Frauenriedhausen (Dillingen a. D.), Mariä Himmelfahrt Zitieren
Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (392–398):
Im Langhausfresko der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt (*) in Frauenriedhausen belehrt die Personifikation der Ecclesia die Menschheit einschließlich der europäischen Bevölkerung zu ihren Füßen über die Befreiung Mariens von der Erbsünde sowie ihre Rolle als Mutter Gottes und Königin des Himmels, wie sie über ihnen dargestellt ist. Das Hauptfresko steht in einem engen Zusammenhang mit einer kleineren Kartusche, die sich direkt unterhalb am Chorbogen befindet. In dieser schwebt Maria als Immaculata – mit einem Fuß auf der Mondsichel stehend, mit dem anderen der Schlange den Kopf zertretend – über einer Weltkugel, an der wiederum die Personifikation der Ecclesia lehnt. In der rechten Hand hält die Ecclesia die Schlüssel Petri und umfasst ein Buch, während sie die Aufmerksamkeit der zu ihren Füßen knienden und stehenden Gruppe aus drei Personen mit der linken Hand auf die Himmelserscheinung lenkt. Bei dieser Personengruppe handelt es sich um eine simplifizierte Eigenwiederholung des Künstlers aus einem Langhausfresko, das Anwander 1758 in der Pfarr- und Wallfahrtskirche gleichen Patroziniums in dem 18 Kilometer westlich gelegenen Schwennenbach ausgeführt hatte. […] [Bei den Dargestellten handelt es sich um historische Personen.[1]] Rechts und links der schwebenden Maria stehen bzw. knien weltlich gekleidete Figuren, die mithilfe der detailreicheren Darstellung der Schwennenbacher Langhausszene als der zur Zeit der Ausmalung amtierende Kurfürst von Bayern Maximilian III. Joseph (links) und der verstorbene konvertierte Pfalzgraf von Neuburg [und gemeinsame Patronatsherr] Wolfgang Wilhelm (reg. 1614–1653; rechts) identifiziert werden können. Der im Zeremonialgewand des Großmeisters des bayerischen Ritterordens vom heiligen Georg dargestellte Kurfürst, „der sich fortwährend um den apostolischen Stuhl verdient macht[e]“[2] und sich als Großmeister der besonderen Verehrung Mariens und des Glaubens an ihre unbefleckte Empfängnis sowie zum Beschützer des katholischen Glaubens verpflichtete, [3] steht […] für die Gegenwart des blühenden katholischen Glaubens und des Immaculata-Kultes. Der heilige Georg war der wichtigste Schutzpatron Bayerns; der bayerische Adel erwählte ihn während der Kreuzzüge und trug „zum Zeichen solchen Ordens, und verbundtnus ein rothes Kreuz auf ihren Schilden geführt und getragen […]“.[4] Hierauf verweist der neben dem Großmeister kniende Mann in weißem Gewand und mit einem roten Kreuz auf der linken Brust sowie einem Schwert in der Hand. Die Revitalisierung dieses religiös orientierten Ritterordens durch Karl I. Albrecht, den Vater von Maximilian III. Joseph, entsprach dem barocken Zeitgeist, der durch tiefe Frömmigkeit, Prachtentfaltung und Lebenslust gleichermaßen geprägt war, und muss vor allem als Manifest der absolutistischen Staatsidee verstanden werden.[5] Warum der Programmist letztlich nicht auf den eigentlichen Patronatsherrn, den Kurfürsten Carl IV. Theodor von der Pfalz, als Großmeister seines pfälzischen Hubertusordens Bezug genommen wird, bleibt unklar. Zwar war Carl IV. Theodor zur Zeit der Ausmalung designierter Nachfolger des bayerischen Kurfürsten,[6] aber ihn quasi im Sinne eines Vorausgriffes als zukünftigen Großmeister darzustellen, wäre äußerst unüblich.
Die Anwesenheit von Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm wird durch die historische Zeitebene begründet. Während die Gründung des Dillinger Seminars die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine katholische Erneuerung hervorbrachte, war es erst die eigentliche Konvertierung des Landesherrn im Jahr 1614, die auch die rechtlich-weltlichen Rahmenbedingungen im Herzogtum Pfalz-Neuburg schuf. […] Diese lokalhistorische Dimension des Kartuschenbildes wird im Hauptfresko durch die Erdteile auf die Welt erweitert. Konkret für Frauenriedhausen ist überliefert, dass die Entscheidung des Herzogs Wolfgang Wilhelm zum katholischen Glauben zu konvertieren keineswegs auf breite Unterstützung gestoßen war. Vielmehr hatten sich die Einwohner geweigert und die Wiedereinführung der Religion im Zuge der Besetzung Lauingens durch die Schweden 1632 begrüßt. Der konfessionelle Neubeginn im Dorf nach dem Dreißigjährigen Krieg, der mit dem Verlust von circa vier Fünftel der Einwohner einen hohen Tribut von den Bewohnern eingefordert hatte,[7] ist eng mit der Übernahme der seelsorgerlichen Betreuung des Dorfes durch die Augustiner in Lauingen ab 1686 verbunden. Zu diesen sollte die Kirchengemeinde bis zur Säkularisation ein enges Verhältnis pflegen. Zu ihrem eigentlich verantwortlichen Seelsorger, dem Pfarrer von Hausen, unterhielten sie hingegen offenbar ein mehr oder minder distanziertes Verhältnis. [8] Als es darum ging, die baufällige Kirche, die 1727 beinahe ein Sturm zum Einsturz gebracht hatte, zu renovieren bzw. zu ersetzen, bemühte sich die Kirchengemeinde selbst in einem Bittgesuch vom 20. März 1733 um Genehmigung bei ihrem Patronatsherrn, dem Augsburger Bischof.[9] Die malerische Ausstattung des Neubaus erfolgte erst 34 Jahre später. Im Gegensatz zum damaligen „ausländischen“ Baumeister[10] traten die Frauenriedhausener dieses Mal mit dem Auftrag an einen „inländischen“ Handwerker, den in Lauingen ansässigen Johann Anwander, heran. Die Vermittlung erfolgte vermutlich über die Augustinermönche.[11] Das Bildprogramm entstand wohl – anders als das Schwennenbacher, dessen Programmist Hans Sing im Dillinger Jesuitenkolleg vermutet[12] – aus einer Zusammenarbeit von Gemeinde und Maler: Einerseits spiegelt es durch den erwähnten stark didaktischen Inhalt das erfolgreiche Bemühen der Gemeinde um einen regelmäßigen Sonn- und Feiertagsgottesdienst und um die weitere Ausstattung der Kirche mit Kirchengestühl und Altären wider;[13] andererseits weist es starke Bezüge zum formalen Repertoire Anwanders auf.[14]
Abschließend ist zu erwähnen, dass das Bildprogramm in Frauenriedhausen, in dem die Ecclesia als Trägerin der Mission erscheint, zu einer Darstellungsgruppe zu zählen ist, die nach Sabine Poeschel sehr selten in dieser Form visualisiert wurde.[15] Nicht durch Ausschluss oder durch ein visionäres Ereignis werden die Anwesenden bekehrt, sondern durch das Mittel der Katechese. Lehrer dieser ist ein Missionar oder wie im vorliegenden Fall Europa oder die Ecclesia, wobei die in römische Tracht gekleidete Europa in Lutzingen/Großkötz in der Tradition der mythologischen Göttin der Weisheit und Hüterin des Wissens Minerva steht.[16]
[1] Ausführlich zur Neu-Identifizierung siehe Romberg Konfessionen 2015, 398-401 bzw. Romberg Glaube 2017, 382–385.
[2] Papst Benedikt XIV. pries diesen in einer Bulle vom 4. April 1758, in der er auf Maximilians III. Josephs Bitte antwortet, die Zahl der geistlichen Ordensmitglieder des St.-Georgs-Ordens nach Belieben erhöhen zu dürfen; zitiert nach: AK München Hausritter 1979, 24.
[3] Neben dem heiligen Georg war die Jungfrau Maria die Patronin des Ordens. Hierauf verweisen auch die vier Buchstaben VIBI auf dem Kreuz des Ordens, die für Virgini Immaculatae Bavaria Immaculata stehen. In seiner Gründungsrede am 20. April 1729 betonte Karl I. Albrecht, dass ein jeder „um so mehr obligirt und verbunden sein sollen, als Wir diese ganze Disposition zur Ehre Gottes, dessen allerreinigst – unbefleckten Mutter Mariä, und uralten des Hauses und Landespatronen, des heiligen Georgii in schuldigster Dankbarkeit so vieler und unzähliger, durch deren Beistand eingerichtet, und von der allmächtigen Güte von nun an acceptirt und angenommen“; zitiert nach: Destouches Haus-Ritter-Orden 1871, VIf. und vgl. IXf.; AK München Haursritterorden 1979, 18.
[4] Statutenbuch des St.-Georgs-Ritterordens von 1729, zitiert nach: AK München Hausritterorden 1979, 13.
[5] Vgl. AK München Hausritterorden 1979, 12. Die Bayern waren nicht die Einzigen, die zu dieser Zeit die Idee der mittelalterlichen Ritterorden wiederbelebten: 1701 Preußen, König Friedrich I., Schwarz-Adler Orden; 1708 Kurpfalz, Kurfürst Johann Wilhelm, Hubertusorden; 1721 Köln, Kurfürst Joseph Clemens, Michaels-Orden. Nicht nur auf deutschsprachigen Territorien, sondern in ganz Europa erfolgten Neugründungen; vgl. ebd., 42 Anm. 32.
[6] Die bayerische Linie der Wittelsbacher erlosch mit dem Tod Maximilians III. Joseph. Dessen Ehe mit Prinzessin Maria Anna von Sachsen, Tochter des polnischen Königs August III. und der österreichischen Erzherzogin Maria Josepha, war kinderlos geblieben.
[7] Vgl. Springer Geschichte 1979, 339.
[8] Für das Jahr 1755 ist belegt, dass die Gemeinde den Plan gefasst hatte, sich mit dem anderen Riedhausen (heute: Veitriedhausen) zu einer Pfarre zusammenzuschließen; dieses Vorhaben scheiterte jedoch aufgrund von finanziellen Engpässen. Erst 1835 löste sich Frauenriedhausen aus der Pfarrei Hausen und wurde in die Pfarrei Lauingen eingegliedert. Vgl. Springer Frauenriedhausen 1973, 61.
[9] Vgl. ebd., 41.
[10] In Frauenriedhausen bat die landesherrliche Kammer in Neuburg an der Donau 1734 beim Neubau der Kirche darum, man solle doch „inländische“ Handwerker, sprich aus Lauingen, anstellen. Vgl. Festschrift Frauenriedhausen 1973, 41. .
[11] Zwar könnte die Vermittlung des Malers auch über den Hausener Pfarrer erfolgt sein, da Anwander bereits 1759 die heute zerstörten Fresken in der dortigen Mutterkirche St. Peter und Paul gemalt hatte. Allerdings ließ dieser die Gemeinde weitestgehend selbstständig gewähren. Vgl. KD Schwaben 7/1972, 373; Springer Frauenried-hausen 1973, 43.
[12] Vgl. Sing Bilddokument 1976, 113.
[13] Der ursprünglich barocke Hochaltar, der 1866 entfernt wurde, war eine Stiftung eines ledigen Bauernsohns aus dem Jahr 1729; die Gemeinde ließ ihn 1746 farbig fassen. Vgl. Springer Frauenriedhausen 1973, 43.
[14] So zog Anwander laut Anton Merk „Anleihen aus den Fresken von Schwäbisch Gmünd, Schwennenbach und Unterkochen“ heran. Vgl. Merk Anwander 1982, 86.
[15] In ihrer Dissertation führt Sabine Poeschel als einziges Beispiel eine Zeichnung von Lazzaro Baldi an, die aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammt und im Gabinetto nazionale delle stampe in Rom aufbewahrt wird. Vgl. Poeschel Erdteile 1985, 249 und Kat.-Nr. 16.
[16] Vgl. zur Darstellungstradition ausführlich Romberg Welt in Österreich 2008.
Komplettes Verzeichnis der in der Dissertation verwendeten Literatur findet sich in der Datenbank unter Bibliografie > Dissertation.
(*) In Bezug auf das in den Kunstdenkmälern von Schwaben 1972 ausgewiesene Patrozinium Unser Lieben Frau Unbefleckter Empfängnis (250) liegt ein Irrtum vor. Ein Fehler, der sich durch die Literatur zieht. Richtig ist Mariä Himmelfahrt.
von West nach Ost:
LANGHAUS
- nördliche Seitenbilder:
- Marias Hilfe für die Sünder [Grisaille]
- Maria Verkündigung
- Marias Hilfe für die Kranken [Grisaille]
- Mittelbilder:
- Mariae Geburt
- Bekehrung durch Katechese [Signatur]
- Verherrlichung der Maria Immaculata
- südliche Seitenbilder:
- Marias Hilfe für die Christenheit, symbolisiert durch die Schlacht von Lepanto (Papst Pius V. und Don Juan d’Austria) [Grisaille]
- Maria Heimsuchung
- Marias Hilfe für die Bedrängten [Grisaille]
CHOR
- nördliche Zwickelbilder:
- Ev. Lukas
- Ev. Matthäus
- nördliches Seitenbild: Judith und Holofernes
- Mittelbild: Mariae Himmelfahrt
- südliches Seitenbild: Esther und Ahasverus
- südliche Zwickelbilder:
- Ev. Markus
- Ev. Johannes
Die Innenausstattung der Kirche wurde zwischen 1863 und 1868 durch das Entfernen des barocken Hochaltars (dat. 1729, gefasst 1746) sowie der Seitenaltäre und den Einbau neuer Altäre, einer Orgel und einer Kanzel im neuromanischen Stil tiefgreifend verändert. Zwar wurden das „neue“ Mobiliar im Rahmen der Innenrenovierung im Jahr 1954 wieder entfernt, aber die originalen Barockaltäre samt den Altarblättern von Johann Baptist Anwander waren unwiederbringlich verloren. 1957 wurde nur der Hochaltar (Fränkisch, um 1680/90) ersetzt.[1]
Die Fresken wurden 1904 erstmals vom Münchner Kunstmaler Huwyler restauriert und ein weiteres Mal 1954 im Zuge der Re-Barockisierung.[2] Sieben Jahre später wurde der Außenbau renoviert.
[1] Vgl. KD Schwaben 7/1972, 250, 252; Springer 1979, 341.
[2] Vgl. Springer 1973, 65.
Zuletzt aktualisiert am: 01.06.2017