Wien (PB Wien), Gartenpalais Liechtenstein, Ehrenhof Zitieren
Die drei erhaltenen Erdteilallegorien – Europa, Afrika und Asien – folgten einem Gestaltungsprinzip: Jede weibliche Figur wurde in ausladender Bewegung von dem passenden Symboltier, einem Putto und Attributen festgehalten. Sie befanden sich an den Ecken der Gebäude, die den Ehrenhof flankierten, als Bekrönung in der Attikazone und schmückten damit den Eingangsbereich zur Anlage des Gartenpalais. Alle drei Figuren wurden 1962 nach den in Stift Heiligenkreuz aufbewahrten Modellen restauriert und rekonstruiert.
Europa trägt einen durch einen Federnbusch dekorierten Helm, zu ihren Füßen liegen ein aufgeschlagenes Buch und Früchte, die aus einem Füllhorn quellen. Ein Putto stützt die Architektur eines kleinen Rundbaus, den Europa mit ihrer Linken nahe dem Körper hält. Mit ihrer rechten Hand hält sie das Zaumzeug eines Pferdes, auf dem sie Platz genommen hat und das ihr in starker Bewegung beigegeben ist. Ihr Oberkörper ist entblößt, und der Stoff fällt in schwungvoll arrangierten Falten vom Brustansatz über ihre Beine.
Afrika ist sitzend auf einem Löwen dargestellt, drückt ihre rechte Hand auf das Haupt des Tieres und hält in ihrem linken Arm die stark bewegte Gestalt eines kleinen Kindes. Dieses hält einen Finger im Mund und greift mit der anderen Hand nach dem Gewand der Afrika, welches in üppigen Bauschen in ausladenden Bewegungen festgehalten wird. Als Kopfbedeckung ordnete Giovanni Giuliani, den Vorgaben von Cesare Ripa folgend, die Elefantenhaube ebenso wie den von Ripa beschriebenen Schmuck an Hals und Ohren zu.
Asia ist auf einem Kamel platziert, ihre Körperbewegung führt nach oben, was durch ihren in Richtung Himmel gestreckten linken Arm noch unterstrichen wird. Ein Putto trägt Palmenwedel auf Arm und Schulter, er wird durch schwungvoll drapierte Stoffbahnen hinterfangen.
Amerika ist mit einer Krone, einem Umhang und einem Schurz aus Federn dargestellt, sie ist auf dem Rücken eines Pferdes platziert, auf ihren linken Oberschenkel legt ein Putto seine Hände, ihr rechter Arm ist ausgestreckt zu einem Köcher mit Pfeilen.
Festgestellt wurde eine Übereinstimmung der Skulpturen mit den Bildinhalten der Fresken von Johann Michael Rottmayr im Erdgeschoss des Palais, die zeitgleich entstanden.[1]
Das von Fürst Johann Adam Andreas I. in Auftrag gegebene Gartenpalais in der Rossau wurde von den Architekten Domenico Egidio Rossi und Domenico Martinelli entworfen und im Inneren durch die Künstler Johann Michael Rottmayr, Andrea Pozzo, Marcantonio Franceschini und Santino Bussi dekoriert. Der um das Palais angelegte Garten erhielt durch die Skulpturen von Giovanni Giuliani 1705 bis 1709 schmückende Elemente.[2] Diese fanden Ergänzung durch jene 39 Einzelstatuen und acht Gruppen aus je zwei Figuren, die auf der Attikazone der den Ehrenhof rahmenden Gebäude zur Aufstellung kamen. Das Programm umfasste Darstellungen der vier Elemente, der vier Jahreszeiten und Tageszeiten, der vier Erdteile, des Apollo und der neun Musen, der fünf Sinne und der vier Temperamente. Die vier Erdteile und die vier Elemente wurden in Figurengruppen und nicht als Einzelfiguren dargestellt. Die Standorte der Gruppen wurden vertraglich festgelegt – sie sollten an den Kanten der Gebäude zur Aufstellung gelangen.[3]
Giovanni Giuliani unterbreitete am 13. September 1706 den Kostenvoranschlag für alle Bildwerke, der Vertrag wurde am 22. November zwischen dem Künstler und der Hofkanzlei geschlossen.[4] Von den vier Erdteilen sind Afrika, Europa und Asien erhalten geblieben, die Allegorie Amerikas ist – weder durch einen Entwurf oder ein Modell – bislang nicht überliefert.[5]
[1] Siehe dazu Ronzoni – Kräftner 2005, S. 69.
[2] Zur Tätigkeit Giovanni Giulianis für Fürst Johann Adam Andreas I. siehe Ronzoni – Kräftner 2005, S. 53–117, zu den Aufträgen für das Gartenpalais in der Rossau besonders S. 55–80.
[3] Siehe dazu Dokument 33 in Ronzoni – Kräftner 2005, S. 206–207.
[4] Siehe dazu Dokument 36 in Ronzoni – Kräftner 2005, S. 210.
[5] Siehe dazu die Katalognummern 14, 111 und 112 in Ronzoni – Kräftner 2005.
die vier Erdteile als Teil der universalen Ordnung
1962 restauriert und rekonstruiert nach den Modellen in Stift Heiligenkreuz (Afrika, Europa, Asien; zu Amerika ist kein Modell erhalten)
Giovanni Giuliani entwickelte das Programm der Skulpturengestaltung den Vorgaben seines Auftraggebers Fürst Johann Adam Andreas I. folgend.
Der Kostenvoranschlag wurde von Giovanni Giuliani am 13. September 1706 übergeben, der finale Vertrag wurde am 22. November 1706 geschlossen.[1] Giovanni Giuliani schuf für die Skulpturen Terrakottamodelle. Er folgte der Tradition der von Cesare Ripa in seiner Iconologia entwickelten Darstellungsform.
[1] Siehe dazu die relevanten Dokumente in Ronzoni – Kräftner 2005, S. 206–207 und S. 210–211.
Ausführung der Skulpturen in Sandstein durch Giovanni Giuliani und die Mitarbeiter seiner Werkstatt nach den Terrakottamodellen
Zuletzt aktualisiert am: 17.06.2016