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Beispiel: Marion Romberg, Birnau (Bodenseekreis), Mariae Himmelfahrt, in: Wolfgang Schmale (Projektleitung): Erdteilallegorien im Barockzeitalter, Wien, besucht 15.09.2015, <http://erdteilallegorien.univie.ac.at/erdteilallegorien/birnau-bodenseekreis-mariae-himmelfahrt>.
Beispiel: Marion Romberg, Birnau (Bodenseekreis), in: Wolfgang Schmale (Projektleitung): Erdteilallegorien im Barockzeitalter, Wien, besucht 15.09.2015, <http://erdteilallegorien.univie.ac.at/bilder/birnau-bodenseekreis-mariae-himmelfahrt/birnau-bodenseekreis-5>.
Beispiel: Cesare Ripa, Iconologia, Rom 1603, 335, Universitätsbibliothek Heidelberg, C 5456 A RES, in: Wolfgang Schmale (Projektleitung): Erdteilallegorien im Barockzeitalter, Wien, besucht 15.09.2015, <http://erdteilallegorien.univie.ac.at/bilder/iconologia-von-cesare-ripa/ripa-iconologia-1603-2> |
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Himmelskönigin und Maria Immaculata
Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (473-478):
Das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts von Papst Pius IX. in der Bulle Ineffabilis Deus verkündet. Nicht die Menschwerdung Christi, sondern die Empfängnis Mariens im Schoß ihrer Mutter Anna ist gemeint. Hierdurch ist Maria von Anbeginn frei vom Makel der Erbschuld. Die Bulle stellt die logische Konsequenz einer über Jahrhunderte andauernden „Kontinuität dieses Glaubensbewußtseins“[1] dar, das bis in frühchristliche Zeit zurückreicht, Gegenstand heftiger Kontroversen war und im Barock seinen Verehrungshöhepunkt erreichte. Dem Wunder der Empfängnis Christi durch den Heiligen Geist die Empfängnis der Muttergottes als ein Empfängniswunder zur Seite zu stellen, war nur naheliegend. Ihre Makellosigkeit, ihre immerwährende Jungfräulichkeit und ihre leibliche Aufnahme in den Himmel prädestinierten sie für die Rolle als Himmelskönigin und Heilsmittlerin. Im Gegensatz zum reformatorischen Marienbild war Maria nicht nur „passives Werkzeug des göttlichen Heilswillens, sondern man schrieb ihr eine aktive Teilnahme an der göttlichen Heilsveranstaltung zu“.[2] Hierdurch war sie in besonderem Maße als Gebetserhörerin und Nothelferin geeignet. Dieser Aspekt ist grundlegend für den katholischen Madonnenkult innerhalb der barocken Volksfrömmigkeit.
Die bildlichen Wurzeln für Maria als Siegreiche und Triumphierende liegen im Hochmittelalter. Der Wandel des Bildes Marias als niedrige Magd zur Königin des Himmels gründet in der mittelalterlichen Vorstellung vom
„Himmel als ein[em] hierarchisch organisierte[n] Hof, an dem Bittsteller ohne Fürsprache und Vermittlung der Königin Maria keine Gnaden erlangen können […]. Um Marias allumfassendes Herrschertum zu beschreiben, wurde sie als ‚edel, almechtige‘ und ‚himelische keiserin‘ oder ‚keyserin himels und ouch erden‘ angerufen und verehrt.“[3]
Unmittelbaren Eingang in die Liturgie fand diese Erhöhung über das marianische Antiphon Regina Coeli, das in der Osterzeit im kirchlichen Stundengebet rezitiert wird. Neben der immerwährenden Jungfrau, der Gottesgebärerin, der Miterlöserin sowie der Leidenden und Trauernden zieht sich die Vorstellung der Himmelskönigin als ein Hauptmotiv durch die christliche Kunst.[4] Es fand seinen bildlichen Niederschlag in der stehenden oder thronenden, von Engeln umgebenen Madonna mit Kind (unter anderem in Verbindung mit dem Motiv Mariens als sedes sapientiae[5]) und im Bild der lichtverklärten Madonna bzw. der Mondsichelmadonna, die wiederum ikonografisch auf die in Offb 12,1 beschriebenen Züge des apokalyptischen Weibes beruht:
„Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.“[6]
Im Barock verschmolz die Himmelskönigin mehr und mehr mit der Verehrung der Immaculata, die ebenfalls mittelalterlichen Ursprungs war und anfänglich noch szenisch mit Ereignissen aus dem Marienleben (z. B. Begegnung an der Goldenen Pforte) oder symbolisch über den Jessebaum legitimiert wurde.[7] Im 15. Jahrhundert verselbständigte sich der Bildtypus der immaculata conceptio zu dem von Spanien ausgehenden Bildtypus der tota pulchra[8], welcher durch die Betonung der Reinheit Mariens im Sinne von Hld 4,7 gekennzeichnet ist. So wandeln sich auch die übernommenen Attribute der Sonne sowie der Mondsichel unter ihren Füßen und der 12-Sterne-Gloriole um ihr Haupt zu Reinheitssymbolen.[9] Im 16. Jahrhundert entwickelte sich der Bildtypus nicht nur durch die Forcierung des Glaubens an die Makellosigkeit Mariens weiter, sondern auch im Angesicht der Türkengefahr sowie der Glaubensspaltung, indem Maria das apokalyptische Symbol für den Teufel, das Böse beigefügt wird: die Schlange. Der Sieg des apokalyptische Weibes über den Drachen in Offb 12,1–18 ist dem Sieg Marias über die Schlange, die Versuchung, die Erbsünde und im weiterem Sinne die Häresie gleichzusetzen;[10] eine Auslegung, die die frühmittelalterliche Interpretation des apokalyptischen Weibes als Sinnbild der Kirche mit der Intensivierung der Marienverehrung im Mittelalter ablöste. [11] Hieraus entwickelte sich schließlich der im 17. und 18. Jahrhundert gängige Typus der La Purísima, die sowohl in ihrer Makellosigkeit als auch durch ihren Triumph in allen Schlachten als Leitbild der Gegenreformation fungierte.[12]
Die Verbindung des makellosen, über alles triumphierenden Marienbildes mit der weltumspannenden Verehrungsikonographie der Erdteilallegorien erklärt sich nicht nur über die Austauschbarkeit des Kultgegenstandes, sondern der Grundstein legten druckgraphische Vorläufer, die die Immaculata entweder zu Gegenstand heftiger Diskussion oder inniger Verehrung erhoben. Die Erdteile finden sich ausschließlich in letzteren Kontext wieder. Statt eines Streitgesprächs unter Vertretern des Alten Testaments, Kirchenlehrern oder Heiligen ist der gemeinsame Glaube an die Wahrhaftigkeit der Unbefleckten Empfängnis und Marias Prädestination zur Erlösermutterschaft veranschaulicht. Seit 1708 wird dieser Glaube innerhalb der gesamten Kirche in der liturgischen Festfeier am 8. Dezember immer wieder bekräftigt und wurde […] auf Veranlassung des Jesuitenordens durch Künstler wie Johann Christoph Storer visualisiert. Die Übernahme der Erdteilallegorien-Immaculata-Kombination innerhalb der Dorfkirchenikonografie war folglich nur eine Frage der Zeit. Bereits 1720 findet sich die bislang erste entsprechende Kombination, und dies auf Augsburgischen Bistumsgebiet in der Pfarrkirche St. Johannes Baptist zu Asch.[13] […] Es sollte ein weiteres Vierteljahrhundert dauern, bis das Bildthema als Hauptthema wiederum in einem dörflichen Bildprogramm erschien.[14] 1745 findet sich Maria als Maria Immaculata auch als Teilthema im großen Langhausfresko der Wallfahrtskirche zu Waldkirch. Oberhalb der Orgel und in direkter Linie zum Zentrum des Freskos mit Maria als Himmelskönigin schwebt Maria auf Wolken, stehend auf einer Erdkugel, um die sich eine Schlange windet. Sie wird flankiert von den Heiligen Ulrich, Ignatius, Aloisius, Stanislaus Kostka, Franz Xaver und Afra. Die Erdteile sind ihr indirekt als Teil des Langhausfreskos zugeordnet. Unter ihr, von der Orgel verdeckt, ist die Szene Mariä Reinigung dargestellt. Kein Jahr später und außerhalb des Fürstbistums Augsburg entstanden, huldigen die Erdteile ihr – einer klassischen Erdteilkomposition folgend – als dominierendes Hauptthema in der Tiroler Wallfahrtskirche Heiliger Nikolaus von Dormitz, deren Ausmalung von dem Künstler Josef Jais stammt. An der Decke des Langhauses erweisen die Erdteile der Maria Immaculata ihre Verehrung. In einer gestaffelten Reihung – Europa-Asia im Vordergrund, America-Africa im Hintergrund – sind die Erdteilpersonifikationen um die Weltkugel gruppiert, hinter der sich der Kopf einer Schlange erhebt. Maria steht mit ihrem rechten Fuß auf dem Kopf der Schlange und mit ihrem linken auf einer kleinen goldenen Mondsichel, den Blick zum Auge Gottes erhoben. Als „Siegerin in allen Schlachten“, insbesondere der gegen die Häresie, ist sie – insbesondere in der Habsburgermonarchie, dem östlichen Bollwerk – das politische Symbol der Gegenreformation und des Kampfes gegen die „Erzfeinde der Christenheit“: die Türken.
Wiederum kein Jahr später findet sich das Thema im Chor der Birnauer Wallfahrtskirche und dann schließlich 1749 im Langhausprogramm der Dorfmerkinger Pfarrkirche. Als Vorlage diente hier wiederum der Marientypus Bergmüllers. Ab etwa diesem Zeitpunkt zählte das Thema auch im Zusammenhang mit der Erdteilikonografie zu den dominierenden Kombinationen.
[1] MLK Unbefleckte Empfängnis 1994, 520.
[2] Heiler Madonnenkult 1920, 429f.
[3] Schreiner Maria 1994, 297f.
[4] Vgl. Heiler Madonnenkult 1920, 436, 443; LCI Maria, Marienbild 1994, 182f.
[5] Wie beispielsweise im Chor der Soester Hohnekirche aus dem 12. Jahrhundert, wo die gekrönte Maria sitzend mit Kind auf dem Schoß zwischen den Heiligen Johannes Evangelist und Johannes Baptist sowie 18 Engeln wieder-geben ist. Die Gleichsetzung Mariens als sedes sapientiae knüpft an die mittelalterlichen Deutung Salomons als Idealbild des weisen und mächtigen Herrschers sowie die Beschreibung des Throns Salomons im 1. Kön 10,18–20 an. Während Maria als Thron Salomons gedeutet wurde, wurde Christus als der wahre Salomon angesehen. Vgl. hierzu neben den folgenden Bibelstellen 2. Sam 7,12–13 in Verbindung mit 1. Kön 8,20; Lk 1,32–33 auch Meier Thron-Salomonis Fenster 1989, 142, 145.
[6] Die Darstellung des apokalyptischen Weibes reicht bis ins 9. Jahrhundert zurück. Ihre Verbindung zu Maria setzte später, mit der verstärkten mariologischen Deutung ab dem 12. Jahrhundert, ein. Die besonders in der frühmittel-alterlichen Buchmalerei zu findenden Illustrationen sind wortgetreue Umsetzungen des biblischen Textes. Vgl. LdMk Apokalyptisches Weib 1967, 311f.; ausführlicher zur mittelalterlichen Entstehungsgeschichte Levi D’Ancona Iconography 1957, 20–28, und zur neuzeitlichen Hartmann Kunstlexikon Online, Mondsichelmadonna.
[7] Vgl. LCI Immaculata Conceptio 1994, 340.
[8] Vgl. ebd.
[9] Sie ergänzen die Attribute der Lauretanischen Litanei, die um die stehende Muttergottes mit Krone, Kind, Mond-sichel und Sternenkranz auf einer Illustration in Petrus Canisius De Maria Virgine (Ingolstadt 1577) angeordnet sind. Vgl. LCI Apokalyptisches Weib 1994, 340; LCI Lauretanische Litanei 1994, 27–31.
[10] Anschaulich im Langhaus der Altenburger Klosterkirche der Benediktiner durch Paul Troger 1733 bildlich um-gesetzt: auf der einen Seite des Kuppelfreskos die Unbefleckte, die Siegreiche, dann der Kampf des Erzengels Michael gegen den Drachen und abschließend die himmlische Rettung der Frau vor dem Drachen. Vgl. Lorenz Barock 1999, 123 (Abb.), 357f. (Kat.).
[11] Siehe ausführlich zur Deutungsgeschichte LdMk Apokalyptisches Weib 1967, 308–310.
[12] Besonders in der habsburgisch-katholischen Mythologie übernahm Maria eine wichtige Rolle innerhalb von krie-gerischen Auseinandersetzungen. Nicht nur der Sieg in der Schlacht am Weißen Berg 1620, sondern auch in der zweiten Türkenbelagerung 1683 wurden indirekt dem Eingreifen Mariä zugeschrieben. Schreiner Maria 1994, 395–399; vgl. Vocelka/Heller Lebenswelt 1997, 21–25.
[13] Davor hat sich nur am originalen Anbringungsort das Hochaltargemälde der Südtiroler Dorfkirche Zur Unbe-fleckten Empfängnis in Telfs mit der Darstellung der Verherrlichung der immaculata conceptio erhalten, das der Franziskanerbruder Hilarius Auffenbacher 1710 malte. In seiner Komposition folgt das Gemälde dem oben genannten Frontispiz zu Friedrich Steills Ephemerides Dominicano-Sacrae, Das ist Heiligkeit und Tugendvoller Geruch, Der auß allen Enden der Welt zusammen getragenen Ehren-Blumen deß Himmlisch-fruchtbaren Lust-Gartens Prediger Ordens (Dillingen: Bencard, 1691): die Erdteile rechts und links am Bildrand gestaffelt, Europa als Kaiser mit Perücke dargestellt, hinter ihnen – ähnlich wie im Kupferstich (Abb. VIII-78) – Heilige aufgereiht. Die Brunnenfigur trägt ebenfalls die Attribute der Maria Immaculata.
[14] Dazwischen findet sich die Maria Immaculata als Kultgegenstand im Treppenhaus der Abtei von Ottobeuren (1728) sowie auf einem Altargemälde in der Wallfahrtskirche auf dem Kobel bei Augsburg. Dieses wird dem Augsburger Maler Johann Rieger zugeschrieben, der seit 1710 Direktor der Augsburger Akademie war und es noch kurz vor seinem Tod am 3.3.1730 gemalt haben soll.
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