Raisting (Weilheim-Schongau), St. Remigius Zitieren
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Die vier Erdteile haben sich in einem Innenraum auf einer Treppe versammelt. Das Objekt ihrer Anbetung erstrahlt über ihnen an der Zimmerdecke: das flammende Herz Jesu. Auf den drei untersten Stufen im Bildvordergrund kniet die weibliche Europa, gekleidet mit einem Hermelinumhang und einem goldfarbenen Mantel, dessen Borte mit Perlen besetzt ist und unter dem ihr violettes Kleid zu sehen ist. Die Schleppe ihres Mantels wird von einem dunkelhäutigen Pagen getragen. Sie streckt ein Weihrauchbecken empor, und ihr blondes Haar ziert eine Krone. Zwei Stufen über ihr ist der Vertreter Asiens im Anblick der göttlichen Erscheinung versunken. Als Ausdruck seiner inbrünstigen Liebe hat er seine rechte Hand auf sein Herz gelegt. In seiner Linken hält er einen Säbel. Seine Physiognomie wird durch seinen bis auf eine Locke am Hinterkopf kahlgeschorenen Kopf, hervorstechende Wangenknochen und seinen Spitzbart bestimmt. Er trägt einen violetten Kaftan, darüber einen grünen Mantel. Auf der obersten Stufe ruhen vor ihm sein Turban und sein Zepter mit Halbmond auf einem blauen Kissen.
Diese Mittelszene flankierend sitzen beziehungsweise verbeugt sich links und rechts im Bild Afrika und Amerika auf der obersten Stufe. Afrika, der in Dreiviertelansicht mit himmelnden Blick wiedergegeben ist, hüllt seine schwarzhäutige Gestalt in ein blaues wallendes Tuch, das seinen Oberkörper entblößt lässt. Diesen schmücken Perlenbänder an den Armen und Perlenohringe. Im krausen schwarzen Haar befindet sich ein Perlenband. Seine Hände hat er vor seiner Brust im Gebet gefaltet.
Die braun-rothäutige männliche Personifikation Amerika am rechten Bildrand, hinter Asia, verharrt in tiefer Verbeugung. Ein Rock aus Federn, ein Umhang sowie eine Federkrone dienen ihm als einziger Schmuck.
Die Komposition entspricht dem gängigen Typus der Herz-Jesu-Darstellungen[1] im 18. Jahrhundert: ein isoliertes Herz Jesu, aus dessen Seitenwunde Blut tropft[2] und aus dessen trichterförmiger Öffnung im Herzsattel Flammen sowie ein Kreuz hervortreten und das von einer Dornenkrone umkränzt ist.
Thematisch korrespondierte es mit dem Langhausfresko, das ursprünglich die Kreuzigung Christi zeigte, aber im 19. Jahrhundert herabfiel und 1947 ersetzt wurde.[3] Das Chorfresko, das dem Kirchenpatron[4] gewidmet ist, ist noch im Original erhalten.
[1] Für die anderen Typen siehe rechte Seitenleiste den Glossarbegriff „Herz-Jesu“.
[2] In Raisting ist dies aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes nicht mehr zu erkennen.
[3] Das Langhausfresko ist seit dem 19. Jahrhundert, als es „über Nacht heruntergefallen“ war, verloren und wurde 1947 von Karl Manninger durch die Verherrlichung der Raistinger Heiligen ersetzt. Vgl. KF Raisting 1996, 7.
[4] Das Chorfresko zeigt die Bekehrung des Frankenkönigs Chlodwig durch den heiligen Remigius.
Von West nach Ost:
ORGELEMPORENBRÜSTUNG
- oben: sechs Bilder mit musizierenden Engel
- unten: Verherrlichung des Herzen Jesu durch die Vier Erdteile
LANGHAUS
Verherrlichung der Raistinger Heiligen, umgeben von Szenen der Barmherzigkeit (erneuert 1947)
CHORBOGEN
Wappen
CHOR
die Bekehrung des Frankenkönigs Chlodwig durch den heiligen Remigius
Der Erhaltungszustand der Fresken ist aufgrund von Haarrissen, Feuchtigkeitsschäden sowie bautechnischen Maßnahmen (Beleuchtungsdurchlässe) schlecht.
Das Langhausfresko mit der ursprünglichen Darstellung der Kreuzigung Christi, gemalt zwischen 1766 und 1768 von Christian Thomas Wink, ist seit dem 19. Jahrhundert als es „über Nacht herunter gefallen“ ist, verloren und wurde 1947 von Karl Manninger durch die Verherrlichung der Raistinger Heiligen ersetzt.[2]
1963 Innenrestaurierung
1984 Außenrenovierung
[1] Vgl. KF Raisting 1996, 7.
[2] Vgl. CdbM 1/1976.
Nicht nur als Initiator der Neuausstattung, sondern auch als Autor muss Pfarrer Stanislaus Kaiser angesehen werden. Er gründete die Herz-Jesu Bruderschaft und bestimmte wohl auch die Orgelempore als Platz für das Bruderschaftsfresko.
Die Komposition weist große Übereinstimmungen mit dem auf das Jahr 1728 datierten Altargemälde von Balthasar Riepp in der Pfarrkirche von Bad Hindelang auf. Siehe hierzu ausführlich die Kurzbiografie von Johann Christian Thomas Wink.
Das Emporenfresko wird dem Maler der Hauptfresken, Johann Christian Thomas Wink, zugeschrieben.[1] In der Komposition der Erdteilallegorien ähnelt es seinem Gemälde Die Verherrlichung der Himmelskönigin durch die vier Erdteile auf dem Seitenaltar in der Kirche St. Margareta in Aiterhofen.[2] Das undatierte Raistinger Fresko ist vermutlich zeitgleich zu den Hauptfresken, die sicher zwischen 1766 und 1770 gemalt wurden, und dem Aiterhofener Gemälde 1767 entstanden.
[1] Vgl. Clementschitsch Wink 2/1968, Anhang A „Raisting“.
[2] Alle vier Erdteile weisen große Übereinstimmungen in Physiognomie, Kleidung und Attributen auf. Auch bei den 1789 gemalten Erdteilallegorien Winks in der Pfarrkirche von Rettenbach finden sich noch Reminiszenzen zu seinen frühen Allegorien der Erdteile (wie in der Kleidung der Asia).
Zuletzt aktualisiert am: 24.02.2016