Burghausen (Altötting), Kolleg Zitieren
Die Aula nimmt die beiden oberen Stockwerke des Kollegiums ein. Der längsrechteckige genordete Saal wird von Fenstern und darüberliegenden Oculi beleuchtet. Das theologische Gesamtprogramm des Saales war ursprünglich in drei Bereiche untergliedert: Erstens in den Altar mit dem Hauptbild Mariä Verkündigung,[1] zweitens die Deckenfresken mit „drei Szenen aus dem ,Marienlebenʻ“ und drittens die Gemälde mit Heiligen an den Seitenwänden.[2] Der Saal wurde im 18. Jahrhundert als Fest- und Theatersaal des Kollegs sowie als Versammlungssaal der Marianischen Kongregation der Herren und Bürger genutzt.[3]
Noch heute werden die länglichen Fresken von konkav und konvex schwingenden Stukkaturen eingefasst, die vom Eingang im Süden nach Norden die Themen der Aufnahme Mariens in den Himmel, die Geburt Jesu und Maria Immaculata zeigen. Vor jedem Bildfeld ist ein Tondo umgeben von roten Wolken und Goldstrahlen angebracht, auf dem geflügelte Putti mithilfe von Spruchbändern die Themen der Deckengemälde verkünden: „Ein Jungfrau vor der Geburt, ein Jungfrau in der Geburt, ein Jungfrau nach der Geburt“.[4]
Das erste und südlichste Fresko besitzt eine andere Leserichtung als die anderen beiden Fresken, sodass der Betrachter es erst beim Verlassen oder wenn er sich beim Eintritt umdreht, lesen kann. Dieses Fresko mit der Darstellung der Aufnahme Mariens in den Himmel gleicht im Aufbau dem gegenüberliegenden nördlichen Deckengemälde (Maria Immaculata). In der Bildmitte ist Maria mit ausgebreiteten Armen auf einer Wolke stehend und umgeben von Engeln zu sehen. In ihrem weißen Gewand mit dem blauen Umhang hebt sie sich von den rot und grün gekleideten Engeln ab, die sie als „Erlöserin und Herrscherin verehren“, wie das Zepter mit der Lilie in der Hand des linken Engels deutlich macht.[5] Marias linker Fuß steht auf der Mondsichel, ihr Kopf wird von einem Sternenkranz umgeben, während sie ihren Blick nach oben richtet. Dort thront Gottvater mit dem Zepter neben Christus mit den Stigmata und dem Kreuz auf einer Wolkenbank. Beide lehnen sich an die Weltkugel, die sich zwischen ihnen befindet und auf der ein kleines goldenes Kreuz zu sehen ist. Über ihnen schwebt die Taube des Heiligen Geistes vor dem Dreifaltigkeitssymbol.
Unterhalb Mariens hat sich auf den Stufen der Treppe eine Gruppe von zwölf kostbar gekleideten Frauen versammelt. Sie tragen edle Gewänder, ihr Haar ist aufgesteckt und mit Perlen und Geschmeide geschmückt. Jeder von ihnen ist ein Wappen und ein Spruchband mit Inschriften zugeordnet, das sie als „Personifikationen der Städte und Märkte des Rentamts Burghausen […] in einer ikonographisch seltenen und historisch interessanten Darstellung“ zeigt.[6]
Links oben hält der Markt Kraiburg (Marckh Crainburg) sein Wappen, eine goldene Krone auf blauem Grund, empor. Unter ihm sitzt die Personifikation des Marktes Ried (Marckh Ried), dessen Wappen ein Stiefel auf rotem Grund, darüber ein Stab mit drei Weinblättern darstellt. Diese Personifikation hält ein weiteres Wappen in der Hand, den Flößerhaken auf blauem Grund, der dem Markt Marktl (Marckh Märcktl) zuzuordnen ist. Davor kniet die reich gekleidete und geschmückte Figur der Stadt Braunau (Statt Braunau). Ihr Wappen steht vor ihr: heraldisch links der Löwe und rechts die blauweißen Rauten. Daneben steht ein geflügelter Genius, der das Wappen für die kostbar gekleidete Dame mit dem blauweißen Rautengewand hält. Auf dem Wappen ist auf blauem Grund eine Burg mit drei Türmen zu sehen. Das Spruchband macht deutlich, dass es sich bei dieser Personifikation um die Stadt Burghausen handelt (Churftl. Regirungs und Haubt Statt Burghaußen), deren Ruhm der Genius mit der Fama-Posaune in seiner Linken verkündet.
Zwischen Braunau und Burghausen ist der Kopf einer weiteren weiblichen Figur zu sehen, die das Wappen des Marktes Mauerkirchen (Marckh Maurkhirchen), eine Kirche auf blauem Grund, in Händen hält. Auf der gegenüberliegenden Seite, rechts von Burghausen im Hintergrund, sind zwei Frauenköpfe, aber nur ein Wappen zu sehen. Dieses zeigt einen weißen Turm auf blauem Grund und gehört dem Markt Uttendorf (Marckh Uttendorf). Vor ihnen kniet, in einem blaugelben Gewand und mit einem Tuch auf dem Kopf die Personifikation der Stadt Schärding (Statt Shärdingen), wie Spruchband und Wappen verraten. Das gespaltene Wappen zeigt heraldisch rechts die Schere, links die blauweißen Rauten. Links von der Stadt Schärding hat sich eine ebenfalls reich gekleidete Frau mit rotem Umhang und einer Art Turban mit Feder und Perlenschnüren auf dem Kopf niedergelassen. Ihr Wappen – drei Türme auf blauem Grund – weisen sie als die Personifikation des Marktes Trostberg (Marckh Drosßberg) aus.
Hinter dieser Gruppe sind noch vier weitere Figuren zu sehen, von denen nur drei ein Wappen in Händen halten. Hinter dem Markt Trostberg blickt der Markt Altham (Marckh Altham) nach oben zu Maria, während ihre Hand auf ihr zweimal gespaltenes Wappen weist. In der Mitte ist eine grüne Schlange zu sehen, heraldisch rechts die blauweiße Raute und heraldisch links der Buchstabe A mit einem Stern auf rotem Grund. Links von ihr steht eine rot gekleidete Frau, die auf Maria über ihr verweist und die ihr Wappen – ein Mond mit einem Stern auf blauem Grund – unter den Arm geklemmt hat. Es handelt sich dabei um die Personifikation Mattighofen (Marckh Mattighoffen). Sie scheint mit der Figur hinter ihr zu sprechen, die in den Händen ihr Wappen präsentiert. Dort ist auf dem gespaltenen rotgelben Schild in der Mitte eine Tanne zu sehen. Es handelt sich um den Markt Tann (Marckh Tann).[7]
Die hier beschriebenen Personifikationen der Städte und Märkte, die sich aus insgesamt drei Städten und neun Märkten zusammensetzen, stehen für „das Rentamt Burghausen, aber auch für die Mitglieder der Marianischen Kongregation im Rentamt“.[8] Neben diesen zwölf Frauenfiguren gibt es noch eine dreizehnte weibliche Figur mit einem goldenen Diadem, die am rechten Bildrand steht, kein Wappen präsentiert, allerdings mit ihrer Hand nach oben weist. Diese Figur gehört nicht zu den Personifikationen der Märkte und Städte des Remtamtes, sondern wird durch den Verweis auf das Gebäude über ihr von Josef Schneider als Ecclesia gedeutet. Das Gebäude, das auf „massiven Grundfesten“ steht und das durch Turm und Satteldach als „christliche[r] Kirchenbau“ gekennzeichnet ist, soll dies belegen. Die links im Hintergrund steil aufragende Pyramide steht bei dieser Lesart für das überwundene Heidentum. Somit ist hier nach Schneider „Ecclesia, die siegreiche Kirche, die über das Heidentum triumphiert und symbolisch in Maria verkörpert wird“, dargestellt.[9]
Innerhalb der Gruppe ragen vier Personifikationen durch ihre prächtigen Gewänder und ihren reichen Schmuck besonders hervor: Es sind dies die Personifikationen von Braunau, Burghausen, Schärding und Trostberg, die auch als die allegorische Verkörperung der vier Erdteile gelesen werden können. So stellt Braunau, reich geschmückt mit Perlenschnüren und einem gestreiften Kopfschleier Amerika, Burghausen mit dem Diadem, den Perlenketten und „bayerischen Fahne als Umhang“ Europa, Schärding mit dem gestreiften Kopftuch Afrika und Trostberg mit dem Turban Asia dar.[10]
Über die Bedeutung der Erdteildarstellungen für die Deckenfresken herrscht Uneinigkeit. So geht Böhm davon aus, dass „Warathi offensichtlich bei der Konzipierung dieser Figurengruppe von Erdteildarstellungen ausging, […] dieser Aspekt ikonologisch hier doch nicht relevant sein“ dürfte.[11] Anders deutet die Darstellung hingegen Schneider, der davon ausgeht, dass die „vier Erdteile […] die weltweite Verbreitung des Christentums [bezeugen], an der die Jesuiten bedeutenden Anteil“ hatten.[12] Bezeichnend an dieser Darstellung der Personifikationen in Burghausen ist sicherlich, dass diese ikonografische Darstellung von Städten und Märkten sehr selten ist.[13] Zugleich ist bezeichnend, welche Städte und Märkte als Erdteilpersonifikationen gewählt wurden. Am deutlichsten wird dies am Beispiel Europas, die hier von der Figur Burghausens repräsentiert wird. Da „die Stellung Europas als erster Erdteil“ bereits im 16. Jahrhundert begründet wurde und Europa trotz Wandlungen in ihrer Ikonografie diese Vorrangstellung beibehält,[14] wird auch die Personifikation Burghausens vor den anderen Personifikationen ausgezeichnet. Insgesamt werden alle vier Personifikationen, die sowohl einen Markt oder eine Stadt als auch einen Erdteil darstellen, vor den anderen Personifikationen hervorgehoben. Eine Hierarchisierung innerhalb dieser Gruppe nachzuweisen, ist schwierig, da alle Erdteildarstellungen reiche Gewänder tragen.[15] Es scheint sich hier eher um eine Auszeichnung der Städte Burghausen, Braunau und Schärding sowie des Marktes Trostberg zu handeln, die parallel zum Bild der Maria Immaculata mit der Darstellung der Vertreter der Stände einen lokalen Bezug zur Marianischen Kongregation der Herren und Bürger in Burghausen herzustellen vermögen.[16]
[1] Der Altar ist heute in der Josephskirche aufgestellt. Vgl. Schneider 1997, 94.
[2] ebenda, 89.
[3] Vgl. CdbM 9/2003, 43.
[4] Vgl. Schneider 1997, 89.
[5] ebenda.
[6] CdbM 9/2003, 50. Cordula Böhm verweist hierbei auf das Werk Michael Wenings aus dem Jahr 1721, in dem die Wappen des Rentamts Burghausen aufgeführt werden. Für die Zuordnung der Wappen an die jeweiligen Märkte siehe ebenda.
[7] Zur Beschreibung der Markten siehe auch CdbM 9/2003, 50; Schneider 1997, 94.
[8] CdbM 9/2003, 50.
[9] Schneider 1997, 94. Schneider schlussfolgert die Sonderstellung dieser Figur auch daraus, dass es sich um die dreizehnte Figur in der Gruppe darstellt. Die anderen zwölf verweisen nach Schneider in ihrer „symbolträchtigen Zahl“ auf die „Zahl der Stämme Israels und die Zahl der Apostel, die Augenzeugen der Himmelfahrt gewesen sind“ (ebenda).
[10] CdbM 9/2003, 50.
[11] ebenda.
[12] Schneider 1997, 94. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Goldene Bulle Benedikts XIV. vom 27. September 1748, in der er dem Jesuitenorden bescheinigt, dass die göttliche Botschaft bei der Missionierung der Welt auch durch das marianische Apostolat vermittelt wird: „Als sie (die Jesuiten) den anbetungswürdigen Namen Jesu über alle Meere und in alle Weltteile zu Königen und Völkern trugen, unterließen sie es nie, gleichzeitig auch überall den liebsten Namen seiner Mutter Maria zu verkünden, und so verbreiteten sie mit dem Licht des Glaubens und der Heiligkeit des Lebens auch die Verehrung und Andacht zu Maria in allen Gegenden des ganzen Erdkreises.“ (Bäumer 1991, 374).
[13] Vgl. CdbM 9/2003, 50.
[14] Poeschel 1985, 146.
[15] Allein schon ihre kostbaren Kleider und ihre reichen Gewänder heben die vier Personifikationen hervor.
[16] Parallel zu der Darstellung der Personifikationen der Märkte und Städte auf dem südlichen Fresko sind auf dem nördlichen Deckengemälde unter der Maria Immaculata geistliche und weltliche Würdenträger mit porträthaften Zügen dargestellt. Vgl. CdbM 9/2003, 48.
Von Nord nach Süd:
- Dreieinigkeit Gottes: Taube des Heiligen Geistes, Jesus Christus, Gottvater
- Maria umgeben von Engeln
- Personifikationen der Städte und Märkte des Rentamtes Burghausen: Markt Kraiburg, Markt Ried/Markt Marktl, Stadt Braunau, Stadt Burghausen, Markt Mauerkirchen, Markt Uttendorf, Stadt Schärding, Markt Trostberg, Markt Altham, Markt Mattighofen, Markt Tann
Noch während die Jesuiten das Kolleg bewohnten, wurde das Dach 1758 durch einen Sturm beschädigt. Dabei war auch die Saaldecke mit den Stuckaturen und Fresken gefährdet.
Zu ersten Umgestaltungen des Saales kam es jedoch erst nachdem der Orden der Jesuiten 1773 aufgelöst und das Kolleg 1829 als Lateinschule wiedereröffnet wurde.[1] Dabei wurden Stuck wie Deckengemälde übertüncht und auf die freien Flächen der Decke Engel gemalt. In den Jahren 1851/54 erfolgten Reparaturen am Dach und Renovierungsmaßnahmen am Altar und an den 16 Ölgemälden an der Wand. Zeitgleich wurden eine neue Kanzel und eine neue Orgel aufgestellt. Als sich 1859 Sprünge an der Saaldecke häuften, musste eine circa 30 Zentimeter breite Fehlstelle geschlossen werden. 15 Jahre später, 1974, wurde der Saal profaniert, wobei seine Einrichtung in die 1863 ausgebrannte Kirche St. Joseph überführt wurde. Im Zuge der Profanierung fanden die schwerwiegendsten Umbaumaßnahmen statt: Der Kongregationssaal wurde in fünf Klassenzimmer unterteilt, dabei wurde auf Gesimshöhe ein Zwischengeschoss eingezogen, um den Raum unterhalb des Gewölbes als Speicher zu nutzen. Um die einzelnen Räume zu beheizen, wurden Öfen aufgestellt und „die fünf Ofenrohre durch die Decke getrieben“, wodurch das Gewölbe stark beschädigt und die Fresken teilweise ganz zerstört wurden.[2] Dabei wurden auch das Kranzgesims auf der Nord- und Südseite sowie das sich darüberliegende Gewölbestück abgeschlagen. Ebenfalls abgeschlagen wurde der Stuck in den Fensterlaibungen und zwischen den Fenstern. [3]
Erst in den Jahren zwischen 1959 und 1964 wurde der Raum wieder in seinen originalen Zustand versetzt und seiner ursprünglichen Bestimmung als Aula wieder zurückgegeben. Dabei konnte festgestellt werden, dass die „Fresken relativ gut erhalten“ waren, nachdem die Übermalung abgenommen und die Deckengemälde gereinigt worden waren. Einzig das Fresko mit der Maria Immaculata war durch einen Kamin beschädigt worden und musste ergänzt werden.[4] Als sich 1991 Stuckteile lösten und herabfielen, wurde die Decke erneut restauriert. Um „Hohlstellen, zahlreiche Schwund- und Spannungsrisse“ in Zukunft zu vermeiden, wurde die Tonne „im Scheitel gelenkartig aufgehängt“. Dabei wurde auch überlegt, die ursprüngliche Farbfassung des Stucks – „Caput mortuum, Ocker, Grau vor hellgrauem Hintergrund“ – wiederherzustellen, was jedoch aus Kosten- und Zeitgründen unterlassen wurde, weshalb es sich bei dem weißen Grund um die Fassung von 1963 handelt. Allerdings wurden die Fresken bei dieser Gelegenheit nochmals gereinigt.[5]
Das gesamte Ausstattungsprogramm des Kongregationssaales kann heute zwar beschrieben werden, hat sich aber nur unvollständig erhalten. So steht der Altar heute in der Josephskirche, die Bilder – von denen mindestens zwei, wenn nicht vier verloren gegangen sind – hängen heute nicht mehr in der originalen Reihenfolge. Einzig die Deckenfresken befinden sich trotz leichter Schäden an ihrem ursprünglichen Anbringungsort.[6]
[1] Nach den Jesuiten hatten die Malteser bis zu ihrer Auflösung 1808 die Gebäude der Jesuiten übernommen. Vgl. CdbM 9/2003, 43, 46.
[2] ebenda, 46; vgl. Becker 1997, 111.
[3] Vgl. CdbM 9/2003, 46.
[4] ebenda.
[5] ebenda.
[6] Vgl. Schneider 1997, 89.
Da es sich bei der Deckenausmalung um ein Marianisches Programm handelt, für dessen Kosten die Marianische Kongregation der Herren und Bürger aufkam, ist davon auszugehen, dass das Programm von der Kongregation – wohl in Absprache mit den Jesuiten – entworfen wurde. Die Kongregation übernahm die Kosten für die Neuausstattung auch als Dank dafür, dass sie die Aula nutzen durfte. Denn diese war Eigentum des Kollegs.
Als die Deckenfresken entstanden, war Paul Zettl Rektor des Jesuitenkollegs (1729–1731), sein Nachfolger war Leo Lehner, der bis 1734 im Amt blieb. Vom Rektor bestimmt wurde der Präsens, der geistliche Führer der Kongregation. Dies war in den Jahren 1726 bis 1731 Staudhamer.[1]
[1] Neben diesen Personen erwähnt Böhm noch den Präfekten, den weltlichen Leiter der Kongregation, Carl Adam Freiherr von Freuberg (1731–1735). Dieser wurde von den Sodalen gewählt. Seine Assistenten waren Franz Freiherr von Rosenbusch und Carl Freiherr von Ingenheim. Darüber hinaus sind noch die Konsultatoren Franz Wilhelm Anton von Leoprechting und Joseph Clemens von Zöpf bekannt. Vgl. CdbM 9/2003, 45.
Johann Christoph Storer und Bartholomäus Kilian: Thesenblatt „Die katholische Universität als Verkünder der Immaculata Conceptio“ (1663), Kupferstich.[1]
[1] Das Thesenblatt, das Johann Friedrich Ignaz Baron von Preysing der Jungfrau Maria widmete, zeigt „den Eifer der katholischen Universitäten bei der Verkündigung der Immaculata Conceptio“ (Appuhn-Radtke 2000, 308–309). Warathi scheint sich das Thesenblatt für die Darstellung der Personifikationen der Städte und Märkte des Rentamts Burghausen zum Vorbild genommen zu haben. Die Darstellung von Adam und Eva im Erdkreis im Bildfeld mit der Aufnahme Mariens in den Himmel und Huldigung der Städte und Markte des Rentamts Burghausen ähneln dem Stich von Storer und Kilian ebenfalls sehr.
Nachdem sich der Rektor des Kollegs und der Magistrat der Kongregation 1730, zum hundertjährigen Jubiläum der Marianischen Studenten- und Bürgerkongregation in Burghausen dazu entschlossen, die baufällige und niedrige Decke abzutragen und zu erhöhen, „um auch einen neuen, gut proportionierten Altar und ein neues Theater einbauen zu können“, wurde das Gebäude nach Norden hin erweitert.[1] Damit schuf man einen Raum für die Theaterrequisiten, die bis dahin auf dem Speicher über dem Kongregationssaal aufbewahrt wurden. Bereits 1731 wurde mit den Umbauarbeiten begonnen. Der Plan zur Neugestaltung stammt von dem Burghauser „Hofzimmermeister“ Melchior Österl und umfasst „Ersetzen der Kassettendecke durch ein hölzernes Gewölbe, Stuckierung und Ausmalung“.[2] Beibehalten wurde hingegen die Wanddekoration von 1718. Neben Österl waren als Maurermeister Martin Pöllner aus Trostberg, Thomas Vilzkotter aus Braunau und Michael Vierthaler aus Mauerkirchen an den Umbauarbeiten beteiligt.[3] Die Stuckarbeiten sind für den „bisherige[n] Burghauser und seit 1733 in Neuötting lebende[n]“ Joseph Hepp dokumentiert.[4] Dieser Nachweis über Hepps Tätigkeit ist auch für die Datierung der Fresken entscheidend, wie Becker erläutert: „Seine Erwähnung als Neuöttinger Stukkateur ist für die Datierung der Fresken wichtig, da ihr zufolge die Freskierung nicht vor 1733 begonnen haben konnte, weil Stukkateur und Freskant notwendig zur gleichen Zeit arbeiten müssen. Da beide erst dann zur Tat schreiten können, wenn Maurer und Zimmerleute das Ihre getan haben, ist davon auszugehen, daß die Fresken erst zum Abschluß der Arbeiten, also 1734 oder 1735, entstanden sind.“[5] Die Umbauarbeiten an der Aula waren 1735 abgeschlossen,[6] woraus gefolgert werden muss, dass die Deckengemälde von Warathi frühestens 1733 begonnen wurden und 1735 vollendet gewesen sein müssen.
[1] CdbM 9/2003, 44.
[2] Ebenda.
[3] Vgl. CdbM 9/2003, 44; Becker 1997, 115.
[4] Becker 1997, 115. Vgl. Schmidt 1997, 244. Trotz dieses schriftlichen Nachweises ist die Urheberschaft Hepps umstritten (vgl. CdbM 9/2003, 44).
[5] Becker 1997, 115.
[6] Vgl. Ebenda.
Über den Maler haben sich keine schriftlichen Nachweise erhalten, weder in Form von Rechnungen noch von sonstigen Schriftstücken.[1] Auch eine Signatur ist nicht auffindbar, was möglicherweise daran liegt, dass das Gewölbe 1874 stark zerstört wurde, als die Aula in Schulzimmer umgewandelt wurde.[2]
Bis in die 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts blieb die Frage nach dem Urheber der Fresken ungeklärt. Erst Peter Becker konnte die Burghauser Fresken mithilfe eines „Indizienbeweises“ dem Burghauser Maler Innozenz Anton Warathi zuschreiben.[3] Denn nur einem Bürger Burghausens konnte ein Auftrag in solchem Ausmaß zuerkannt werden. Und Warathi war „von 1724 bis 1758 Bürger und Inhaber der 1. Malergerechtigkeit in Burghausen“, darüber hinaus gehörte er seit 1735 dem Stadtrat an und hatte auch das Amt eines „Stadthauptmannes“ inne.
Stilistische Ähnlichkeiten weisen auch die 1732/34 entstandenen Burghauser Deckenfresken in der Schutzengelkirche der Englischen Fräulein auf, die Warathi Dank einer Signatur eindeutig zugewiesen werden können.[4]
[1] Becker nennt als mögliche Gründe für das Fehlen von schriftlichen Nachweisen den „verheerende[n] Stadtbrand von 1863“, wo möglicherweise auch das Kongregationsarchiv beschädigt wurde, und Sparmaßnahmen der Kongregation selbst. So soll der Sekretär Joseph Hamel von seinem Präsens Blümhuber darbei ertappt worden sein, wie er 1869 aus Sparsamkeit Kongregationsakten zu „,Stranitzelnʻ (Tüten) verarbeitete“ (Becker 1997, 115).
[2] Dabei wurden in die Aula fünf Kamine eingebaut, die auch durch die Decke führten. Vgl. CdbM 9/2003, 46; Becker 1997, 111.
[3] Becker 1997, 111. Die Schreibweisen des Namens Warathi variieren von Waraeth/Waräthi bis zu Barrathi/Barathi. Der Maler selbst signierte seine Bilder auch mit Waräthy, Worathi oder Worath (vgl. hierzu Becker 1997, 111–112). Erstmals überzeugend zugeschrieben wurde die Tätigkeit Warathis für Burghausen von Becker (Becker 1994).
[4] Vgl. Becker 1997, 111; CdbM 9/2003, 70.
Zuletzt aktualisiert am: 01.12.2015