Wien (PB Wien) Niederösterreichisches Landhaus Zitieren
- 1 von 2
- ›
In der Mitte der Decke ist die göttliche Vorsehung in Gestalt einer Königin zu sehen. Sie sitzt auf Wolken, trägt Krone und Zepter und hat ein blaues Kleid sowie einen goldenen Mantel an. Zu ihren Füßen sitzt Austria. Sie trägt einen Markgrafenmantel. Von einem Kissen, das ihr von zwei Putti entgegengebracht wird, nimmt sie gerade den Markgrafenhut entgegen. Um die zwei Figuren schweben Putti und Genien, die die Insignien der Länder, die unter österreichischer Herrschaft stehen, tragen[1], wobei die Personifikation Ungarns separat links oben dargestellt ist. Ein Putto mit einem Schwert eilt ihr zu Hilfe. Links unten von der Gruppe sind zwei weibliche Engel. Eine deutet auf die Szene, trägt eine Krone und entblößt eine Brust. Rechts oben von der „Vorsehung“ und Austria sind ein männlicher Engel und zwei Putti zu sehen. Sie tragen eine Platte. Rechts unten sind zwei weibliche Engel und zwei Putti zu sehen, die eine Krone auf einem Kissen tragen.
An den Schmalseiten der langen Decke sind zwei weitere Engel zu sehen. Sie verkörpern „Ehre“ und „Ruhm“ und tragen Posaunen. „Ruhm“ ist auf der südlichen Seite der Decke, während „Ehre“ auf der nördlichen Seite zu sehen ist. Auf dem jeweiligen Posaunentuch sind zwei lateinische Sprüche zu lesen „Imperium Sine Fine Dedi[2]“ (Ehre) und „Nec Metas Rerum Nec Tempora Pono“ (Ruhm).[3] Der Engel der Ehre trägt in der linken Hand eine Lanze, um ihn herum sind Kornähren abgebildet. Der „Ruhm“ wird von vier Putti flankiert. Drei tragen eine rosa Fahne und eine Krone, ein Putto bläst eine Posaune.
Die vier Erdteilallegorien sind in den vier Ecken des Saales auf einem gemalten Podest zu finden. Das Podest geht über zwei Voluten und einen Marmorsockel in die reale Gesimsarchitektur des Raumes über. Bis auf Asien zeigen drei Personifikationen auf Landkarten, auf denen die Besitzungen des Hauses Österreichs auf der ganzen Welt zu sehen sind. Beim Betreten des Saales sieht man zuerst Europa (in der südlichen Ecke). Auf den Voluten ihres Podestes liegen Buch, Mal- und Musikinstrumente. Sie sitzt auf einem Stier, dessen Kopf und Hals mit Blumen geschmückt sind, und ist in ein weißes Kleid mit einem blauen wallenden Tuch gekleidet. Ihr Haupt schmückt eine Krone. Sie wendet sich zwei über ihr fliegenden Putti zu und macht diese mit ihrer rechten Hand auf die Karte in ihrer linken Hand aufmerksam. Die Putti halten selber ein großes Buch sowie weitere Symbole der Macht (zwei Kronen, Zepter und die Tiara) in ihren Händen. Hinterfangen ist die Szene von vier Fahnen in den Farben Grün, Rot und Lila. Die vierte Fahne ist rot-weiß gestreift.
In der östlichen Ecke ist „Amerika“ zu sehen. Sie steht aufrecht in dynamischer Pose auf ihrem Steinpodest. Ein langes rotes Tuch umweht sie in stürmischen Wellen. Mit ihrem rechten Fuß tritt sie die Brust eines jungen muskulösen Mannes. Ein Pfeil in seinem Kopf tötete ihn. Auf seinem Unterleib sitzt ein krokodilähnliches Wesen, das die Personifikation Amerikas anfaucht. Sie trägt Schnürsandalen, einen Federrock und Federarmbänder. Eine Krone mit buntem Federschmuck auf ihrem Kopf sowie der Bogen in ihrer Hand, ein Köcher mit Pfeilen auf ihrem Rücken und unterhalb ihres Podestes sind Belege ihrer edlen kriegerischen Gesinnung. Auch sie interagiert mit den um sie herumfliegenden Putti. Während sie den Linken von ihr – so scheint es – in der Geografie ihres Landes unterweist, halten die anderen beiden den Gegenstand der Unterweisung: die Karte. Zu ihrer rechten Seite sind noch zwei Putti zu sehen, die einen Kriegshelm tragen.
In der nördlichen Ecke befindet sich die dunkelhäutige Vertreterin Afrika in Begleitung eines löwen- und drachenartigen Ungeheuers. Sie ist nackt, bis auf mit Perlen besetzten Goldbändern um Bauch und Arme sowie ein riesiges weißes Tuch, das mit rot-blau-gelben Streifen durchzogen ist. Das Tuch dient ihr sowohl als Sitzfläche wie auch als Decke für ihre Scham und das rechte Bein. Während sie dem Löwen mit ihrer rechten Hand in die Mähne greift, tritt sie dem Drachen mit ihrer linken Schnürsandale in den Nacken. Scheinbar als Schutz vor der brennenden Sonne hält ein Putto mit gleichem dunklem Inkarnat und krausem schwarzem Haar einen blauen Schirm über sie. Seine „Brüder“ auf der anderen Seite Afrikas präsentieren ihr eine Karte. Im mit Perlenschnüren geschmückten Haar trägt sie eine Krone und Koralle. Auf den Voluten zu ihren Füßen sind weitere Attribute drapiert: Korallen, eine Schlange, ein wieselartiges Tier sowie Kornähren.
In der westlichen Ecke ist Asien auf einem Kamel zu sehen. Gekleidet in einem grünen langen Gewand und orangefarbigen Tuch trägt sie einen Turban. Dieser, als Verweis auf den muslimischen Glauben interpretiert, steht im Gegensatz zum Kreuz als christliches Symbol in ihrer linken emporgehobenen Hand. Aufgelöst wird dieses Spannungsfeld einerseits durch die Kette an ihrem linken Fuß, auf die sie mit ihrer rechten Hand deutet und die von einem in Rückenansicht wiedergebenden Putto gehalten wird, und andererseits von ihrem nach oben auf die Personifikation der Austria gerichteten flehenden Blick. Zwei Putti über ihr halten ein Weihrauchgefäß und einen Kelch. Auf den Voluten unter ihr liegen ein Turban, ein Säbel, ein Köcher voller Pfeile, ein Bogen und eine Perlenkette.
In den Feldern zwischen den Erdteilallegorien sind die bedeutendsten Flüsse der österreichischen und spanischen Länder, personifiziert als Flussgötter in Gestalt alter Männer mit langen Bärten, zu sehen. Dargestellt sind die Flüsse Sebethos bei Neapel, die Donau, der Po, der Rhein, die Elbe, der Tajo, die Save und der Rio de la Plata. Alle diese Flüsse können nicht nur aufgrund der Inschriftenfelder in gemalten Marmorsockel oberhalb des Gesimes eindeutig identifiziert werden, sondern werden zum Teil auch über Handlungen kontextualisiert. Zwischen Afrika und Amerika befinden sich die Save, der Tajo und die Elbe (in dieser Reihenfolge). Hierauf folgen zwischen Amerika und Europa der Silberfluss und zwischen Europa und Asien der Sebethos, die Donau und der Po. Der Rhein beschließt die Reihe der Flussgötter zwischen Asien und Afrika.
Die Personifizierung des Rheins stützt sich auf ein Arrangement von verschiedenen Kriegsgeräten. Sein Rücken ist dem Betrachter zugewandt und wendet seinen Kopf nach links, um über seine Schulter zur habsburgischen Fahne emporzublicken. Einer der drei Putti neben ihm schlägt eine Trommel. Unter ihm steht der Schriftzug, „Rhenus Silvestrem Lambitavstriam“.[4]
Die Personifizierung der Save scheint von Möwen attackiert zu werden, während ein Putto auf die Möwen mit einer Armbrust zielt. Ein anderer Putto zieht einen Fisch aus einem Kessel. Unter ihnen steht der Schriftzug, „Savus Austriacis Hostibus Saevus“.[5]
Der Tajo hält ein Reisigbündel und ein Paddel in der Hand. Zwei Putti übergeben ihm ein Reisigbündel. Unter ihm befinden sich drei Putti. Einer blickt empor zu zwei weiblichen Engeln, die über den Tajo schweben und Kronen auf Kissen tragen. Unter dem Tajo ist die Inschrift „Tactis Sareus“ zu lesen.[6]
Die Elbe öffnet eine Auster, um die darin enthaltene Perle zu zeigen. Sie wird von mehreren Putti umringt. Einer hält noch eine Auster, ein anderer spielt mit einer Perlenkette. Ein weiterer Putto greift zu einem Netz mit Austern. Darunter steht „Albis Bohemae Clarus Unionibus.“[7]
Der Rio de la Plata gießt Wasser aus einem Kessel in ein Sieb, assistiert von drei Putti. Unter ihm ist die Inschrift, „Rivus Argenteus Qui Indos Austriacos Ditat“ [8] zu lesen.
Die Personifizierung des Sebethos trägt ein Paddel, das mit zwei Lorbeerkränzen geschmückt ist. Er selbst hält einen Lorbeerkranz in der Hand und stützt sich auf einem Kessel auf, in dem ein Fisch schwimmt. Ein Putto greift zum Fisch. Über ihm und zu seiner rechten Seite ist ein Mann zu sehen, der einen Kriegshelm mit Federbusch und grünes, rotes und weißes Gewand trägt. Unter dem Flussgott ist die Inschrift, „Sebethos in Magnitudine non Exicuus Austriaca“ zu sehen.[9]
Die Donau gießt über eine zu ihren Füßen liegende Figur mit Turban Wasser. Neben dem Flussgott sind zwei Putti zu sehen, von denen einer eine Koralle trägt und der andere zu einem großen Fisch (wahrscheinlich ein Belugastör) greift. Über ihm fliegt ein Adler, der Blitze in seinen Krallen trägt. Zu seiner linken Seite schwingt ein Putto ein Schwert und einen Lorbeerkranz. Unter ihnen steht der Schriftzug „Vix Danubius Nontotus Austriacus“.[10]
Der Po hält ein Paddel in der Hand. Er hat seinen Rücken zum Betrachter gedreht und ist von zwei Schwänen umgeben. Ein Putto klettert auf seinen Bauch und hält einen Schwan. Zu seiner linken Seite sind drei Putti. Ein Putto hält eine Krone, ein anderer trägt eine Krone auf einem Kissen. Unter dem Po ist der Schriftzug, „Austriacos Eridanus Claudit Insubres“.[11] „
Im gesamten Fresko sind mehrere Putti und Engel zu sehen, die Kronen tragen, entweder auf Kissen oder in den Händen.
[1] A. Kusternig, 2007, 149.
[2] Das Reich habe ich gegeben ohne Ende.
[3] Ich setze keine Grenze den Dingen noch der Zeit.
[4] Der Rhein bespült das waldige Österreich.
[5] Die Save, wo sich die österreichischen Waffen durch Kriege berühmt machten.
[6] Der sich leiser wendet.
[7]Die Elbesammelt die Bäche Böhmens.
[8] Der silberne Fluss, der die österreichischen Indien bereichert.
[9] Der Sebethos ist in seiner Größe nicht ein Geringes für Österreich.
[10] Die Donau, welche beinahe zur Gänze österreichisch ist.
[11] Der Po schließt die österreichischen Insubrer ein.
Laut der Übersetzung des Programms von Graf Comazzi durch Fitzinger diente die gesamte Ausstattung dazu, „den Besuchern ein Bild der österreichischen Größe vor Augen zu stellen.“[1] Wobei Kusternig meint, Fitzinger habe einen Fehler begangen. Auf Lateinisch lautet der Text, „species magnitinis Austriacae Gentis.“, was Kusternig mit „der Größe des Hauses Osterreich“ übersetzt.[2] Dieser Fehler, meinte Kusternig, ist der eigentliche Grund für die kontrovers geführte inhaltliche Deutung der Fresken. Ist das Land oder das Haus Österreich dargestellt? Jedenfalls dienen die Fresken, Österreich (als Land oder als Haus) zu glorifizieren. Das war zu einer Zeit, als Prinz Eugen seinen großen Sieg über das osmanische Reich bei der Schlacht von Zenta errungen (1697) hatte und Österreich, machtpolitisch gesehen, im Mittelpunkt des Abendlandes stand.[3] Der Prunksaal sollte Ausdruck dieser Macht sein.
Die Figur in der Mitte des Deckengewölbes, die Vorsehung, erteilt dem Haus Österreich den Auftrag zur Weltherrschaft.[4] Das Zepter, das die Vorsehung trägt, soll nach Comazzi auch die Wachsamkeit symbolisieren und ist ein wichtiges Charakteristikum. Hier bezieht er sich auf eine Vision des Propheten Jeremia.[5]. In dieser mahnt Gottvater diesen in Form eines „erwachenden Zweigs“ (Jer 1,11) zur Treue und Wachsamkeit, da „von Norden her sich das Unheil über alle Bewohner des Landes“ (Jer 1,14) ergieße zur Zerstörung Jerusalems und seiner häretischen Bewohner. In Verbindung mit dem Thema der Größe des Hauses Österreichs können wir dies so deuten, dass die Größe habsburgischer Macht/des habsburgischen Reichs nur mit Wachsamkeit und Treue zum richtigen Glaube (Christentum) zu bewahren sei.
Kusternig meint, dieser Saal sei selbst eine Widerspiegelung eines Konflikts: „Comazzi (…) hatte (…) den Auftrag (…) einen Deckenschmuck zu konzipieren, der sowohl den Ansprüchen seines kaiserlichen Brotgebers Genüge leisten sollte als auch der Stände des Landes unter der Enns.“[6] So ist die Personifizierung der Austria als eine Darstellung des Hauses Österreich wie des Landes Österreich zu verstehen. Dies erklärt, warum Austria zu einem Markgrafenhut greift und warum Symbole wie der steirische Panther und der böhmische Löwe das zentrale Fresko umgeben.
Die Erdteilallegorien verkörpern (abgesehen von Asien) jene Länder, auf die das Haus Österreich (inkl. der spanischen Linie) Anspruch erhob. Die Krone, die Europa trägt, könnte so gedeutet werden, dass Europa Herrscher über alles ist, und in diesem Sinne sollte man Europa als Haus Österreich verstehen. Dass Europa auf einem Stier sitzt, geht auf den antiken Europamythos zurück. Wie Rougemont in seinem Buch „Europa und seine Kultur“ vermutet, hat der Europamythos einen „semitischen Ursprung“. Die Phönizier beteten den Stiergott „El“ an (der vermutlich der Vater des hebräischen Jahwehs war), „der mit Vorliebe Mädchen von den Gestaaden Kanaans, aus Tyros und Sidon (…) entführte.“[7] Dieser Gott, so Rougemont, wurde von dem Griechen als „Zeus“ übernommen und verkörperte die Verschmelzung griechischer und asiatischer Kultur im Mittelmeerraum. Diese Tradition blieb im europäischen Raum erhalten. In einem Atlas von 1595 wurde dies von Mercator diskutiert. („Der Stier, der nach ihrer Meinung Europa getragen haben soll, verkörpert sicher recht gute Sitten und Eigenart der Europäer“[8]). Europa auf dem Stier war auch ein Glückssymbol in der antiken Zeit. Europa wurde von Zeus auserwählt, was damals eine Metapher für Glück und Fruchtbarkeit war.[9] Die drei Aspekte Auserwähltheit, Glück und Fruchtbarkeit wurden weiterhin bis ins Mittelalter mit Europa auf dem Stier verbunden.[10] Diese Tradition bleibt bis heute lebendig wie Zeitungskarikaturen beweisen, die ebenfalls Europa als Frau auf einem Stier darstellen. Das mit Blumen geschmückte Haupt des Stiers könnte Frieden bedeuten. Die Musikinstrumente manifestieren Europas Vorrangstellung in den Künsten. Europa wie auch die anderen Figuren deuten auf eine Landkarte, bei der anzunehmen ist, dass hier ursprünglich die Besitztümer Österreichs dargestellt worden waren. Allerdings ist dies heute aufgrund des Erhaltungszustands nicht mehr festzustellen.[11] Die Länder, die zu Österreich gehörten, werden stattdessen durch die Kronen symbolisiert, die von Putti im gesamten Fresko getragen werden.
Amerika trägt ebenfalls eine Krone. Sie ist mit Federn und Gewand bekleidet, was auf die Wildheit Amerikas hindeutet und eine typische Darstellung dieser Zeit war.[12] Die Figur, auf die sie tritt, könnte einen indigenen Kannibalen darstellen, der vom zivilisierten Christentum (in der Gestalt der Frau) besiegt wurde. Wie Karl-Heinz Kohl beschreibt, wurden „bis in das ausgehende 18. Jahrhundert (…) Nacktheit und Kannibalismus (…) in der Kartographie und bildenden Kunst zu den bevorzugten Attributen der Neuen Welt.“[13] So kann vermutet werden, dass diese Figur die besiegte Wildheit (die mit dem Kannibalismus verbunden war) Amerikas darstellt. Auf dem Unterleib des Mannes sitzt eine Art Krokodil, das ein typisches Attribut der Amerika darstellt. Die Weise, in der es Amerika anfaucht, könnte bedeuten, dass es sich über den Tod seines „Gefährten“ empört.
Für Asien liegt eine interessante Deutung von Commazi vor: „(…) weil (Österreich) kein Reich in Asien besitzt, so zeige diese auf das gestützte Kreuz und erflehe sich, in Ketten gefesselt, von österreichischer Kraft die Freiheit, damit Syrien, welches das Vaterland Gottes, des Menschen und unserer rechtgläubigen Religion ist, nicht in der Sklaverei der Barbaren verbleibe.“[14] So können wir sehen, dass Asien mit ihrem Turban vom Islam „gefesselt“ ist und auf die Befreiung durch Österreich wartet. Österreich hatte das osmanische Reich bei der Schlacht bei Zenta in 1697 besiegt. Das Kamel, auf dem Asien sitzt, war damals ein typisches Symbol für Asien.
Die Personifizierung Afrikas ist fast nackt und mit goldenem Schmuck bedeckt, was ihre Wildheit, Unverdorbenheit, aber auch ihren Reichtum zum Ausdruck bringen sollte. Die wilden Tiere, die sie umgeben, sind möglicherweise ein Drache und ein Löwe. Diese Tiere sollten die Wildheit und auch Gefährlichkeit Afrikas darstellen. Die Koralle Afrikas und ihr goldener Schmuck könnten auf den Reichtum Afrikas hindeuten. Ebenso wie die Kornähre, die die Fruchtbarkeit Afrikas darstellt und als Reminiszenz der antiken Bedeutung Afrika als Kornkammer Roms tradiert wird. Genauso könnten die Kornähren, die zwischen Afrika und Asien an der Decke angebracht sind, die Furchtbarkeit der beiden Erdteile repräsentieren.
Der Flussgott, der den Rhein personifiziert, ist von Waffen umgegeben und blickt in Richtung der habsburgischen Fahne. Kusternig ist der Meinung, dass das eine Anspielung auf Österreichs Anspruch auf das linksrheinische Elsass ist, das zu dieser Zeit zu Frankreich gehörte.[15] Eine andere Interpretation wäre, dass diese Szene auf Vorderösterreich zurückgeht, das zum Haus Österreich gehörte, aber von Frankreich bedroht war und stets einen Streitpunkt zwischen Österreich und Frankreich bildete.
Der Flussgott Donau spült Wasser über den Kopf eines Menschen, der einen Turban trägt. Das ist ein Verweis auf die Siege, die das habsburgische Reich kurz davor über das osmanische Reich in Südosteuropa errungen hatte. Eine andere Interpretation wäre, dies könnte eine Anspielung auf die Tatsache sein, dass die Donau zuerst durch die österreichischen Länder und dann durch osmanisches Territorium bis ins Schwarze Meer floss, das zu dieser Zeit noch ein „türkischer See“ war. Vielleicht sehen wir in dieser Darstellung auch den Wunsch, die Siege über die Osmanen noch weiterzutragen, bis zum Schwarzen Meer?
Bei den anderen Flussgöttern haben wir deutliche Hinweise von Comazzi darüber, wie sie zu deuten sind. Ein Beispiel ist die Elbe, hier erwähnte Comazzi schriftlich in seinem Programm die Austern, weil Mähren (durch das die Elbe fließt) für seine Austern bekannt war. Die Ströme fließen alle durch Territorien, die den österreichischen oder den spanischen Hasburgern gehörten. Dies dient dazu, die Größe des Haus Österreichs – real oder erwünscht – zu betonen.
Es gibt Hinweise, dass manche Symbole im gesamten Fresko nicht klar dargestellt worden sind. Als Comazzi den Entwurf schrieb, war Österreich am Höhepunkt seiner Macht. Der Sieg über die Osmanen (1697), das Friedensangebot von Ludwig XIV. (1709) und die Siege in Spanien gaben den Habsburgern Hoffnung (1710), dass sie den spanischen Besitz unter das Haus Österreich einbeziehen könnten. Die spanischen Besitzungen inkludierten die amerikanischen Kolonien und die Besitzungen in Afrika. Diese möglichen Besitzungen, kombiniert mit den Ländern, die sie durch ihre Siege gegenüber den Osmanen (Slawonien, Teile Ungarns, Siebenburgen) erworben hatten, hätten das Haus Österreich wohl zu einer noch mächtigeren Dynastie gemacht. Wie Kusternig es formuliert, „Vielleicht kreuzte sich ein Wunsch, diese Siegeszuversicht für die Nachwelt festzuhalten.“[16]
Die österreichische Fahne in der Mitte des Freskos ist nicht rot-weiß-rot, sondern „nur der mittlere Balken ist rot, während die oberen und unteren Farben ein eher schmutziges Weiß zeigen!“[17] Es gibt auch Unstimmigkeiten in der Darstellung der Fahnen, die die Vorsehung umgeben; der steirische Panther und der böhmische Löwe blicken in die „falsche Richtung“, und die Farben des kroatischen Wappens stimmen nicht, sie sind Silber-Rot statt Weiß-Schwarz.[18] Zwei Länder kommen vor, die nicht im Programm von Comazzi standen: die Wappen Bosniens und Dalmatiens werden dargestellt, während es keine Spur von Mähren gibt, das in Comazzis Liste vorkommt.
[1] Giovanni Commazi, 1949, VII.
[2] Kusternig, 2007, 538.
[3] R. Feuchtmüller, 23.
[4] Ibid.
[5] Comazzi, VIII
[6] Kusternig, 2007, 149.
[7] Rougemont, 1950, 20.
[8] Ibid, S. 23.
[9] W. Schmale, 2000, 26.
[10] Ibid., 33.
[11] Giovanni Commazi, VIII.
[12] K. H. Kohl, 26.
[13] Ibid., 33.
[14] Giovanni Commazi, VIII.
[15] Commazi, ibid., VIII.
[16] Kusternig, 2006, 152.
[17] Ibid., 147.
[18] Ibid.
DECKENFRESKO
- Zentrum:
- Providentia und Austria
- Seiten:
- Fünfvogelwappen und Genius des Ruhmes
- Bindenschild und Genius der Ehre
- Gewölbesegmente zwischen den Stichkappen: Die Flüsse des Hauses Österreich
- Fensterseite (SW), von links nach rechts: Po, Donau, Sebethos
- Wandseite (NO), von links nach rechts: Elbe, Tajo, Save
- Schmalseite NW: Rio de la Plata
- Schmalseite SO: Rhein
- Lünetten über den Türen: herrscherliche Tugenden
- links: Sapientia
- rechts: Justitia
- Ecken:
- N: Amerika
- O: Afrika
- S: Asien
- W: Europa
Die Fresken befinden sich in einem guten Zustand. Trotzdem ist Kusternig (2007) der Meinung, dass die Fresken sich schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts in einem schlechten Zustand befanden, da der Saal nicht nur für Musikaufführungen und andere Feste verwendet wurde, sondern auch als Kornmagazin (1809), als Lokal für Lottoziehungen (ab 1799) und als Aktendepot (seit 1820) diente, was mehrmalige Umbauten bedingte.[1] Der Maler Johann Peter Krafft hatte die Fresken 1841 inspiziert und stellte Sprünge im Gewölbe sowie Schädigungen durch Ruß, Staub und Schadsalze fest. Des Weiteren waren die Vergoldungen und die Farbe ausgebleicht.[2]
Der Maler und Restaurator Friedrich Schlicher wurde von den niederösterreichischen Ständen beauftragt, die Fresken zu restaurieren. Er stellte fest, dass „das ursprüngliche Frescogemälde durch eine Übermalung verdorben worden war.“[3] Diese Übermalung ist aber leider nicht dokumentiert worden. Schlicher machte sich 1844 ans Werk, wobei er sich „sehr genau an das Vorhandene“ hielt. Nur an den Stellen, an denen geringe Reste der von Beduzzi verwendeten Farbtönen zu erkennen waren, ließ er sich mehr Freiraum. Das ist am deutlichsten im Bereich der Providentia-Austria-Gruppe zu sehen. Diese ist keine Originalmalerei, sondern eine Putzeinsetzung. Die Gesichter der beiden Hauptfiguren weichen sehr von den anderen Gestalten ab und erinnern an Biedermeier Porträts. Auch ist anzumerken, dass die Farben hier dünn und lasierend aufgetragen sind. [4]
Die Umbauten, die 1841 und 1844 stattfanden, betrafen auch wesentlich die Fresken. Zwei Fenster an der nördlichen Seite wurden zugemauert und vier neue Türen wurden errichtet, wovon drei aus der Wand ausgebrochen wurden. Das führte dazu, dass die ganze Attikazone neu marmoriert werden musste. Dies ist an einer Scheintür auf der südöstlichen Schmalseite festzustellen, hinter der die ursprüngliche blau-gelbe, barocke Wandbemalung erhalten blieb.[5]
Die zweite Restaurierung 1888 wurde vom Maler Karl Lubenow vorgenommen. Hier wurde der ganze Raum „bis ins Kleinste“ restauriert.
1934 wurden die Risse am Gewölbe auf einer (nach Kusternig) „sehr unsachgemäßen“ Art vergipst.
Gustav Krämer hatte den Saal 1973 restauriert. Krämer verlegte einen neuen Parkettfußboden und baute eine neue Klimatisierung ein. Wichtig ist, dass er offensichtliche Übermalungen entfernte. Für Kusternig ist das die Erklärung für die jetzt leeren Landkarten der vier Erdteile. Renata Burszan hatte 2007 ein Forschungsprojekt für die Akademie der bildenden Künste in Wien ausgeführt, wo Diacolorpositive des „Führerauftrages Farbphotographie“ verwendet wurden, um eine Vielzahl von Details zu zeigen, die seit Krämers Übermalung nicht mehr zu sehen waren.[6] Ein Detail war, dass die Landkarten der vier Erdteile ursprünglich nicht leer waren, sondern von Schlicher deutlich übermalt worden sind. Krämer entdeckte diese Übermalung und entfernte sie, da sie sich sehr von Beduzzis originaler Arbeit unterschieden.[7]
[1] Kusternig, 2007, 543.
[2] Ibid., 543.
[3] Ibid., 544.
[4] Ibid., 545.
[5] Ibid., 547.
[6] Ibid., 545.
[7] Ibid., 551.
Der kaiserliche Historiograf Conte Giovanni Comazzi (*1654) erstellte 1710 einen Programmentwurf. Dieser ist in einem „Codex Provincialis“ überliefert, der zurzeit im bayrischen Staatsarchiv zu finden ist.[1] Er wurde auf Lateinisch verfasst und von Leopold Fitzinger, einem österreichischen Historiker des 19. Jahrhunderts, ins Deutsche übersetzt. Fitzinger hatte das Programm für sein Buch, „Versuch einer Geschichte des alten Nieder-Österreichischen Landhauses bis zu seinem Umbaue im Jahre 1837. Mit Benützung urkundlicher Quellen“ übersetzt. Das Buch erschien 1869 und ist leider nicht mehr zugänglich, aber es wurde von anderen Autoren (darunter Albert Ilg, Hans Tietze und Rupert Feuchtmüller) verwendet und zitiert. Graf Comazzi fertigte den Programmentwurf im Auftrag des Kaisers an, das Programm wurde aber für den Landtagssaal der niederösterreichischen Stände ausgeführt. Daher musste er sehr vorsichtig sein und die Interessen beider berücksichtigen. Es ist anzumerken, dass es keine Spur von einer Finanzierung eines Programmes für den Saal im Ständischen Archiv zu finden ist.[2]
[1] Kusternig, 2007, 539.
[2] Ibid., 559.
Die Stände fassten 1710 den Beschluss, den Saal zu erneuern. Sie beauftragten den kaiserlichen Hofhistoriograf Giovanni Comazzi mit der Anfertigung eines Entwurfs zum Ausstattungsprogramm. Mit der Ausführung wurde, wie der überlieferte Vertrag inklusive Entwurf vom 9. Oktober 1710 belegt, der Italiener Antonio Beduzzi beauftragt.[1] Die Arbeit wurde 1711 abgeschlossen. Beduzzi und seiner Werkstatt wurden 2400 Gulden von den Ständen bezahlt.
Die Fresken sind nur teilweise direkt an die Wand gemalt; Kunstgriffe wie bemalte Holzplatten im Bereich der plastischen Rippen verstärken die Illusion, dass die Figuren frei schweben.
Comazzis Programm sah vor, dass „die Austria … mit gebeugten Knien und in einer huldigenden Stellung“[2] darzustellen wäre. Im Gemälde wurde die Position der Austria gegenüber der Providentia aber nicht so unterwürfig dargestellt. Es könnte sein, dass diese Änderung auf die Beziehung zwischen Kaiser und Ständen zurückzuführen ist. Es ist auch festzustellen, dass Comazzi Asien mit einem gestürzten Kreuz beschrieb, während Asien im Gemälde ein Kreuz hoch erhoben in der linken Hand hält.[3] Das muss keine politische Bedeutung haben; vielleicht waren die Beweggründe dafür rein stilistischer Natur.
Wie schon oben erwähnt, schien Österreich 1710 nahe daran, Macht und Prestige noch weiter ausbauen zu können. Kusternig ist der Meinung, dass die Fresken den Wunsch ausdrücken, das große Reich Karl V. wiederherzustellen. Ob das stimmt oder nicht, steht zur Debatte. Die Tatsache, dass viele Details in den Fresken nicht so klar sind, macht das schwer zu deuten. Andererseits, wenn das Haus Österreich den spanischen Besitz (mitsamt Kolonien) für sich gewonnen hätte, dann wäre das Reich Karls V. in der Tat wiederhergestellt worden. Zur Zeit des Programmentwurfs war dieser Wunsch aber noch nicht in Erfüllung gegangen. So ist es möglich, dass „Verunklärungen“ in das Gemälde eingebracht wurden, damit dieser Wunsch zur Schau gestellt werden konnte, aber nicht konkretisiert werden musste.
[1] W. G. Rizzi, 2006, 121
[2] Comazzi, VII
[3] Comazzi, VII
Zuletzt aktualisiert am: 10.10.2016