Matrei am Brenner (PB Innsbruck Land), Mariä Himmelfahrt Zitieren
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Die vier Erdteile in der Pfarrkirche von Matrei am Brenner sind in den Zwickeln der querovalen Vierungskuppel zu sehen. Umgeben von Rahmen aus vergoldetem Stuckrankenwerk, zeigen die vier Freskenfelder sitzende Personifikationen der Erdteile. Die Europadarstellung ist von besonderem Interesse, trägt sie doch die Züge Franz Stephans von Lothringen. Er ist nicht nur anhand seiner Gesichtszüge zu identifizieren, sondern eindeutig an dem geteilten Wappen rechts im Bild, das die Embleme des Hauses Lothringen-Toskana zeigt: ein Schrägbalken mit drei Adlern für Lothringen und die sechs schwebenden Kugeln der Medici für die Toskana. Links im Bild ruhen auf einem Podest die Reichskrone und der Reichsapfel, den der Kaiser mit seiner rechten Hand umfasst. Unterhalb ist auch der Reichsadler zu erkennen. Der Monarch selbst ist in antikisierendem Feldherrngewand dargestellt, auf dem Haupt trägt er den Lorbeerkranz des Siegers, die linke Hand ist auf einen Feldherrnstab gestützt. Im Hintergrund links ist Kopf und Hals eines gezäumten Schimmels zu sehen, dies ist das typische Tierattribut Europas. Diese martialische Ausstattung des Lothringers ist wohl im Kontext des übrigen Freskenprogramms zu sehen. Das große Fresko in der Mitte des Langhauses zeigt die Muttergottes mit dem Kind, Kaiser Karl VI. als Türkensieger im Feldlager vor seinem Zelt und Szenen aus dem Türkenkrieg (Reitergefecht, Belagerung). Mölk nutze demnach das Sujet der vier Erdteile, um den regierenden Kaiser Franz I. in die Reihe siegreicher habsburgischer Monarchen einzurücken.
Asien ist als beleibter osmanischer Fürst mit breitem Bart dargestellt. Er trägt prächtige, mit orientalischen Rankenornamenten verzierte Kleider, ein Turban mit Federbusch sitzt auf dem Kopf, mit der rechten Hand hebt er ein goldenes Räucherfass empor. Die Verbindung zum Osmanischen Reich unterstreicht ein Rossschweif mit Halbmond rechts am Bildrand. Der etwas plumpe Kopf eines Dromedars oder Kamels blickt über die Schulter dieser Asienallegorie – auch hier handelt es sich um ein typisches Tierattribut für diesen Erdteil.
Amerika sitzt an einen rohen Felsen gelehnt, hinter ihr ist exotische Flora angedeutet. Ihr Oberkörper ist unbekleidet, auf dem dunklen Haar sitzt ein goldener Kronreif mit zwei Federn. Um die Hüften ist eine rote, mit prächtigen Silberstickereien verzierte Decke geschlungen, in Händen hält die Allegorie einen Bogen sowie ein goldenes Räucherfass. Der tierische Begleiter Amerikas ist ein Krokodil, dessen Schädel rechts unten zu sehen ist.
Afrika erscheint in einem antikisierenden Gewand mit Hermelinkragen, auf ihrem Haupt ein weißer Turban mit Krone und rotem Federschmuck. Sie ist mit eine kurzen Speer bewaffnet, an ihrer rechten Seite steht ein goldenes Räucherfass. Darunter blickt ein Löwe auf den Betrachter hinab.
Die Erdteildarstellungen in Matrei folgen eng der ikonologischen Tradition wie sie durch die Iconologia Cesare Ripas vorgegeben war. Ein Bezug zu dem Fresko im der Vierungskuppel (Salomon und die Königin von Saba) ist nicht gegeben. Mölk wählte wohl einfach ein passendes Sujet, mit dem sich die Zwickelflächen bespielen ließen.
LANGHAUS
- Rosenkranzspende (Maria und der heilige Dominikus), Karl VI. im Feldlager, Prinz Eugen und sein Heer vor Belgrad
- Zwickel:
- links: Jaël tötet Sisera, Abigail und David
- rechts: Judith mit dem Haupt des Holofernes, Rahab und die Kundschafter
VIERUNGSKUPPEL
- Kuppelfresko: Salomon empfängt die Königin von Saba
- Pendentifs: die vier Erdteile
QUERSCHIFF
- links: der heilige Johannes Nepomuk vor König Wenzel
- rechts: Johannes der Täufer vor Herodes
CHOR
- zentrales Fresko: Mariä Krönung (Waldemar Kolmsperger d. J. 1945)
- Pendentifzone:
- die vier Evangelisten
- links: Lukas und Johannes
- rechts: Markus und Johannes
- Geschichte des Gnadenbildes Unser Herr im Elend, Grisaille
- rechts: Sturm auf der Überfahrt aus Palästina, das Gnadenbild wird auf Geheiß des Herrn von Raspenbühel in die Sill geworfen
- links: wundersame Rettung des Gnadenbildes aus dem Fluss, der Herr von Raspenbühel betet vor dem Gnadenbild
- heiliger Aloysius
- heilige Euphemia von Andechs
- die vier Evangelisten
1925–1926 Innenrestaurierung
1983 Außenrenovierung
1995–1996 Innenrenovierung
Die Fresken sind heute teilweise verblasst und es existieren kleinere Schadstellen im Putz.
Große Übereinstimmungen bestehen zu den von Joseph Adam Mölk kurz zuvor angefertigten Erdteildarstellungen in St. Nikolaus in Hall in Tirol (1751/52). Wichtigster Unterschied ist, dass dort die Europaallegorie die Züge Maria Theresias trägt. Aber Afrika, Asien und Amerika weisen eine ähnliche Komposition wie jene in Matrei auf.
Zuletzt aktualisiert am: 24.02.2016