München (München), Schloss Nymphenburg, Pagodenburg Zitieren
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Die Decke im achteckigen Hauptraum der Pagodenburg zeigt sich über ihre gesamte Fläche mit blau-weißen Grotesken bedeckt. An den Außenseiten beginnend, verlaufen diese zum Mittelornament hin in floralen Strängen, die sich abwechselnd um jeweils acht Kartuschen mit Büsten und acht Felder mit Ganzkörperfiguren auf einen Sockel ranken. Die insgesamt sechzehn Büsten- bzw. Ganzkörperdarstellungen sind ihrerseits über Maskaronen platziert, wobei die Maskeronen der acht Ganzkörperfiguren aus den Ecken des Oktagons hervorgehen und in ihrer Größe den zwischen ihnen liegenden Maskaronen überlegen sind. Während sowohl die Büsten als auch vier der acht Figuren jeglicher Attribute entbehren und infolgedessen nicht weiter bestimmt werden können, stehen sie im Wechsel mit eindeutig identifizierbaren Darstellungen.
Es sind dies dem Uhrzeigersinn folgend und mit durchwegs jagdlichen Attributen ausgestattet die vier bekannten Erdteile Europa, Amerika, Afrika und Asien. Zunächst eine jugendliche Europa, deren Haupthaar durch ein mit drei Federn und einer Brosche geschmücktes Band zurückgebunden wird. An beiden Oberarmen trägt Europa breite Reifen. Ihr wallendes Unterteil wird in der Taille durch ein Mieder fixiert, das die Figur barbusig zeigt. Europa dirigiert sitzend mit der linken Hand die links zu ihren Füßen wartende Bracke und den rechts platzierten Windhund, während sie in der rechten Hand eine Saufeder bereithält.
Flankiert wird die Darstellung der Europa mit ihren Hunden durch zwei Putti, deren Blicke aus dem floralen Rahmen der Szene hinausschweifen.
Afrika schützt ihr jugendliches Gesicht durch einen breitkrempeligen und spitz nach oben verlaufenden Federhut, während ihr Haar zu einem schwingenden Zopf geflochten ist. Ein leichtes Tuch umschlingt ihren linken Arm und ist mit ihrem Unterkörper durch ein perlenbesticktes Band verbunden. Ob des wie zufällig drapierten Tuches bleiben Bauch und Busen der Figur, wenn auch von einem mit einem Stein verzierten Stoffgurt gestützt, frei, während ihre Beine völlig bedeckt sind und die angewinkelte Sitzhaltung nur über die Falten des Stoffes erahnt werden kann.
In der linken Hand hält Amerika einen Bogen bereit, dessen Sehne aber noch nicht gespannt ist. Die rechte Hand scheint nach dem dazugehörigen Pfeil an ihrer Hüfte zu tasten, allerdings ohne Erfolg. Der Pfeil befindet sich im Besitz des linken der beiden Kapuzineräffchen unterhalb ihres Sockels. Dieser ärgert einen Putto neben sich. Ihr Gesichtsausdruck (offener Mund, Stirnrunzeln) lässt ihre Empörung über diesen Diebstahl erahnen. Das andere Äffchen sitzt sittsam, von einem Putto mittels eines Bauchgurts gebändigt, auf der gegenüberliegenden Seite.
Im Südosten präsentiert sich die Vertreterin Amerikas. Mit der rechten Hand zieht sie gerade einen Pfeil aus dem Köcher und ist bereit, ihn in den Bogen, den sie in der linken Hand hält, zu spannen. Das Haupt der Amerika wird durch ein Federdiadem gekrönt, während ihren Hals eine Perlenkette ziert. Locker fällt ein feines Tuch über die linke Schulter, das ihre Haut vom Nabel abwärts bis zu den Knien bedeckt. Die übereinander geschlagenen Beine der Afrika sind nackt, was im Gegensatz zu den bedeckten Beinen der übrigen Erdteile steht. Afrika ist umgeben von zwei sich von ihr abwendenden Krokodilen, deren fauchende, aggressive Anwesenheit die die Szene umschließenden Putti in eine Abwehrhaltung zwingt.
Schließlich zeigt sich Asia. Sitzend auf einem Kamel hält sie in ihrer rechten Hand einen Speer, dessen Klinge in Form eines Halbmonds geschliffen ist und zusätzlich von langem Pferdehaar (?) verziert wird. Linker Hand deutet Asia beschwichtigend auf die sie umgebenden Putti. Auf dem Kopf trägt Asia einen ausladenden Turban. Das schwer anmutende Tuch mit einem mit Ornamenten verzierten Saum wird von der jungen Frau über beide Schultern geworfen getragen, wobei der Oberkörper, bis auf einen Metallgurt, der den unteren Brustansatz stützt, unbedeckt bleibt. Perlen, zu Ohrhängern und Halskette verarbeitet, schmücken das Antlitz der Asia. Flankiert wird Asia anders als die übrigen Erdteile nicht von Tieren, sondern ausschließlich von zwei Putti. Das Kamel ist bis auf sein Haupt, seinen Hals und Vorderlauf vom schweren Gewand seiner Reiterin verdeckt.
ERDGESCHOSS
- Zentralraum: Grotesken mit den vier Erdteilen
- Eckkabinette:
- nördlich: Grotesken mit Venus und den vier Elementen – „Das Töckhl bey ausgang des Saalls ohn golt alls von figuren unnt perliner plau gemahlt…Das Töckhl bey eingang des Saalls wie das erste“[1]
- östlich: Grotesken mit Bacchanal und den vier Jahreszeiten – „Die Töckhen im untern Cavinet so vill golt unt miesamb von figuren, alls von perliner plau in öhlfarben gemalt“
- südlich: Grotesken mit Bacchus und den vier Elementen – „Das Töckhl bey ausgang des Saalls ohn golt alls von figuren unnt perliner plau gemahlt … Das Töckhl bey eingang des Saalls wie das erste“
- westlich: Treppenhaus
OBERGESCHOSS
- Zentralraum:
- nördliches Zimmer (Ruheraum): Grotesken mit mythologischer Szene
- südliches Zimmer (Salon): Grotesken mit indianischem Fürst
- Eckkabinette:
- nördlich: mythologische Szene
- östlich: Grotesken mit orientalischer Fürstin (Rotes Kabinett)
- südlich: Grotesken mit orientalischem Fürsten
- westlich: Grotesken mit orientalischem Fürsten bzw. „den frieß alles von schön Perliner Plau mit allerley Indianischen füguren gemahlt“ (Treppenhaus)
[1] „Verzaichnus“ von Johann Anton Gumpp über seine Tätigkeit „in dem LustHauß von anderten Juni 1717 bis 1718“, zitiert nach: CdbM 3,2/1989, 401.
Zuletzt aktualisiert am: 13.06.2016