Ottobeuren (Unterallgäu), Klostergebäude, Salettl [Stuck] Zitieren
Die vier Erdteile sind als Stuckreliefs in den vier Ecken des Raumes eingebettet. Die rosa-gelbe Tönung der Wolken, ihrer Ruhestätte sowie einzelne Goldapplikationen kontrastieren das Weiß ihrer Kleidung, Attribute und ihres Inkarnats. Europa ist herrscherlich mit Krone, Zepter und wallendem Gewand und Mantel gekleidet. Ihr sind ein Stier sowie die Symbole der weltlichen und geistlichen Macht (Kronen, Tiara, Tempietto) beigegeben. Asien ist ihr an derselben Schmalseite des Raumes vis-à-vis zugeordnet. Sie ist analog zu Europa gekleidet. Ein Weihrauchfass in ihrer linken Hand sowie ein Kamel zu ihrer rechten sind ihre Attribute.
Auf der gegenüberliegenden Schmalseite des Raumes (Norden) befinden sich die „wilden“ Vertreter der Erde: Afrika und Amerika. Afrika trägt ebenfalls ein wallendes Gewand und goldene Sandalen. Ein Turban, ein Skorpion sowie ein Elefant sind ihre Erkennungszeichen. Einzig Amerika ist halb entblößt nur mit einem Federrock wiedergegeben. Goldene Schmuckreifen an beiden Oberarmen, ein goldener Gürtel, goldene Sandalen sowie ein goldener Federreif im Haar schmücken sie. Beigefügt sind ihr ein Löwe und ein abgeschlagener Kopf mit einem Pfeil, den sie mit dem Bogen in ihrer rechten Hand gerade eben erst geschossen hat. Reichlich Nachschub an Pfeilen sichert der Köcher voller Pfeile neben ihr.
Gemeinsam mit den mythologischen Goldreliefs sowie den anderen über den Raum verteilten Stuckreliefs, deren Deutung zwar nicht eindeutig, aber eventuell einen nicht dekorativen Zweck erfüllen, sondern eine kosmologische Funktion übernehmen, sind die Erdteile als ein Instrument in der Darstellung der Harmonie des Kosmos zu verstehen.[1] Diese Harmonie gründet in dem von Galileo Galilei (1564–1642) und Johannes Kepler (1571–1630) formulierten Anspruch,
„daß alle Dinge Teile bestimmter Systeme sind, die in exakter und unausweichlicher Gesetzlichkeit die Abläufe regeln. Nicht mehr das im Innern der Dinge subsistierende „Wesen“ ist der Herr des Geschehens, sondern der jeweilige äußere „System“-Zusammenhang, der eine Menge von Dingen so zusammenschließt, daß sich alles aus den Systemgesetzen, aus den inneren Relationen und Funktionen des Systemganzen ergibt und somit eine abgeschlossene Wirklichkeit entsteht, die nur aus ihrer Ganzheit zu begreifen ist. […] Die Welt als System der Systeme, als Ordnung der Ordnungen, wird zum Leitbild des Wirklichkeitsverständnisses.“[2]
Die natürliche Ordnung der Dinge konstituiert sich in der Vierzahl der Elemente, Jahreszeiten, Tageszeiten, Erdteile etc., was wiederum mit dem übergeordneten Thema der sieben Weltzeitalter einhergeht.
[1] Vgl. Poeschel 1985, 209. Eines der reichsten Programme dieses Anspruchs findet sich auf Schloss Eggenberg in der Steiermark, jedoch überschattet hier der repräsentative Charakter den kosmologischen Anspruch der Erdteilallegorien.
[2] Rombach 1986, 12–14.
Zur Stuckausstattung: die Erdteile als Stuckrelief im Wechsel mit vergoldeten Stuckreliefs:
OSTEN
- Amerika
- Apoll [vergoldetes Stuckrelief]
- Europa
SÜDEN (Schmalseite)
Ceres
WESTEN
- Asien
- Diana
- Afrika
NORDEN (Schmalseite)
Juno
Dazwischen befinden sich oberhalb des Gesimes weitere Stuckreliefs sowie Büsten oberhalb der Kapitelle. Es könnte sich hierbei um Allegorien der vier Elemente, der Lebensalter, Tageszeiten, Jahreszeiten handeln, allerdings gehen sie nicht auf. Laut den Autoren der Bildwelt Ottobeuren „gehören sie – wie auch in anderen stuckierten Zimmern des Maini-Trupps – einfach zur Dekoration“.[1]
Siehe Stuckplastik und zum Bildprogramm der sieben Weltalter
[1] Bildwelt Ottobeuren 2/2014, 498.
1972 wurde das Salettl letztmalig restauriert, wobei das Deckenfresko ausgespart wurde. Das Team umfasste den Restaurator Erich Marschner (Memmingen), den Kirchenmaler Hermann Dreyer (Frechenrieden) und der Stuckateur Josef Schnitzer (Augsburg). Die Inschriften wurden nach den Einträgen im Diarium Rupert II. Neß rekonstruiert.
siehe Freskenausstattung
Als Vorlage für die Erdteilallegorien diente dem Künstler unter anderem die Iconologia von Cesare Ripa. In der Wahl der Attribute stimmen diese weitestgehend mit den Vorgaben Ripas überein (Skorpion, abgeschlagener Kopf, Insignien, Weihrauchfass, Kamel).
Zunächst wurde die stuckierte Ausstattung durch die Werkstatt des Italieners Andrea Mainis 1719 fertiggestellt. Als Schöpfer der Figuren und vermutlich auch der Reliefs kann sein Mitarbeiter Gaspare Mola angesehen werden.[1] Im Anschluss daran führte Jacob Carl Stauder zwei Jahre später die Fresken aus.
[1] Vgl. Bildwelt Ottobeuren 2/2014, 494
Zuletzt aktualisiert am: 24.02.2016