Krems (PB Krems), Jesuitenkonvent Zitieren
Der längsrechteckige, flachgedeckte Saal wird von vier Fensterachsen beleuchtet. Zwischen den Fenstern stehen Pilaster und Halbsäulen aus Marmorstuck mit vergoldeten Kompositkapitellen. Darüber verläuft ein verkröpftes Gesims, auf dem auf der Längsseite jeweils zwei Putti sitzen. Auf den Schmalseiten ist über dem Haupteingang im Süden in einer Kartusche ein Porträtbildnis des Stifters des Kollegs, Michael Adolf Graf Althan, angebracht.[1] Die Kartusche wird von zwei Frauenfiguren gehalten, von denen die Linke hinter sich einen Kelch mit der Hostie stehen hat, während hinter der rechten ein Gebäudemodell zu sehen ist. Auf der gegenüberliegenden Schmalseite haben sich zwei Adler auf dem Gesims niedergelassen. Unterhalb vom Gesims haben sich nochmals zwei Adler mit einem Zepter und einem Schwert neben dem Kruzifix auf dem Rahmen mit dem Bildnis des heiligen Sebastian niedergelassen.[2] Die Stuckatur der Decke ist ganz in Weiß gehalten.
In den Ecken sitzen auf Konsolen die weiblichen Personifikationen der vier Erdteile. Alle vier Personifikationen sind nur mit einem Tuch bedeckt und tragen unterschiedliche Kopfbedeckungen. Während ihr Oberkörper als Flachrelief an der Decke ausgeführt wurde, gehen sie im Unterkörper mit den Beinen, die in den Raum greifen, in die Vollplastik über.
So sitzt links über dem Haupteingang die Personifikation Amerikas. Ihr rechtes Bein hat sie zur Seite angewinkelt, während ihr linkes über die Konsole herabhängt. Ihr Kopf ist mit einer Federkrone geschmückt, ihren Hals zieren Perlenschnüre und ihr Ohr ein Perlenohrring. Ihr Körper wird nur von einem Tuch bedeckt, das die rechte Brust entblößt. Dieses wird von einem Gurt zusammengehalten, der zu ihrem Köcher auf dem Rücken gehört. Den Bogen dazu sowie einen Pfeil hält Amerika in ihrer Linken. Davor sitzt ein Vogel, möglicherweise ein Papagei.
Amerika gegenüber, rechts oberhalb dem Hauptportal, sitzt die Personifikation Afrikas, die von einem Elefanten begleitet wird. Auch Afrika trägt auf ihrem Kopf einen reichen Kopfschmuck aus Federn und Perlen. Perlenschnüre hängen auch um ihren Hals und um ihre Handgelenke. Ihre Brust ist ebenfalls mit einem Tuch nur halb bedeckt. Wie Amerika hat sie ein Bein zur Seite angewinkelt, allerdings hat sie ihr rechtes Bein darüber geschlagen, so dass auch dieses in den Raum greift.
Ihnen gegenüber sitzt auf der Schmalseite in der rechten Ecke Asien in Begleitung eines Dromedars. In ihrer Haltung unterscheidet sich Asien kaum von den anderen zwei Erdteilpersonifikationen. Auch sie sitzt mit zur Seite angewinkeltem Bein auf der Konsole, während ihr rechtes darüber hängt. Das Tuch verdeckt ihre Hüfte und ihre linke Brust, der Rest ihres Körpers ist nackt. Ihre Handgelenke und ihr Hals werden von Perlenketten geschmückt. Auf ihren Kopf trägt sie einen Turban mit einem Halbmond und einer Feder.
Gegenüber von Asia ist in der linken Ecke Europa mit einer Krone auf dem Kopf und in Begleitung eines Stiers dargestellt. Obzwar auch sie Perlenschmuck trägt und nur von einem Tuch bekleidet wird, das ihre rechte Brust entblößt, unterscheidet sie sich von den anderen Erdteilpersonifikationen im Detail. Denn mit angewinkelten Beinen sitzt sie auf der Konsole, sodass beide Beine in den Raum greifen. Im Gegensatz zu den anderen Personifikationen trägt sie an den Füßen Sandalen.
Die vier Erdteilpersonifikationen rahmen die Decke ein, auf denen zwei längsrechteckige Bildfelder das mittlere Bildfeld mit konvex-konkaven Rahmen einfassen. Auf dem mittleren Bildfeld erscheint das IHS-Monogramm in der Glorie. Über dem Querbalken des Buchstabens H erhebt sich das Kreuz, darunter ist das Herz mit drei Nägeln dargestellt. Die Strahlen, die von dem Christusmonogramm ausgehen, überlappen nicht nur die Glorie, sondern beinahe auch den Rahmen. Zwischen den Strahlen tauchen Wolken und Puttenköpfe auf.
Auch die längsrechteckigen Bildfelder werden von konkav-konvexen Rahmen eingefasst. Sie ähneln sich in ihrem Bildaufbau: So sind rechts und links jeweils zwei größere Figuren dargestellt, die von Tieren und Putti begleitet werden. Auf dem südlichen längsrechteckigen Bildfeld über dem Hauptportal sind zwei halbbekleidete Frauen dargestellt, von denen die linke in ihrer Rechten ein Füllhorn mit Blumen hält, während sie in ihrer Linken eine Blumengesteck emporhält. Ihr Kopf ist ebenfalls mit Blumen geschmückt. Im Kontrapost scheint sie geradezu zu tanzen, während der Stier neben ihr von einem Putto mit einer Peitsche angetrieben werden muss. Ein weiterer Putto bläst daneben in ein Horn. Links hinter der mit Blumen geschmückten Frau sind noch zwei weitere Putti, ein Zwillingspärchen, zu erkennen. Rechts neben dem Stier hat sich im Hintergrund ein Widder niedergelassen. Auch die rechte Gruppe ist sehr figurenreich. Den Mittelpunkt bildet dort die – ebenfalls im Kontrapost stehende – Frau mit dem Bündel Ähren im linken Arm und der Sichel in der linken Hand. Auch ihr Kopf wird von einem Ährenkranz geschmückt. Auch sie wird von einem Tier, einem Löwen, begleitet, der von zwei mit Ähren bekränzten Putti an einer Leine geführt wird. Während der vordere in seiner Rechten eine Keule schwingt, hält der hintere einen Krebs empor. In seiner Linken hält er ebenfalls ein Ährenbündel und die Löwenleine. Rechts, hinter der Frau mit den Ähren, ist eine weitere Frau in einem den ganzen Körper bedeckenden Gewand zu erkennen.
Das nördliche längsrechteckige Bildfeld wird von männlichen Figuren bestimmt. Auch hier gibt es zwei Gruppen: Links reitet ein wohlgenährter Mann auf einem Panther. Sein Kopf und seine Hüften sind mit Traubenranken geschmückt, ebenso die der Putti, die ihn begleiten. Während der Mann seinen Weinkelch leert, stützt ihn der linke Putto, während der rechte den Panther an der Leine führt und in seiner Linken eine Waage emporhält. Rechts neben ihm ist im Flachrelief noch ein Kentaur mit einem Bogen zu erkennen. Ebenfalls im Flachrelief, allerdings ganz links im Hintergrund ist ein weiterer Mann zu erkennen, der einen Skorpion in die Höhe hält. Der bacchantischen Gruppe steht die rechte Gruppe mit einem elegant voranschreitenden König entgegen. Dieser ist dargestellt als ein bärtiger Mann mit einer Krone auf dem Kopf und einem Hermelinumhang über den Schultern. In seiner Rechten scheint er eine Schriftrolle oder Ähnliches zu halten. Begleitet wird er von einem Steinbock, den zwei Putti mit Mützen auf dem Kopf vorantreiben. Der hintere schwingt die Peitsche, der vordere hingegen hat das Tier mit seiner Linken an den Hörnern gepackt, in seiner Rechten hingegen hält er einen Stock, an dessen Spitze zwei Fische baumeln. Rechts hinter dem König sieht man noch einen weiteren Putto, der aus zwei Kannen Wasser in eine Schale schüttet.
Beide längsrechteckigen Bildfelder ähneln sich in ihrem Bildaufbau und müssen zusammengelesen werden, da auf ihnen die Jahreszeiten mit ihren Tierkreiszeichen dargestellt werden.[3] So ist auf dem südlichen Bildfeld die blumengeschmückte Frau als Frühling, die ährengeschmückte als Sommer dargestellt. Passend dazu finden sich auch die entsprechenden Tierkreiszeichen: zum Frühling der Widder, der Stier und die Zwillinge; zum Sommer der Krebs, der Löwe und die Jungfrau. Auf dem nördlichen Bildfeld werden mit den männlichen Figuren die Jahreszeiten Herbst und Winter dargestellt: Der Herbst wird durch die bacchantische Darstellung des weintrinkenden Mannes versinnbildlicht, wozu auch die Tierkreiszeichen Waage, Skorpion und Schütze passen. Auch beim Winter, der hier in der Gestalt des Königs dargestellt wird, gibt es die entsprechenden Tierkreiszeichen Steinbock, Wassermann und Fische.
Die Jahreszeiten und die Tierkreiszeichen umgeben das IHS-Monogramm, das nicht nur auf Jesus Christus, den Namenspatron der Societas Jesu, sondern auch auf die Organisation selbst verweisen kann.[4] In jesuitischem Kontext wird das IHS-Monogramm oft als Illustrierung des Philipperbriefes verwendet, in dem es heißt: „ut in nomine Jesu omne genu flectatur cælestium, terrestrium et infernorum“ – „damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu“ (Phil 2,10). In diesem Zusammenhang werden auch oft die vier Erdteilallegorien gezeigt, die in verehrungswürdiger Weise dem Christusmonogramm huldigen. Die Darstellung der vier Jahreszeiten und der Tierkreiszeichen sind in diesem Kontext allerdings ungewöhnlich. Allerdings kennt bereits das Mittelalter eine solche Darstellung mit Christus in der Mandorla: am Tympanon beziehungweise in der Archivolte der inneren Vorhalle von St. Lazare in Autun (Frankreich, 1120/30). Dort stellen „Annus u[nd] Monatsbilder […] das Bild Christi in der Mandorla in [einen] kosmolog[ischen] Zusammenhang“.[5] Jedoch fehlen bei dieser Umsetzung die vier Erdteilpersonifikationen, was allerdings nicht bedeutend muss, dass im Kremser Festsaal, der ja hauptsächlich von Mitgliedern des Jesuitenordens besucht wurde, die kosmologische Dimension nicht um eine weltweite Dimension erweitert werden sollte.
[1] Zur Bedeutung von Graf Althan für die Kremser Jesuiten siehe Rill 1962.
[2] Das Bild ist wahrscheinlich erst im 18. Jahrhundert entstanden und stammt aus der Piaristenkirche in Wien. Vgl. hierfür Dehio 1990, 568.
[3] Vgl. Dehio 1990, 568.
[4] Vgl. Appuhn-Radtke 2003, 243. Zum Christusmonogramm siehe auch Schneider 2014, 249–254.
[5] LCI 2, Sp. 369.
FLACHDECKE
- Mittelfeld: Zeichen der Jesuiten IHS in Aureole, umgeben von Wolken und Putti
- zu beiden Seiten Felder mit allegorischen Szenen, die vier Jahreszeiten und die korrespondierenden Tierkreiszeichen vorstellend
- Norden: Herbst und Winter
- Süden: Frühling und Sommer
- in der Kehlung über dem Gesims in den Ecken Skulturen der vier Erdteile
- Norden: Europa, Asien
- Süden: Afrika, Amerika
- an den Längsseiten auf dem Gesims je ein paar Putti, an der nördlichen Schmalseite Kaiserkrone und Feldzeichen, flankiert von zwei Adlern
- an der Südwand Kartusche mit Porträt Graf Althans, flankiert von Genien mit Symbolen des Glaubens (Kelch, Hostie, Buch) und Kirchenmodell
In Vorbereitung der Übernahme des ehemaligen Jesuiten- bzw. Piaristenkollegs durch die Fachhochschule Krems 1995 wurden an den Gebäuden umfangreiche Adpatierungs- und Renovierungsarbeiten vorgenommen.
Der ehemalige Jesuitenkonvent wurde von 1636 bis 1641 erbaut, 1641 konnte der Konvikt von Jesuiten bezogen werde. Die Pläne hierfür lieferte möglicherweise Cyprano Biasino.[1] Zur Neugestaltung im Inneren kam es um 1720/30, denn in diesen Zeitraum wird die Stuckierung des Festsaals im Erdgeschoss und des Saals im ersten Obergeschoss datiert.[2] Die Stuckatur im zweiten Obergeschoss soll erst um 1760 entstanden sein.[3]
[1] Vgl. Dehio 1990, 567.
[2] In der Literatur wird der Raum sowohl als „Festsaal“ (Dehio 1990, 568) oder als „Speisesaal“ (Österreichische Kunsttopographie 1907, 241) bezeichnet. Eine ungefähre Datierung findet sich nur bei Dehio 1990, 568.
[3] Vgl. Dehio 1990, 568.
Zuletzt aktualisiert am: 24.03.2016