Melk (PB Melk), Kloster, Prälaturtrakt, Bildersaal Zitieren
Das Deckenfresko im Festsaal der Prälatur im Stift Melk zeigt den Triumphzug beziehungsweise die Verherrlichung des heiligen Benedikt durch die vier Erdteile. Im Mittelpunkt dieses Freskos steht der Ordensvater selbst, der in einem goldenen, mit roten Pölstern ausgestatteten Triumphwagen sitzt. Er trägt eine einfache Kukulle mit Kapuze, während sein Haupt von einem strahlendenden Glorienschein umgeben ist. In seiner Linken hält er einen Hirtenstab, in seiner Rechten ein aufgeschlagenes Buch, auf dessen Seiten die ersten Worte der Regula Benedicti zu lesen sind („Ausculta o fili- praecepta magistri“). Der Wagen des heiligen Benedikt wird von den Personifikationen der vier Erdteile gezogen.
Zuvorderst befindet sich die weiblich dargestellte Allegorie der Amerika. Sie blickt über ihre linke Schulter zurück auf den Heiligen. Sie trägt ein weißes, mit einem goldenen Taillengürtel geschmücktes Gewand und einen strahlend blauen, wallenden Umhang darüber. Dieser wird am Bein hochgerafft und mit einer Brosche festgesteckt, sodass ein kräftiges Ausschreiten möglich wird. Die linke Brust ist entblößt, während die rechte von der Kleidung bedeckt wird. Des Weiteren trägt Amerika Sandalen, einen einfachen Oberarmschmuck und eine Federkrone auf dem Haupt, unter der dunkles, ungezähmtes Haar zum Vorschein kommt. In ihrer Rechten hält sie einen Bogen, den Köcher hierzu trägt sie auf dem Rücken. Mit ihrer Linken führt sie einen Löwen an der Leine, der neben ihr her schreitet.
Direkt hinter Amerika befindet sich ein prächtiger, weit ausschreitender Schimmel, der von Europa an der Zügel geführt wird. Europa wird wie Amerika weiblich dargestellt. Sie zeichnet sich unter anderem durch ein besonders blasses Inkarnat aus. Den Kopf neigt Europa leicht nach links. Ihr Schimmel tut es ihr gleich.
Im Gegensatz zur angestrengt wirkenden Amerika hat Europa einen sehr ruhigen, beinahe gütigen Gesichtsausdruck. Gekleidet ist sie in ein blasslilanes Gewand, das mit goldenen Borten verziert ist. Außerdem trägt sie einen Hermelin-Pelz mit goldenem Innenfutter, den sie über ihren linken Arm geworfen hat. In ihrer Linken hält Europa ein goldenes Zepter, die dazu passende zierliche Krone sitzt im weiß gepuderten Haar. Mit der Rechten führt sie den Schimmel, dessen Zaumzeug sie sachte, mit nur wenigen Fingern hält.
Die hinter Europa stehende Erdteilallegorie ist Asien, die einzige männliche Personifikation eines Erdteils in diesem Fresko. Diese Figur wird auch großteils durch einen Elefanten verdeckt. Asien trägt einen Turban, unter dem kurzes dunkles Haar sichtbar ist, außerdem lange Hosen und Schnabelschuhe. Seinen Kopf und Blick richtet er nach rechts, auf Afrika. Mit dieser scheint sich Asien um einen Speer zu „streiten“, den er mit beiden Händen festzuhalten scheint.
Das Ende des Speers umfasst Afrika mit ihrer Rechten. Dieser Kontinent ist abermals weiblich dargestellt. Ihren Blick richtet die Figur nach links oben, auf den heiligen Benedikt.
Afrikas Physiognomie wird von ihrem dunklen Inkarnat bestimmt. Sie trägt einen blauen Umhang, der locker um ihren Körper gelegt ist. Die völlig entblößte Brust wird – wie der nackte linke Oberarm – von einem Perlenband geschmückt, und auch an den Ohren trägt sie Perlen. Auf ihrem Haupt trägt sie einen grünen Turban, welcher das Haar komplett verdeckt. Wie die anderen weiblichen Allegorien auch, trägt Afrika außerdem Sandalen. In der Rechten hält sie das Speerende, während sie ihren linken Arm hoch über ihren Kopf gestreckt hat, sodass sie die Zügel des Kamels (oder Dromedars) neben sich fassen kann.
Alle vier Erdteilallegorien, inklusive die an ihre Seite gestellten Tiere, schreiten (weit) nach vorne aus. Teilweise lehnen sie auch den Oberkörper leicht nach vorne, sodass der Eindruck, die vier Erdteile würden den Wagen des heiligen Benedikt ziehen, noch verstärkt wird.
Links von diesem Zug ist ein Baum zu sehen, dessen Geäst mit Mitren und Tiaras geschmückt ist, während rechts unten im Bild der heilige Papst Gregor auf einem Felsen sitzt, mit einer Schriftrolle in seinen Händen auf der „Honori magni Patriarchae Benedicti“ zu lesen ist. In dem Wolkengebilde über dieser Szene thronen Vater, Sohn und der Heilige Geist in Gestalt einer weißen Taube. Eine Putte fängt ihr Licht mit einem Spiegel ein und projiziert dieses auf die über den Erdteilen schwebende Erdkugel. Flankiert wird die Dreifaltigkeit von Fama und Chronos. Beide Figuren sind geflügelt und mit ihren üblichen Attributen dargestellt: Fama, die Personifikation des Ruhmes, mit zwei Fanfaren und Chronos, als Symbol für das Vergängliche, mit Sanduhr und Sense.
Das Stift Melk war sicherlich eines der bedeutensten Benediktinerklöster im süddeutschen Raum. Abt Berthold Dietmayr plante Anfang des 18. Jahrhunderts einen barocken Neubau, der die religiöse, politische und geistige Bedeutung des Klosters unterstreichen sollte. Neben der äußeren Erscheinung sollte sich so auch die Innenausstattung einfügen und mithelfen, die Größe des Stiftes widerzuspiegeln. In diesem Kontext ist auch das Fresko des Triumphzugs des heiligen Benedikt zu verstehen. Melk stand immer schon in einem engen Bezug zum Kaisertum und dem Haus Habsburg, seine Bedeutung nimmt im Laufe der Gegenreformation noch weiter zu. Analog dazu verstand man sich selbst als große geistliche Macht, die zum Ausdruck gebracht werden musste. Auch die Konkurrenz der Klöster untereinander spielte in der Selbstdarstellung eine große Rolle, vor allem wenn es sich um rivalisierende Orden handelte. Das Stift Melk wollte allen voran der Ort sein, an dem Gott, seiner Kirche und dem benediktinischen Orden gehuldigt würde. Daneben war es vor allem wichtig, Gott ähnlich große Denkmäler zu setzen, wie es die weltlichen Herrscher für sich selbst taten. Dementsprechend wurden Architektur und bildende Kunst übernommen und auf die geistliche Herrschaft übertragen.
Mit der Gegenreformation bricht eine Zeit der Missionierung ein, wobei neben fernen Erdteilen auch die eigene Umgebung plötzlich wieder eine Rolle spielt.1 In diesem Sinne kommt einer weltweiten Wirkung des benediktinischen Ordens noch mehr Bedeutung zu. Mit der ziemlich erfolgreichen Verdrängung des protestantischen Glaubens in der Habsburgermonarchie geht ein Triumphgefühl einher, das durch den Sieg gegen die Türken 1697 nur noch verstärkt wurde. Die Kirche ist also im doppelten Sinne siegreich gewesen, was zur verstärkten Darstellung der ecclesia triumphans führt.2 Das Thema wird rezipiert und mündet in Melk schließlich im Triumphzug des heiligen Benedikt und seines Ordens, eine Darstellung in Allusion an den Propheten Elias der von einem Wagen, gezogen von feurigen Rössern, in den Himmel gebracht wurde.3
In der rechten Ecke des Freskos sitzt im Vordergrund Papst Gregor der Große, der Verfasser der Vita Benedicti, auf einem Fels und hält ein Blatt in der Hand, das von einem Engel beschriftet wird. Dieses kündigt das Thema des Freskos an, nämlich Honori Magni Patriarchae Benedicti. Der Mittelpunkt des Freskos bildet dann auch der Ordensvater Benedikt, der auf einem zweirädrigen römischen Wagen sitzend von den vier Erdteilen gezogen wird. In der Hand hält er ein Buch, auf dem die ersten Worte der Benediktsregel zu lesen sind: Ausculta o fili – praecepta magistri, Höre mein Sohn auf die Lehre des Meisters. Er wird als Herrscher der „patriarcha monarchorum“ dargestellt.4 So sehen wir auf der linken Seite des Freskos ein Baum mit Mitren und Tiaren als Symbolfrüchte, die Hinweis auf benediktinische Bischöfe und Päpste sein sollen. Über dem Zug schweben die Allegorien der Fama mit der ihr typischen Goldtrompeten und des Chronos mit Sanduhr und Sichel als Symbol für den Ablauf der Zeit und die Vergänglichkeit des Irdischen. Die Szene wird von der Dreifaltigkeit in den hellsten Farben überstrahlt, sodass der Eindruck entsteht, sie würde mit dem Himmel verschmelzen. Ebenfalls den Zug begleitend, sehen wir einen Engel über Afrika, der mithilfe eines Spiegels das von der Dreifaltigkeit ausgestrahlte Licht – von Burkhard Ellegast als Gnadensegen interpretiert5 – auf eine über Europa schwebende Weltkugel wirft. Es handelt sich hierbei um eine Anspielung an Benedikts Erdballvision.6
Das von üppiger Architekturmalerei getragene Fresko wird ergänzt durch zwei sich am südlichen und nördlichen Ende befindende, in rosa Grisaillemalerei gehaltene Medaillons, die jeweils Begebenheiten aus dem Leben Benedikts darstellen. In den Stichkappen sind die vier göttlichen Tugenden in Frauengestalt dargestellt: die Allegorien der Fides (mit Gesetzestafel und Kelch), Spes (mit Anker), Caritas (als Mutter mit Kindern) und Castitas (mit Gürtel und Lilie). Im Kontext des Stifts Melk handelt es sich bei diesem Deckenfresko also um die Selbstdarstellung der weltweiten Wirksamkeit und des globalen Einflusses der eigenen Ordensgemeinschaft. Es ist eine Inszenierung des eigenen Selbstbewusstseins hinsichtlich der Bedeutung des benediktinischen Wirkens, vor allem im Hinblick auf die Gegenreformation.
1Vgl. Beales 2008, 28.
2Vgl. Hersche 2006, 370.
3Vgl. Lechner 1980, 40-43.
4 Vgl. Koller et al. 1980, 118.
5Ellegast 2007, 348.
6Krall 1989, 140.
DECKENFRESKO
- Zentrum: der Triumphzug des heiligen Benedikt
- heiliger Benedikt in Triumphwagen, gezogen von den vier Erdteilen (Regula: usculta o fili / praecepta magistri)
- im Hintergund Dreifaltigkeit, Fama und Chronos
- rechts unten Gregor der Große (Schriftrolle: Honori magni Patriarchae Benedicti)
- Schmalseiten, Medaillons in rosa Grisaille, flankiert von Putti: Szenen aus dem Leben Benedikts
- Zwickel: Fides, Spes, Caritas und Castitas
WAND
in Gesimszone halbovale Freskenfelder in grauem Grisaille, Szenen aus dem Leben Benedikts darstellend
Die Restaurierung des Deckenfreskos, in den Jahren 1976–1980 von Gustav Krämer durchgeführt, musste aufgrund von Verschmutzung, partiellen Vergrauungen und unregelmäßigen Dunkelfärbungen vorgenommen werden. Das Fresko wurde nach traditionellen Methoden gereinigt und konserviert. Zustandsfotos und ein kompletter Bericht befinden sich beim Bundesdenkmalamt, eine technologische Untersuchung der Maltechniken war nicht möglich.1
1Vgl. Koller et al. 1980, 118.
Dieses Motiv ist Anfang des 18. Jahrhunderts neu. Der Vorläufer dieser Version ist der „Triumph der Ekklesia“ (z. B. Peter Paul Rubens, Otto van Veen) und taucht ebenfalls um 1700 für die Darstellung von Thomas von Aquin auf. Seinen Ursprung für die Darstellung Benedikts hat das Motiv aber in einem vierblättrigen Thesenblatt des oberösterreichischen Malers Johann Carl von Reslfeld (1658–1735) und des Stechers Leonhard Heckenauer (um 1650/60–1704), in dem die Bedeutung des Benediktinerordens behandelt wird. Auch ein Vergleich zwischen dem Propheten Elia und Benedikt wird hier angestellt. Das Blatt kann als „geistige Frucht“ der Salzburger Benediktiner-Universität gesehen werden.1
Das Thema des Bozettos von Troger wird zudem mit dem Stift Göttweig in Verbindung gebracht, wo ursprünglich als Pendant zur Kaiserstiege (Triumph des Helios-Apoll, 1739) eine Mönchsstiege vorgesehen war, die allerdings nicht zur Ausführung gelangte. Danach soll Troger das Thema dann für Melk benutzt haben.2
Für eine Abbildung der gesamten Komposition Reslfelds sowie weiterführender Informationen siehe Die Glorie des Hl. Benedikt - Thesenblatt von J. K. von Reslfeld und dessen Rezeption.
1Vgl. hierzu Lechner 1980, 40-43.
2Krall 1989, 140.
Zuletzt aktualisiert am: 24.02.2016