Ringingen (Zollernalbkreis), Unserer Lieben Frau Zitieren
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Innerhalb des runden Langhausfreskos hat sich auf der terrestrischen Randzone eine Vielzahl von Menschen versammelt, um der Vermählung Mariens mit dem Heiligen Geist beizuwohnen.[1] Maria auf Wolken kniend, ihr Haupt von einem Sternenring umfangen blickt zum zu einem Jüngling empor. Diese in Weiß gekleidete Figur mit Hermelinkragen und sieben Feuerzungen um sein Haupt reicht ihr die rechte Hand[2] entgegen. Es handelt sich hierbei um die seit der Bulle Sollicitudine Nostrae von Papst Benedikt XIV. (1740–1758) 1745 verbotene Vermenschlichung des Heiligen Geistes. Über dem Paar inmitten einer Leuchtgloriole segnen diesen Bund Gottvater und Jesus Christus, indem sie die Krone Mariens darreichen. Engel mit Weihrauchfass und Szepter sowie Putti umfliegen das Geschehen. Direkt unter dieser Szene haben sich vor einem Wandgebilde, dessen oberstes Ende ein offener, in Ringform gestalteter Baldachin ist, die Repräsentanten der Vier Erdteile versammelt. Ein Putto mit dem Papstkreuz sitzt auf dem linken Rand des Ringbaldachins. Rechts und links von ihm stehen an den äußeren Enden der Architektur zwei Vasen, die bis zum überlauf mit einer Vielfalt von Blumen geschmückt sind. Ein Kelch, über den eine Hostie erstrahlt, befindet sich unterhalb des Baldachins auf einer riesigen grauen Weltkugel, auf deren Vorderseite der Sündenfall dargestellt ist. Die Vier Erdteile flankieren diese Szene: links Europa und Asien und rechts Afrika und Amerika. Die Europaallegorie ist mit einem blauen Oberteil, unter dem das Weiß ihrer Bluse an den Armen hervorscheint, einem goldenen Brokatmantel mit Hermelinbesatz und einem langen zart rosa farbigen Rock gekleidet. Die Attribute ihrer Herrschaft – Krone und Szepter – befinden sich zu ihren Füßen auf einem Kissen. Zusätzlich trägt sie eine Krone auf ihrem weiß gepuderten Haar und einen Rosenkranz aus Perlen. Hinter ihr ist der Hals und Kopf eines Pferdes zu sehen. Sie deutet mit ihrer linken Hand auf eine Kartusche, die Symbole der päpstlichen Macht präsentiert: ein gevierteltes Wappen in der Mitte der Kartusche, die Tiara und die Schlüssel Petri. An den Seiten befinden sich Zweige des Lorbeers und der Palme. Das Wappen ist das des zur Zeit der Ausmalung amtierenden Papstes Clemens VIII. (1536–1605). Die Personifikation der Asia am linken Bildrand ähnelt in ihrer Physiognomie und Gewandung Europa. Nicht der bordeaux rote Mantel, das lange Kleid oder das goldene Oberteil offenbaren sie als Vertreterin des Fernen Ostens, sondern der Turban und das sie links begleitende Kamel. Europa gegenüber vollzieht die schwarz-häutige Africa einen Kniefall. Tief neigt sie ihren Kopf dem roten Teppich entgegen, der das Podest bedeckt. Schräg über ihre rechte Schulter ragt ein grüner Sonnenschirm, der ihren bloßen Oberkörper von der brennenden Sonne ihres Kontinents schützen soll. An Arm und Hals trägt sie Perlen und ihr Unterkörper ist mit einem rosa-gelben Tuch vollständig bedeckt. Ein Elfenbeinzahn als weiteres Attribut ragt unter dessen vorderen Ende hervor. Ihr zugehöriges Tier – ein Papagei – sitzt vorne rechts auf den verzwirbelten Ausläufern eines Inschriftenband mit der Inschrift Ich bin, was ich war, und war nicht, was ich bin, Jungfrau und Mutter. Die ebenfalls weibliche Repräsentantin America steht aufrecht hinter ihrer Schwester. Wie die Europa oder die Asia schaut sie direkt in den Himmel zu Maria hoch. Ihre gefalteten Hände kopieren ihren himmelnden Blick. Das Weiß ihres Federrocks und ihrer Federkrone kontrastiert zu ihrem dunkelbraunen Hautton und dem grün-gelben Tuch hinter ihr. Ein Löwe lauert zu ihrer Linken auf den Stufen.
Rechts und links vom Wandgebilde öffnet sich der Blick auf eine größere Gruppe von Menschen und einer Landschaft. Links neben dem Kamel der Asia ist am Fuß eines Hügels eine Dorflandschaft mit Kirche zu sehen. Auf dem Hügel selber steht eine Burgruine. Es handelt sich hierbei um die Pfarrkirche St. Martin in Ringingen und der Burgruine auf dem Nehberg. Der Besitzer der Kirche, der Ortsgeistliche, deutet links davon auf die Szene. Er trägt eine schwarze Soutane, weißes Chorhemd, rote Stola und ein schwarzes Beffchen. Ins Auge stechen seine portraithaften Züge. Es handelt sich hierbei um den eigentlichen Auftraggeber der Ausstattung und Onkel des Malers: Johannes Baptist Maria Bitzenhofer (1699–1784). Hinter ihm ist eine Vielzahl von betenden Männern, Frauen und Kindern in Volkstracht[3] zu sehen, die anders als ihr Pendant genau gegenüber dieser Szene gesund sind. In der Menschengruppe rechts vom Wandgebilde befinden sich eine Reihe von kranken Personen unterschiedlichsten Geschlechts und Alter. Ein kleiner Drache als Symbol der Sünde entweicht dem bettlägerigen Mann in der Mitte der Szene. Wiederum ein Blick auf Häuser und Landschaft verbindet diese Szene zu den Erdteilallegorien. Eines der Häuser ist die 1834 abgerissene St. Gallus Kapelle von Ringingen.[4]
Die Darstellung Maria als Braut des Hl. Geistes ist an sich schon selten und vor allem im österreichisch-süddeutschen Raum zu finden,[5] aber in Kombination mit dem Heiligen Geist als Jüngling sowie mit den Vier Erdteilen findet man sie bislang nur noch in der Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt in Altdorf von der Hand Matthäus Günther (1705–1788), wobei sich die Erdteile zwar im selben Raum, aber nicht im selben Bild befinden.[6] Das Altdorfer Chorfresko bzw. dessen heute verschollenen Entwurf[7] wurde in einem Kupferstich[8] verbreitet, der wiederum als Vorlage für Dent in der Ringinger Marienkapelle und auch bereits 1758 in der Pfarrkirche von Egesheim diente. Während sich das Thema auf Lk 1,35 – „Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ – bezieht, gründet die Vermenschlichung des Heiligen Geistes innerhalb verschiedener Visionen der Nonne und späteren Oberin Crescentia Höß (1682–1744) des Franziskanerinnenklosters in Kaufbeuren. Das Ausstattungsprogramm wurde in Zusammenarbeit von Onkel und Neffe ausgearbeitet. Einerseits war Dent mit der Langhauskomposition bereits aus seiner Tätigkeit in Ertingen und Egesheim 1758 vertraut, andererseits lässt auch der deutliche Bezug des Freskos zu den Ringinger Bewohnern und dessen Ortsgeistlichen eine enge Involvierung des Auftraggebers plausibel erscheinen. Letztlich waren es auch die Ringinger Einwohner, die den notwendigen Neubau mit ermöglichten. In einem Schreiben des Vorgängers Magnus Tiberius von Pflummern (1692–1765)[9] vom 17.7.1736 an den Patronatsherren, dem Fürsten zu Fürstenberg, bezeichnet dieser den Zustand der Kapelle derart desaströs, dass Reparaturen notwendig wären, „um dem völligen Ruin zuvorzukommen“[10]. Zum Neubau der „uralten, erarmten Marianischen Gnadenkapelle“ würde man fürstliche Unterstützung benötigen, da die Pfarrgemeinde bereits durch den kurz vorher erfolgten Neubau der Pfarrkirche St. Martin (zw. 1707 und 1724) am Rande seiner finanziellen Kräfte sei.[11] Wie Quellen belegen spendete nicht nur der Fürst, sondern auch die Bürger zahlreich.[12] Eine enge Verbundenheit mit der Kapelle gründet auch in der damals existierenden Wallfahrt, deren Ursprung im Dunkeln liegt. Wie von Pfarrer von Pflummern in seinem Schreiben von 1736 erwähnt würde die Kapelle „schon einige hundert Jahre hero von den umliegenden Orten vielfältig besuechet“[13]. Ziel war das heute verlorene „sehr anmüetige Gnadenbild“, das im Zuge der Barockisierung durch ein Bild Dents ausgetauscht worden war. Die breite Akzeptanz der Kapelle zeigt sich auch in der Tatsache, dass sieben Jahre nach Neubau ebenfalls unter der Ägide von Pfarrer Bitzenhofer eine „Marianische Bruderschaft und Bundesvereinigung unter dem Titel und Schutz Maria vom Guten Rath“[14] ins Leben gerufen wurde. Allerdings wurde diese gemeinsam mit der Wallfahrt keine hundert Jahre später unter Pfarrer Joachim Eichele (1866–1869) eingestellt.[15]
[1] Meist wird in der Literatur das Thema als „Maria Himmelfahrt“ bezeichnet. Vgl. Kraus 1925, 2; Pfeffer 1932, 38; Kraus 1968, 15; Dehio II/1997, 587.
[2] Die Hand fehlt heute auf dem Fresko, allerdings sieht man sie auf dem Vorlagenstich von Matthäus Günther. Vgl. Abb.
[3] vgl. hierzu auch Rettenbach.
[4] Ringingen besaß um 1800 vier Kapellen (Galluskapelle, Schächerkapelle (bzw St. Jakoben bereits im 17. Jh. zerst.) und Bernhardkapelle. Alle bis auf die Marienkapelle wurden 1834 zerstört. Vgl. Kraus 1925, 9; ders 1957, 36–51; Badura 2007, 25f.
[5] vgl. LCI 2/1994, 230; LCI 3/1994, 200; Oehler 1998, 316–326.
[6] Aufgrund Schäden im mittleren Teil des Freskos ist das Ursprungsthema nicht mehr zu eruieren, aber die Übereinstimmungen in den Erdteilallegorien, die vermutete Beteiligung Dents in der Umsetzung sowie die nahe Datierung auf das Jahr 1758 erlauben die Annahme, dass auch in der Ertinger Marienkirche ursprünglich das Brautthema dargestellt war. Eventuell wurde wegen dem päpstlichen Verbotes von 1745 von der Wiederherstellung des Originalthemas mit dem Heiligen Geist als Jüngling bei späteren Restaurierungen abgesehen. Vgl. ausführlich Ertingen (Kat.Nr.) und AK Augsburg 1988, 350 Kat. 135. Der Autor begründet die Existenz der geringen Überlieferung des Kupferstichs mit dem Heilig-Geist als Jüngling mit dem päpstlichen Verbot.
[7] Eine Abbildung des Entwurfs findet sich in AK Augsburg 1988, 222 Kat. 29. Laut Signatur wurde er zunächst Johann Evangelist Holzer (1709–1740) zugeschrieben (vgl. Pfeffer 1932, 39). Günther wiederholte das Thema um 1748 auch in der Schongauer Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt.
[8] Der Kupferstich wurde von Gottfried Haid um 1748 gestochen. Für eine Abbildung siehe AK Augsburg 1988, 350 Kat. Nr. 135.
[9] Pflummern war ein hochgebildeter Geistlicher, der u.a. in Rom studierte und von 1738 bis 1752 als Kanoniker im Stift Buchau weilte. Vgl. Theil 1994, 332f.
[10] Zitiert nach Kraus 1968, 10.
[11] Vgl. Kraus 1968, 10.
[12] Eine Liste der umfangreichsten Spender zitiert Kraus 1968, 11.
[13] Zitiert nach Kraus 1968, 10. Es findet sich aus dem Jahr 1650 ein Eintrag im Taufbuch von Hausen i.K., der auf eine Pilgerwanderung am Fest der Hl. Margarethe verweist. Noch 1842 anlässlich der Feier des Namens Mariens wurde das Gnadenbild in der Kapelle aufgesucht.
[14] Kraus 1968, 11. Hier sind auch die Regeln und Satzungen zusammengefasst.
[15] Vgl. Kraus 1968, 11f.
Von West nach Ost:
Langhaus
- Decke: Die Vermählung Mariens mit dem Heiligen Geist, verehrt von den Vier Erdteilen und dem Wappen Papst Clemens XIII. (1693/1758–1769)
- Wand:
- nördlich: Johannes Baptist predigt den Juden
- südlich: Johannes Nepomuk im Chorhemd hält das Kreuz
Chor: Jephtas Rückkehr aus der Schlacht
Trotz dokumentierter Beschädigungen sind die Fresken augenscheinlich in einem guten Zustand. 1891 restaurierte der Maler Josef Loren aus Melchingen-Sigmaringen das Chorfresko, da der linke Teil mit der Burg und der Tochter Jephtas sich von der Decke gelöst hatte.[1] Im Zuge dessen hat er u.a. die Altareinrahmung übertüncht.[2] 1927 musste auch erstmals ein Teil des Langhausfreskos erneuert werden. Es handelt sich hierbei um die Gruppe der Kranken hinten rechts, die von Anton Frank aus Tafertsweiler ersetzt wurde.[3] Wie historische Aufnahmen von 1936 im BKA Marburg einerseits zeigen wurden vmtl. bereits 1891 die Wände und der Chorbogen mit Jugendstilelemente verziert.[4] Andererseits auch, dass das Langhausfresko keine größeren Ausbesserungsmaßnahmen in den folgenden umfassenden Restaurationen in den 1960er und 1980er bedurfte. 1967 Schäden von der Firma Marmon Fidelis-Sigmaringen behoben, die der Zweite Weltkrieg (1938 Erschütterungen durch Manöverfahrzeugen und 1945 drei Granattreffer im Chor) hinterlassen hatte. [5] Die ausgeführten Maßnahmen umfassten: Beseitigung der Schäden am Chorfresko, Befreiung der über den Chorfenstern gemalten Blumengebinde und kleinerer Bilder von Tünche, Auffrischung der Apostelkreuze. Das am 3.9.1978 die ganze Region erschütternde Erdbeben, dessen Epizentrum im 14 km entfernten Tailfingen lag, verursachte das Ablösen des Deckenputzes. Das Einziehen von Latten verhinderte das Schlimmste. Fünf Jahre später restaurierte die Firma Warmuth aus Tuttlingen die Schäden.[6] Der Verein der Marienkapelle sammelt momentan Spenden für erneute Aussensarnierungsmaßnahmen der Kapelle (Drainage-Arbeiten, Neuverputzung, Dachstuhl).[7]
[1] Vgl. Pfeffer 1932, 38; Kraus 1968, 14.
[2] Vgl. Kraus 1968, 17.
[3] Vgl. KD Hohenzollern 1/1939, 264; Kraus 1968, 16.
[4] Vgl. BKA Marburg „mi02794a05“ und „mi02794a06“.
[5] Vgl. Kraus 1968, 14.
[6] Vgl. Unmuth 2007, 21.
[7] Zeitungsartikel Südwest Presse (SWP) vom 26.03., 11.05.2011 und vom 26.05.2012.
Als Vorlage für die Mittelszene diente Dent eine Radierung von Matthäus Günther. Zwei Fassungen befinden sich heute in den Augsburger Städtische Kunstsammlungen unter den Inv. Nr. G 21004 und 5356. Für Abbildungen siehe AK Augsburg 1988, 350, Kat. Nr. 135.
Die Erdteilallegorien sind eine wortgetreue Kopie der von Joseph Ignaz Wegscheider gemalten Komposition in der Wallfahrtskirche von Ertingen.
Zuletzt aktualisiert am: 09.03.2017