone vermuten ließe, dass hier auf die zur Zeit der Ausmalung herrschenden Maria Theresia verwiesen werden sollte (siehe ausführlich zum Beitrag Identifikation).
Afrika befindet sich direkt hinter den Pagen Europas. Das Schwarz ihrer Hautfarbe und das Grün ihres wallenden Gewand-Umhangs heben sich von der weißen Palastarchitektur hinter ihr ab. Das Gewand lässt ihre Brust sowie rechte Seite komplett unbedeckt. Eine aus einzelnen Goldplatten bestehende Kette hängt diagonal über ihre Brust und schmückt auch als Band ihren rechten Oberarm. Während sie als Ausdruck ihrer Liebe zu Maria ihre linke Hand auf ihr Herz gelegt und ihren Blick nach oben zu Maria erhoben hat, entsendet beziehungsweise empfängt sie mit ihrer linken erhobenen Hand einen Papagei. Die Köpfe zweier Pagen sind neben und hinter ihr zu sehen. Sie stehen ihr zu Diensten, in dem sie unter anderem einen Sonnenschirm über sie halten. Auf dem Kopf trägt die Vertreterin Afrikas das seit der Antike tradierte Attribut der Elefantenexuvie. Sie ist prächtig mit weißen Perlenschnüren geschmückt.
Auf der anderen Seite der Weltkugel, die sich zwischen Europa und ihrem Pferd zentral im unteren Bildfeld befindet, kniet beziehungsweise steht Asia und Amerika. Asia ist in ihrer Komposition vergleichbar zu Europa. Sie ist in Begleitung zweier Pagen, die die Schleppe ihres Brokatmantels halten, und ein weiterer Begleiter in Rückenansicht führt ein Kamel am Geschirr. Sie ist ebenso hellhäutig und prächtig wie auch reich gekleidet mit einem langen Gewand, dessen Borte mit Gold bestickt ist, und einem Mieder mit dem Symbol der strahlenden Sonne. Ein Turban rundet die Kleidung der Asia ab. Der osmanische Halbmond krönt sowohl ihren Turban wie auch als Anhänger ihre Goldkette, die ihren Hals ziert. In den Händen hält sie ein Zepter und ein Weihrauchgefäß, dessen süßer Duft in den Himmel zu Maria steigt. Zu ihren Füßen auf einem tief roten Teppich stehen ein Teeservice und ein Pfeifenkorb. Ein runder Bottich gefüllt mit Gewürzen (?) steht neben ihr.
Am äußersten rechten Bildrand schließt die Personifikation Amerikas die Runde der bekannten Erdteile ab. Sie ist wie alle weiblich, aber in Dreiviertelsicht wiedergegeben. Aufrecht wendet sie dem Betrachter fast den Rücken zu und hat ihre ganze Aufmerksamkeit wie keine andere auf die Himmelskönigin gerichtet. Sie trägt ein hochgeschlossenes, tailliertes Gewand und einen voluminösen roten Mantel darüber. Das Rotbraun ihrer Hautfarbe ist nur am Gesicht sowie am linken Arm, wo die zwei Schichten ihres Untergewandes mit einer Brosche gerafft sind, zu erkennen. Während ihre rechte Hand auf ihrem Herzen liegt, umfasst die linke Hand ein Zepter. Ein Goldamulett ist an ihrer Brust befestigt und hängt seitlich herab. Ein mit Perlen besetzter Reif, an dessen Stirnseite rote Federn angebracht sind, schmückt ihr Haar. Begleitet wird sie von einem Krokodil, einem Mann sowie zwei Pagen. Der eine schützt sie mit einem Sonnenschirm, der andere hält eine Schale mit Korallen.
Für weiterführende Informationen siehe in der rechten Seitenleiste den Glossarbegriff „Himmelskönigin und Maria Immaculata“ und „Zur Doppelbelegung Europas“
von West nach Ost:
EINGANGSBEREICH
Verkündigung an die Hirten
EMPORE
- unten [EG]: die heilige Sippe
- Brüstung [von links nach rechts]:
- unten: Verkündigung Mariens – Heimsuchung – Darbringung Jesu im Tempel
- oben: Tempelgang Mariens – Maria Immaculata – Vermählung Mariens
LANGHAUS
- nördliche Abseite: Auffindung der Gnadenstatue
- nördliche Seitenbilder:
- Erhabenheit: Maria mit Arche, die auf einem Berg gelandet ist – Tu supergressa es universas, Prov. 31
- Schönheit: Maria betrachtet eine Blume und hält einen Spiegel – Deocra nimis Virgoque Pulcherrima, Gen. 24
- Frömmigkeit: Maria mit rauchender Opferschale, über ihr ein Schlüssel am Himmel – Sicut incensum in conspectu suae, Luc 1
- Mittelbild:
- Geburt Mariens
- Verherrlichung der Himmelskönigin durch die vier Erdteile
- südliche Seitenbilder:
- Herrscherwürde: Thronende Maria – Positusque est thronus matri Regis, 3 Reg 2
- Gehorsam: Maria hält ein Joch, darauf stehend „Suave“ – Meditatur obedientiam, Prof. 15
- Demut: Maria in Begleitung eines Lammes – Respexit humilitatem ancillae suae, Luc 1.
- südliche Abseite: Verehrung des Gnadenbildes
CHORBOGEN
Wappen des Patronatsherren der Fürsten zu Oettingen-Wallerstein
CHOR
- Nördliche Seitenbilder:
- die hoffende Maria (Anker) – Spes mea in Deo, Ps. 61
- die liebende Maria (brennende Kerze, Flamme auf dem Kopf, Pfeil) – Amore Langueo, Cant. 2.
- die gütige Maria (Füllhorn, Brunnen) – Imago Bonitatis Illius, Sap. 7
- Mittelbilder:
- Krönung Mariens in Kombination mit Himmelfahrt Mariens
- Marienmonogramm
- südliche Seitenbilder:
- die starke Maria (Helm, Rüstung, Säule) – Mea est Fortitudo, Prov:.
- die tugendsame Maria (Taube, Szepter, brennende Kerze, Blumenkranz, Schlange) – Secundum Puritatem, Ps. 17.
- die gläubige Maria (Buch, Herz, brennende Kerze, Kelch, Hostie, Gesetzestafeln) – Mysterium Fidei, I. Timoth, 3.
1905/1906: Innenrenovierung
1949 Instandsetzung des Turms
1954 Außenrenovierung
- Verlust der Sonnenuhrmadonna
- Verstärkung der Fundamente
1971–1974 Außen- und Innenrenovierung: Wiederherstellung der barocken Farbigkeit
1976 Anbringung einer neuen Sonnenuhr
Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (282f.):
Das Altdorfer Programm von Matthäus Günther war Enderle wohl bekannt.[1] Denn das Langhausfresko der Wallfahrtskirche von Buggenhofen, das Enderle 1769 malte, stellt in großen Teilen eine getreue Kopie des Langhausfreskos in Altdorf dar. Enderle hält sich neben der Himmelsgruppe rund um die Maria Immaculata auch bei der Europa- und Asiagruppe eng an das Vorbild. So „vergisst“ er weder das Teeservice und den Pfeifenkorb auf der untersten Treppenstufe zu Füßen der Asia noch die weltlichen und geistlichen Insignien Europas auf derselben Ebene oder den Mann mit dem Füllhorn voller Früchte links außen. Bei Afrika und Amerika behält er zwar ihre flankierende Positionierung am rechten und linken Bildrand bei, allerdings greift er auf bewährte Figurentypen zurück: die Sontheimer Afrika und die Limbacher Asia, wobei er Letztere stärker für seine Zwecke anpasst. Enderle gelingt es im Gegensatz zu Günther, ein stärkeres Gemeinschaftsgefüge zu schaffen. Durch das ovale Bildformat, das Günther zwang, die Erdteile „aufgeklappt“ anzuordnen, wirkt Günthers Komposition zweidimensionaler, auseinandergerissener, und die Gruppen erscheinen isolierter voneinander, während die Erdteilgruppe in Buggenhofen in dem langrechteckigen Bildformat horizontal auf derselben Ebene verteilt ist, wodurch die Figuren viel vertrauter miteinander kommunizieren und den Botschaftsgehalt der Gemeinschaft der Gläubigen betonen.
[1] Karl Ludwig Dasser vermutet, dass Enderle entweder das Programm selbst gesehen hat, als er 20 Kilometer nördlich die Pfarrkirche in Ketterschwang ausgemalt hatte, oder ihm ein Stich als Vorlage gedient haben mag. Während vom Altdorfer Chorfresko sowohl ein Stich im Würzburger Kupferstichkabinett als auch ein Entwurf in der Staatlichen Sammlung Aschaffenburg erhalten sind, sind vom Langhausfresko keine Aufzeichnungen überliefert. Ein Verlust ist im Bereich des Möglichen, allerdings erscheint mir aufgrund des Detailreichtums des Vorbildes und des hohen Übereinstimmungsgrades eine persönliche Kenntnis des ausgeführten Werkes in Altdorf wahrscheinlicher.
Komplettes Verzeichnis der in der Dissertation verwendeten Literatur findet sich in der Datenbank unter Bibliografie > Dissertation.
In einer gemeinsamen Anstrengung entschieden 1767 der Patronatsherr, die gräfliche Familie Oettingen-Wallerstein, gemeinsam mit dem Abt des Benediktinerklosters Deggingen, Michael Dobler OSB (reg. 1743–1771), die Kirche „mit einer feinen Stocatorarbeit und inwendiger Vergoldung gezieret, nicht weniger von einem in der Malerei geübten Meister in fresco“[1] ausmalen zu lassen. Im nun folgenden Wettbewerb konkurrierten „Landeskinder“ und „Fremde“.[2] Die Stuckarbeiten wurden dem einheimischen aus Neresheim stammenden Laurentin Hieber übertragen. Für die Ausmalung bewarben sich Johann Baptist Anwander aus Lauingen, Johann Baptist Enderle aus Donauwörth sowie Aloys Schweigländer von Wallerstein. Aufgrund der Unerfahrenheit des Letzteren in der Technik des Freskomalens sowie des zu hohen Preises Anwanders[3] erhielt Johann Baptist Enderle den Zuschlag für 300fl. Nicht zuletzt hatte auch der Mann vor Ort, der Oberamtmann zu Bissingen, Richard Wachter, in einem Schreiben an die Gräfin Julliana Charlotte von Oettingen Wallerstein geraten, diesen zu nehmen, eben nicht nur weil er „wohlfeiller, sondern auch dem Vernehmen nach in der Mahlerey geschickter“[4] sei.
[1] Brief von Richard Wachter, Oberamtmann und Hofrat der Herrschaft Bissingen, an Juliana Charlotte Gräfin von Oettingen-Wallerstein vom 24.12.1767, zitiert nach: Rückert 1917, 109.
[2] Im Auswahlprozess wurde besonders darauf geachtet „in allweg auf ein Landeskind mehrers zur reflektieren“ (Protokoll der Wallerstein’schen Rentkammer, zitiert nach Rückert 1917, 110 Anm. 54.
[3] Enderle unterbot Anwander mit 50 fl.
[4] Vgl. Brief von Richard Wachter, Oberamtmann und Hofrat der Herrschaft Bissingen, an Juliana Charlotte Gräfin von Oettingen-Wallerstein vom 24.12.1767, zitiert nach: Rückert 1917, 109, zitiert nach: Rückert 1917, 110 Anm. 55.
Zuletzt aktualisiert am: 01.12.2015