Altenerding (Erding), Mariä Verkündigung Zitieren
Die Erdteile nehmen nur ein Drittel des drei Joche überspannenden Langhausfreskos ein. Die restlichen zwei Drittel stellen einen Heiligenhimmel zur Schau. Während das Herz der himmlischen Gruppe Maria mit dem Kind und über ihr Gottvater und der Heilige Geist als Taube darstellt, steht Europa auf einem steinernen Stufenpodest im Zentrum der terrestrischen Gruppe. An einem Modell eines Tempietto angelehnt, an dem die Schlüssel Petri angebracht sind und es somit als Symbol der Ecclesia auszeichnet, beherrscht sie aufrecht, edel gewandet mit goldenem Mieder, langem goldbordiertem Kleid und darüber einen hermelingefütterten Purpurmantel, die anderen Erdteile. Sie hat ihren Blick zu Maria emporgehoben. Ein Diadem und Perlenschnüre im Haar sowie ein Zepter unterstreichen ihre herausgehobene Rolle. Ein Page, der eine Stufe unter ihre kniet, hält die Kaiserkone sowie den Reichsapfel auf einem purpurnen Kissen auf seinem Knie.[1]
Ihr zur rechten verneigt sich huldvoll die Personifikation der Asia. Der feine Glanz ihrer Kleidung, ihr blasses Inkarnat, das Zepter in ihrer linken Hand sowie ihre feinen Gesichtszüge nobilitieren auch sie als eine Vertreterin der zivilisierten Welt. Ein Weihrauchgefäß, der Turban auf ihrem Kopf sowie ihre kniende Referenz zu Europa verweisen sie aber auf den zweiten Platz in der unterliegenden Hierarchie der Erdteile, der traditionellerweise von der Personifikation der Asia eingenommen wird. Ihre Begleitung besteht aus einem alten weißbärtigen Mann und zwei Jungen, wovon der vorderste ein Kästchen voll des kostbaren Harzes hält. Hinterfangen ist die Gruppe von einem fensterlosen Bau.
Zur anderen Seite Europas steht beziehungsweise sitzen die anderen beiden Kontinente auf erdig-grasigem Untergrund vor Bäumen. Sie sind von dunklerem bis schwarzem Antlitz. Ihre Kleidung gewährt dem Betrachter mehr Blick auf nackte Haut. Während Afrika, die hinter der sitzenden Personifikation der Amerika aus dem Wald heraustritt, ein weißes Gewand mit bronzefarbigem Mieder trägt, das die Arme unbedeckt lässt und bis über das linke Knie hochgezogen ist und hierdurch den Blick auf das feine Schuhwerk Afrikas lenkt, sitzt Amerika mit bloßen Füßen und einem an einem Muschelband befestigten Kleid, das die Schulter entblößt lässt, auf einer Felsengruppe. Als einzige wird Amerika nicht von einem Pagen begleitet. Ein Mohr fungiert Afrika als Page, der die Schleppe ihres Mantels trägt. Beide haben Kopfbedeckungen: Amerika eine Federkrone und Afrika einen Turban. Beide tragen kostbaren Perlenschmuck. Während Afrika einen Speer als Waffe in der linken Hand hält, hat Amerika seinen Köcher voller Pfeile auf den Boden gelegt und die Hände zum Gebet gefaltet.
Es handelt sich hierbei um einen klassischen Huldigungstypus. Allerdings zeichnet sich Heigls Umsetzung, die ihr Vorbild im Œuvre seines Lehrers Johann Baptist Zimmermann hat, durch ihre starke Trennung der himmlischen von der terrestrischen Sphäre aus. In Zimmermanns Darstellung in der Prälatenkapelle von Andechs (1755) oder Heigls fast wortgetreuen Kopie in Aibling (1756) ist die Beziehung zwischen Gottesmutter und Erdteilen viel unmittelbarer. In Altenerding stehen zwischen Maria und den Erdteilen eine Vielzahl von Heiligen. Dies ist sicherlich zu einem gewissen Maß der Raumbedingungen geschuldet, aber nicht zuletzt auch Heigls eigener Herangehensweise. Diese Entfremdung zwischen Verehrungsobjekt und Verehrungssubjekt ist auch bei seinem letzten Einsatz der Erdteile in Mühldorf am Inn zu beobachten. Diese kompositorische Entfremdung, mit der auch sogleich eine emotionale Distanzierung zu konstatieren ist, resultiert darin, dass in Altenerding nicht alleinig Maria Objekt der universalen Huldigung ist, sondern vielmehr die Heiligen. Bei einem genaueren Blick auf die Heiligen wird zudem ersichtlich, dass bei der Auswahl der Heiligen die lokalen Patrone eine wichtige Rolle gespielt haben.[2] Es finden sich die Patrone
- der Diözese Freising: Hl. Korbinian und Hl. Nonnosus
- des Kurfürstentums Bayern: Hl. Benno von Meißen und Maria
- der Pfarrkirche von Altenerding: Maria und Anna (Nebenpatrozinium)
- der Seitenaltäre: Hl. Anna und Hl. Michael
- der ehemaligen Pfarrkirche: Hl. Petrus
- der Filialen von Altenerding:
- Erding: Hl. Johannes Baptist
- Pretzen: Hl. Georg
- Itzling: Hl. Vitus
- Singlding: Hl. Walburga
- des Pfarrers von Altenerding Jakob Wolf: Hl. Jakobus der Ältere
- der Bartholomäer, bei denen Jakob Wolf Mitglied war: Hl. Bartholomäus
Die restliche Ausstattung der Kirche stellt dagegen Maria als Kirchenpatronin sowie als gegenreformatorische Leitfigur in den Mittelpunkt.
Für weiterführende Informationen siehe auch den Glossarbegriffe “Marienikonografie”.
[1] Laut den Autoren des CdbM könne es sich hierbei um Josef II., den Sohn Maria Theresias handeln, der Maria die Insignien der weltlichen Macht darbringt. Vgl. CdbM 7/2001, 20.
[2] ebenda, 24.
Von West nach Ost:
LANGHAUS:
nördliche Seitenbilder: antetypische Vorbilder Mariens [alttestamenarische Szenen]
- Nehemias vor König und Königin der Perser
- die Tochter Jephtas
- Judith und Holofernes
- Abigail versöhnt David
Mittelbild:
- Verherrlichung der Himmelskönigin durch die vier Erdteile
- Inschriftenkartusche: SaLVs EXAnCILLa. Matre DeI. [= 1767]
Südliche Seitenbilder: antetypische Vorbilder Mariens [alttestamenarische Szenen]
- Königin von Saba vor Salomo
- Samson und Deliah
- Jaël und Sisara
- Esther vor Ahasver
CHOR: Geburt Mariens, umgeben von vier Emblemen
Erstmals wurde der Innenraum 1876 durch den Erdinger Maler Joseph Humpl restauriert, indem er zum einen die Raumschale dem zeitgenössischen Geschmack entsprechend farblich gefasst hatte und zum anderen die Deckengemälde „geputzt“ hat. Dieser Eingriff wurde in der Restaurierung 1903 durch die Frima Ludwig Ametsberger aus München wieder rückgängig gemacht. Darüber hinaus wurden Reperaturarbeiten am Chorbogen und Gewölbe sowie Reinigungsarbeiten an den Fresken durchgeführt. Mitte der 1950er-Jahre wurden die Fresken erneut durch die Münchner Firmen Sebastian Hausinger sowie die Raumschale durch Karl Eixenberger restauriert. Die umfassendste Restaurierung der Fresken fand 1986/87 statt. Die Firma Ludwig und Elisabeth Keilhacker aus Taufkirchen hat die „stark verschmutzten“ Gewölbe „gereinigt, die Risse geschlossen, Übermalungen abgenommen, Fehlstellen retuschiert [und] die Dekorationsmalerei“[1] restauriert.
[1] CdbM 7/2001, 20.
Es existiert von der Hand des Malers ein detaillierter Kostenvoranschlag, der Auskunft über den Umfang und den wesentlichen Inhalten des Programms wie folgt gibt:
Überschlag. Was über Ausmahlung des Lobwürdigen Pfarrgottshaus Altenerting an Unkösten erlauffen mechte. Verfasst 1766. Erstlich mues ins Chor ein Feld von 26 Schuech lang, und 13 Schuech breit gemahlen: und darein Maria Verkündigung vorgestelt werden. Zweytens ist im Langhaus ein Feld, die Königin der Englen: und aller Heyligen vorstehlend, auf 66 Schuech lang, und 20 Schuech breit zu mahlen. Drittens wird im Chor, und Langhaus um die 2 Hauptfelder herum ein auf Stockador-Art gemahlene Raum von gueten Farben, und schönsten Zierathen verfertiget. Vierttens komt das Loch zur Himelfahrt Christi, mit Englen, und einer Glori sauber auszumahlen. Fünftens muss auf eben solche Art der Schild am Frohnbogen extra sauber gemahlen, und auf Stockador-Art hergestelt werden. Und sechsten kommen im Chor, und Langhaus 16 Schild: und darinen soviel Symbola so sich auf die Muetter Gottes schicken thuen, zu verfertigen, auch um, und um mit schönsten Zürathen auf StockadorArt auszumahlen. Vor welche Arbeit inclus: der Kost:Farben: und andern Unkosten verlange neunhundert Gulden. Johann Martin Heigl. Churfrtl: privil: Mahler in München“.[1]
Das Honorar von 900 Gulden wurde auf 800 Gulden heruntergehandelt. Das geringere Honorar könnte damit zusammenhängen, dass nicht wie vom Maler vorgeschlagen 16, sondern nur 12 Bildfelder ausgemalt wurden. Im Chor wurde nicht das Kirchenpatrozinium Mariä Verkündigung, sondern die Geburt Mariens dargestellt. Da das Thema für das heute verschollene Hochaltarbild vorgesehen gewesen war.[2] Die Änderungen gehen wohl auf Wünsche des Bauverantwortlichen Pfarrer Jakob Wolf zurück.
[1] StAL, Regierung Landshut A 4061, zitiert nach CdbM 7/2001, 19f.
[2] Das Altarblatt soll auch von Heigl angefertigt worden sein, wurde aber bereits 1799 durch ein Blatt von Joseph Hueber ersetzt. Vgl. CdbM 7/2001, 20.
Die Komposition der Erdteilallegorien entstammt dem Œuvre von Heigls Meister Johann Baptist Zimmermann. Vergleichbare Darstellungen finden sich von Zimmermann unter Mitarbeit von Heigl in der Prälatenkapelle des Klosters Andechs (1755) und von Heigl in der Pfarrkirche von Aibling (1756).
Zuletzt aktualisiert am: 07.04.2023