Fulpmes (PB Innsbruck-Land), St. Veit Zitieren
Das Gemälde ist optisch und inhaltlich in mehrere metaphorisch zu deutende Bereiche geteilt. Die obere Hälfte ist die Sphäre des Himmels. Hier schwebt das Nomen sacrum umgeben von Engeln, darüber thront die Gottesmutter mit dem Christuskind. Auf der rechten Seite, etwas abgesetzt ist der Patron der Kirche, St. Veit, mit Märtyrerpalme und goldenem Kessel dargestellt.
Die untere Bildhälfte repräsentiert die irdische Sphäre. Zu beiden Seiten eines großen Globus sind die Allegorien der vier Erdteile angeordnet, von links nach rechts Afrika, Europa, Asien und Amerika. Wir sehen also gleichzeitig den Weltenball und die Verkörperungen der Menschheit. Auf dem Globus steht eine goldene Schale voll brennender Herzen. Sie symbolisieren die Liebe zu Christus, in der die ganze Welt entbrennt. Am rechten Bildrand ist außerdem noch ein massives Portal zu sehen, das Tor zur Unterwelt, dessen steinerne Türflügel niedergestürzt sind und den Blick auf die Seelen im Fegefeuer freigeben.
Als trennendes Element zwischen himmlischer und irdischer Sphären zieht sich eine weißlich-graue Wolkenbank quer durch das Bild, die über den Rahmen hinausreicht und ihre Fortsetzung noch in den seitlichen Kartuschen mit den Darstellungen des heiligen Martin und des heiligen Augustinus findet. Um diese augenfällige Komposition noch deutlicher zu machen, griff der Künstler auf das Medium der Schrift zurück: zwei Putti im Scheitelpunkt des Gemäldes halten ein Band mit der Inschrift „Die im Himmel“ und auf dem Globus steht in goldenen Lettern „auf Erden“. Es handelt sich dabei um ein Zitat aus dem Brief an die Philipper: „damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde / ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu“ (Phil 2,10).
Durch eine geschwungene Brüstung ist die irdische Sphäre nach unten von der Unterwelt abgegrenzt. Hier stellte Bergmüller den Sieg Gottes über das Böse dar. Wir finden eine Wiederholung der im oberen Bildbereich verwendeten Motive: ein geflügelter Putto schwebt über dem Höllenschlund. Er hält ein Rundschild mit dem Nomen sacrum, daraus fährt ein Blitz auf zwei dämonische Gestalten nieder und stürzt sie ins Feuer (Offb 20,14).
Die Positionierung der vier Erdteile verrät eine subtile Hierarchisierung. Europa, der christliche und vornehmste Kontinent, ist etwas erhöht und etwas weiter vorne im gemalten Raum positioniert. Auch ihr bodenlanges weißes Kleid hebt sie hervor. Sie wird von einem weißen Ross begleitet, ein typisches Attribut barocker Europaallegorien. Auf die besondere Beziehung Europas zum Christentum verweist das brennende Herz, dass Europa zum Himmel hochhebt. Auf einem reich geschnitzten Schemel neben ihr liegen Mitrenkrone und Tiara sowie Zepter und die Schlüssel Petri als Symbole kaiserlicher und päpstlicher Herrschaft. Gegenüber Europa, ein klein wenig zurückversetzt und niedriger positioniert, steht Asien neben dem Weltenball. Sie bietet in ihrer erhobenen rechten Hand ein goldenes Räucherfass zum Opfer dar. Hinter Europa steht Afrika, deutlich erkennbar an der Elefantenexuvie auf ihrem Haupt und dem Sonnenschirm, den ein Diener über sie hält. Auf der anderen Seite, neben Asien, sehen wir Amerika, eben im Begriff auf die Knie zu gehen. Sie trägt Federrock und einen Pfeilköcher als typische Attribute, ihr tierischer Begleiter ist ein Krokodil. Bemerkenswert ist die konische Kopfbedeckung, eigentlich eine Art Haarnetz, das in einen Haarschweif ausläuft und ganz ähnlich von Bergmüller auch in der Klosterkirchen von Eichstätt (1721) und Ochsenhausen (1725) gemalt wurde.
Die vier Erdteile sind hier wesentliches Element einer Botschaft eines hierarchischen Universums. Sie stehen für eine Menschheit und eine Welt, die bestimmt ist, durch Gott gerettet zu werden, während das Böse untergehen muss. Bergmüller nennt zwar in seinem Entwurf einen Passus aus dem Philipperbrief (Phil 2,10), die Gesamtkomposition mit der Vernichtung des Satans und der Darstellung des Fegefeuers verweist deutlich auf die Offenbarung des Johannes, insbesondere Kapitel 5 und 20.
Deckenfresken von West nach Ost:
- HAUPTSCHIFF
- Verehrung des Namen Jesu durch die vier Erdteile
- seitliche Kartuschen: heiliger Martin, heiliger Augustinus
- Stichkappen: die vier Evangelisten
- über Fenstern: Arche Noah, Regenbogen nach der Sintflut, Schöpfung, Weltkugel von Blitzen umgeben
- VIERUNG
- Triumph des Kreuzes, Erzengel Michael besiegt die Feinde des Kreuzes Christi (Häresie, Götzendienst, Sünde, Laster, Unglauben)
- Stichkappen: heilige Helena, heiliger Heraklius
- über Fenstern: Kreuz im Sturm, eherne Schlange
- CHOR
- Verehrung des Lammes und der Eucharistie, Heilige Dreifaltigkeit, Engel mit Aufriss der neu erbauten Kirche
- Zwickel: die drei theologischen Tugenden (fides, caritas, spes)
- Stichkappen: die sieben Gaben des Heiligen Geistes
1830 Innenrenovierung
1882–1884 Außenrenovierung
1925–1927 Außenrestaurierung
1928 Innenrestaurierung
1952 Außenrestaurierung
1969 Außenrestaurierung
1971 Innenrestaurierung
Für das Fresko in Fulpmes ist eine Federzeichnung Bergmüllers erhalten. Sie ist signiert und datiert: „JGB: fecit Fulpmes in Stubeyer Tal“; „Anno 1747 groß 30 schuh“. Am rechten Rand unten befindet sich ein schriftlicher Vermerk: „Das in dem Namen IHS sich biegen sollen all deren Knie, die im Himmel und auf Erden seind: Phil.c.II V.10“. Die Zeichnung befindet sich heute in Privatbesitz in Türkheim. [1]
[1] Epple 2000, 7f.
Die Anordnung der Erdteile sowie die Verwendung des Motivs des brennenden Herzens zeigen große Übereinstimmungen mit dem Fresko in der Vierungskuppel von Notre Dame de Sacre Coeur in Eichstätt, das Bergmüller über zwei Jahrzehnte zuvor gemalt hatte (1721). Auch die Darstellungen der Allegorien der Europa, Asien und Amerika weisen große Übereinstimmungen auf.
Zuletzt aktualisiert am: 19.03.2016