Telfs (PB Innsbruck Land), Unbefleckte Empfängnis Mariens Zitieren
Der Aufbau dieses bemerkenswerten Bildes ist ausgesprochen statisch. Im Zentrum steht die Immaculata auf der Mondsichel über der Weltkugel (Offb 12,1–5). Ihre Hände sind gefaltet, der Blick nach oben gerichtet, ihren Kopf umgibt der Sternenkranz. Zwei Putti bringen ihr weiße Lilien und Rosen als Symbole der Reinheit dar.
Sie verbindet den Erdkreis, symbolisiert durch Erdkugel und die vier Erdteile als Vertreter der Menschheit mit der himmlischen Sphäre. Dort ist die Dreifaltigkeit dargestellt durch die übereinander angeordneten Gottvater, Jesuskind mit Kreuz und Heiliger Geist in Gestalt einer Taube. Eine Gloriole in Form eines scharf abgegrenzten gleichschenkeligen Dreiecks, dessen Spitze nach unten auf Maria weist, verbindet die drei. Engelscharen umgeben diese Darstellung der Dreifaltigkeit auf beiden Seiten.
Statisch ist auch die Komposition der unteren Bildhälfte. Zu beiden Seiten der Immaculata sind in drei Reihen die knienden Erdteile und vier Franziskaner angeordnet. Alle blicken nach oben auf das hell leuchtende Haupt Mariens. Die zwei Franziskaner auf der linken Seite sind eindeutig zu identifizieren. Es handelt sich um den heiligen Franziskus mit Kruzifix und Stigmata an den gekreuzten Händen. Daneben im roten Kardinalskleid der heilige Bonaventura mit Schreibfeder und Buch. Die zwei jüngeren Franziskaner auf der gegenüberliegenden Seite sind nicht so klar einzuordnen. Der Palmzweig in der Hand des einen verweist auf das Martyrium. Der andere ist im Begriff mit einer Schreibfeder in ein Buch zu schreiben, dies deutet auf einen franziskanischen Theologen, der zum Thema der Immaculata geschrieben hat. Schreiber schlägt hier die Identifizierung als Johannes Scotus vor, der den Beinamen Doctor Marianus trug.[1]
Europa ist als Fürst dargestellt, im Harnisch, mit Allongeperücke. Auf dem gebeugten Knie ruht ein rotes Kissen mit Krone und Feldherrnstab, zu seinen Füßen liegt der abgesetzte Helm mit Federbusch. Nothegger identifizierte diese Gestalt mit Kaiser Joseph I., und tatsächlich entspricht die Darstellung Herrscherporträts dieses Monarchen. [2]
Gegenüber ist die Allegorie Asiens zu sehen: ein orientalischer Fürst mit Turban und reichen Gewändern. Eine Kette mit Halbmond und ein goldener Streitkolben verweisen auf den Islam und auf die mit Asien, insbesondere aber mit dem osmanischen Reich, assoziierte kriegerische Despotie. Hinter Europa kniet die Personifikation Afrikas, hinter Asien jene Amerikas. Beide sind als barbarische Fürsten gekennzeichnet durch dunkle Hautfarbe, nackte Oberkörper, über die Schultern tragen sie weite Stoffbahnen geschlungen. Afrikas goldene Krone, Armband und Schärpe verweist ebenso auf die Reichtümer dieses Erdteiles wie die Federkrone und der Perlenschmuck Amerikas. In der Anordnung der Erdteile mit Europa und Asien im Vordergrund und Amerika und Asien in zweiter Reihe drückt sich eine übliche Hierarchisierung aus, die bei prinzipieller Gleichheit der Erdteile doch zwischen zivilisierten und wilden unterscheidet oder zumindest damals gängige Zuschreibung weiterschreibt.
Um die Weltkugel zu Füßen Mariens ringelt sich die Schlange der Versuchung, im Maul hält sie den Apfel vom Baum der Erkenntnis (Gen 2,9). In das Rund der Weltkugel selbst ist das Bild eben dieses Baumes eingezeichnet, der allein in einer weiten Landschaft steht. In einer bemerkenswerten Nutzung medialer Paradoxie ist die Kugel gleichzeitig Kreis, ist sie Illusion von Dreidimensionalität und zweidimensionales Bild des Baumes.
Die liturgische Verehrung der Maria Immaculata wurde bereits auf dem Generalkapitel des Franziskanerordens zu Pisa im Jahr 1263 festgelegt. Papst Clemens XI. verfügte 1708 die verpflichtende Feier des Festes der Unbefleckten Empfängnis für die gesamte Kirche. Das Motiv der Immaculata ist entsprechend tief verankert, auch die Verbindung mit den Erdteilen ist häufig anzutreffen.
[1] Schneider 2005, 119–121.
[2] Schneider 2005, 119.
- Zentrum: Maria Immaculata, verehrt von den vier Erdteilen
- obere Bildhälfte Dreifaltigkeit, Engel, Putti mit weißen Lilien und Rosen
- untere Bildhälfte:
- knieend zu beiden Seiten der Weltkugel Allegorien der vier Erdteile: Europa und Asien, dahinter Amerika und Afrika
- dahinter jeweils zwei heilige und selige Franziskaner:
- links: Franziskus und heiliger Bonaventura
- rechts: Franziskaner mit Palme, Franziskaner mit Buch und Feder
Das Gemälde war von Anfang an als Hochaltarbild geplant und wurde zu Pfingsten 1710 feierlich enthüllt.[1] 1867 wurde im Zuge einer Renovierung des Kircheninneren und der Erneuerung der Ausstattung der letzte barocke Hochaltar gegen den jetzigen, im Stil der Neuromanik gefertigten, Altar ausgetauscht.[2] Das Altarbild behielt seinen Platz, allerdings verdeckt nun die auf dem Tabernakel angebrachte Metallglorie teilweise den unteren Teil des Gemäldes. Besonders die Weltkugel ist nur von der Seite einzusehen.
[1] Nothegger, Holter 2005, 18.
[2] Nothegger, Holter 2005, 35.
Auffenbachers Altarbild erinnert in Teilen an Kompositionen aus deutschen Werkstätten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Zu nennen sind ein 1652 entstandenes Frontispiz von Wolfgang Kilian nach einem Entwurf von Matthäus Gundelach[1], ein um 1655 von Bartholomäus Kilian nach Johann Christoph Storer gestochenes Andachtsbild mit der Immaculata und den vier Hauptheiligen der Jesuiten. Dieses weitverbreitete Blatt diente unter anderem als Vorlage für ein von Nicolaus Schiechl gemaltes Altarbild in der Dreifaltigkeitskirche von Pflaurenz im Pustertal (1682).[2] Gemeinsam ist den angeführten Beispielen, dass die Madonna nicht auf einer Weltkugel, sondern auf einem vom Ouroboros umschlossenen Erdkreis steht, in dessen Mitte der Baum der Erkenntnis und die Vertreibung aus dem Paradies zu sehen sind. Dieses Element scheint Auffenbacher aus einer der angeführten Vorlagen entnommen zu haben, ebenso die Dreifaltigkeit im oberen Segment des Bildes (wenn auch in anderer Anordnung).
[1] Burghaber 1652.
[2] Appuhn-Radtke 2000, 133-137.
Zuletzt aktualisiert am: 15.11.2016