Hindelang (Oberallgäu), St. Johannes Baptist Zitieren
Das Bild ist in zwei Teile geteilt: Im himmlischen, oberen Bildteil schwebt Jesus auf Wolken von Engeln umgeben, im terrestrischen, dem unteren Teil des Bildes haben sich die Vertreter der vier Erdteile auf Stufen versammelt. Im Zentrum reicht Europa in kniender Profilansicht dem Erlöser eine Schale voller brennender Herzen, wovon Jesus eines vor seiner Brust hält. Gekleidet ist die Repräsentantin Europas mit einem Brokatmantel, den ein überdimensionierter, breiter Hermelinkragen ziert. Auf dem Kopf trägt sie eine kleine Schmuckkrone, von der Perlenschnüre in ihr Haar geflochten sind. Es begleiten sie zwei Pagen, von denen einer auf einem roten Kissen die Krone des Heiligen Römischen Reiches sowie die Schlüssel Petri trägt. Der andere vervollständigt diese Insignien weltlicher und geistlicher Macht mit der Papstkrone, der Tiara.
Direkt unterhalb dieser Szene verbeugt sich tief der schwarze Bewohner Afrikas. Seine reiche Kleidung, muskulöse Erscheinung, krausen kurzen Haare und negroiden, feinen Gesichtszüge machen ihn zum Sinnbild eines edlen, ziviliserten „Wilden“. Er trägt einen blauen Wams mit kurzen geschlitzten Ärmeln und Perlenbesatz. Unter diesem schaut ein rotes Untergewand hervor und ein weiß-rot liniertes Tuch ist um seine Taille gewickelt. Zu seinen Füßen liegen ein Köcher voller Pfeile und ein Bogen.
Ihm gegenüber kniet Asien auf der untersten Stufe der Treppe. Er neigt seinen Kopf und hat seine rechte Hand auf seinem Herz gelegt. Seine Kleidung besteht aus einem rosa farbigen Kaftan mit Goldschnüren auf der Brust, einem Tuch als Gürtel und einem grünen Umhang, der mit Goldfransen am Saum verziert ist. Seine Haare hat er bis zur Mitte seines Kopfes geschoren und die restlichen im Nacken zu einem Zopf zusammengefasst. Vor ihm auf einem blauen Kissen ruhen ein Turban und ein Szepter, die jeweils den osmanischen Halbmond tragen. Mit seiner linken Hand umfasst er einen Säbel.
Hinter ihm, im Bildhintergrund, trennt eine Weltkugel Europa von Amerika, der auf der anderen Seite an dieser lehnt. Der wie Asien und Afrika ebenfalls männliche Vertreter hat sich in ein ockerfarbiges Gewand gehüllt, unter dem nur die Puffärmel seines türkisfarbigen Untergewands an den Oberarmen hervorschauen. Seine vor seiner Brust inbrünstig gefalteten Hände sowie sein himmelnder Blick bezeugen seine Bekehrung. Auf dem Kopf trägt er einen Turban, den an der Stirn ein Brosche mit drei Federn ziert. Das strahlende Weiß der Federn und der Perlen am Saum seines Gewandes kontrastieren seine dunkelbraune Hautfarbe.
Verherrlichung des Herzens Jesu durch die vier Erdteile (nicht mehr am Originalanbringungsort)
Das Altarblatt an der Rückwand der heutigen Pfarrkirche von Bad Hindelang befindet sich nicht mehr an seinem Anbringungsort, für den es 1728 ursprünglich geschaffen wurde. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wurde die Kirche zweimal restauriert. 1742 wurde im Zuge der Stuckierung der Kirche durch Joseph und Johannes Dornacher der gotische Hochaltar durch einen Stuckmarmoraltar ausgetauscht.[1] Dieser musste aber bereits 1791 einem neuen Hochaltar nach einem Entwurf des Bildhauers Johann Richard Eberhard weichen.[2] Im Rahmen dieser Neuausstattung der Kirche im klassizistischen Stil wurden auch zwei neue Seitenaltäre eingebaut, die allesamt 1842 neugefasst und schließlich nach dem Neubau der neugotischen Kirche endgültig entfernt wurden.[3] Das vorliegende Altarblatt wurde im Verlauf dieser zahlreichen Umgestaltungsmaßnahmen oder spätestens beim Neubau von seinem ursprünglichen Platz entfernt und an die Rückwand der Kirche verbannt.
[1] Vgl. KD Schwaben 8/1964, 350.
[2] Vgl. ebenda, 353f.
[3] Vgl. ebenda, 352.
Das Gemälde wird auf 1728 datiert: Zu dieser Zeit war der Augsburger Dompropst Joseph Melchior von Ulm (reg. 1725–1739) Patronatsherr. Allerdings, da es sich um ein Altargemälde handelt, muss er nicht zwangsläufig der Auftraggeber gewesen sein. Schließlich könnte der unbekannte Pfarrer wie auch ein Mitglied der Kirchengemeinde das Gemälde in Auftrag gegeben haben.
Erstmals erkannte der Kunsthistoriker Alfons Kasper in seinem Kunstführer Kunstwanderungen vom Ober- zum Ostallgäu 1969 eine mögliche Autorenschaft Balthasar Riepps, ohne dies jedoch zu begründen oder eine Datierung vorzuschlagen.[1] Keine fünf Jahre zuvor, 1964, wurde das Gemälde im Kunstdenkmälerverzeichnis Schwabens noch als „unbekannt“ geführt, allerdings erstmals auf 1760/1770 datiert. Diese Datierung basiert wohl auf einer stilistischen Einordnung des Rahmens, der um diese Zeit entstanden sein dürfte.[2] Während in der Zuschreibungsdebatte seit 1969 eine einhellige Zustimmung in der Forschung zu notieren ist, scheiden sich die Geister in der Datierung des Gemäldes.[3] Der Autor des einzigen und rezentesten Werkverzeichnisses zu Riepps Wirken, Josef Mair, sieht in dem Gemälde ein Frühwerk des Künstlers, das zeitgleich zu dessen signierten und datierten Seitenaltargemälden für die St.-Josephskapelle in Oberstdorf im Jahr 1728 entstanden sein könnte. Er begründete dies mit dem noch „unausgereiften frühen Stil“[4] Riepps, wie er in der Farb- und Faltengebung sowie den motivischen Übereinstimmungen mit den Werken vor und nach Hindelang zu bemerken sei. Mair bemerkte ferner Wiederholungen beziehungsweise Ähnlichkeiten einzelner Figuren, wie den kleinen sitzenden Putto am linken Bildrand, sowohl im Hindelanger als auch im Oberstdorfer Gemälde, respektive die seitenverkehrte Haltung des heiligen Ulrich im zwei Jahre später entstandenen Gemälde für die Pinswanger Pfarrkirche; auch folge die Farb- und Faltengebung der des Oberstdorfer Gemäldes.[5] Allerdings belegen diese Übernahmen sicherlich eine Autorenschaft Riepps, aber noch keineswegs überzeugend eine frühe Datierung, da Mair selbst eine Wiederholung der Gestalt Jesu in Riepps letztem Gemälde Verklärung Christi (1764) für die Benediktinerabtei St. Mang in Füssen konstatiert.[6]
Auch das Motiv der Erdteilallegorien findet sich in Riepps Spätwerken der 1750er-Jahre wieder: in einem Tafelbild Triumph des Namen Jesu (um 1750, heute: Museum der Stadt Kempten) und im Chorfresko der Biberbacher Wallfahrtskirche St. Jakobus d. Ä. und Laurentius (1753). Ein Vergleich drängt sich förmlich auf. Während auch das Kemptner Gemälde undatiert ist, steht es im Vergleich und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Fertigungstechniken zum sicher datierten Fresko in Komposition – Weltkugel, Übernahme von Figuren wie Asia (Biberbach) und Europa (Kempten) –, Malweise (virtuos, atmosphärisch, locker) und Dramatik (emotional, bewegungsreich) diesem näher; dies geht wiederum mit Riepps seit den 1740er-Jahren existierendem Ruf als Schnellmaler einher.[7] Das Hindelanger Werk im Gegensatz besticht durch seine Klarheit und Ruhe. Die Erdteilallegorien verharren starr in ihrer Anbetung; es stürmt keine von links heran (Kempten: Amerika), es verneigt sich niemand stürmisch (Biberach: Afrika), und am Himmel reißen nicht die Wolken auseinander, um den Blick auf die göttliche Erscheinung zu offenbaren. Diese skizzierten Beobachtungen entkräften eine späte Datierung und legen nahe, dass es sich um ein Frühwerk Riepps handelt. Dies wiederum widerlegt die Datierung des Autors des Hindelanger Kirchenführers Seufert, der es ohne nähere Begründung auf 1750 datierte.[8] Eine zeitnahe Entstehung mit den auf 1728 datierten und signierten Seitenaltargemälden der Oberstdorfer Josephskapelle ist anzunehmen.
Schlussendlich würde auch eine Anbringung des Gemäldes in der Hindelanger Pfarrkirche vor ihrer ersten großen Umgestaltung 1742 plausibel erscheinen; im Zuge dessen könnte es von seinem ursprünglichen Platz in einem Altar entfernt worden und zunächst rahmenlos verblieben sein. Um diesem Zustand abzuhelfen, wurde es zu einem späteren Zeitpunkt, um 1770/1780, neu gerahmt.[9]
[1] Kasper 1969, 164.
[2] vgl. KD Schwaben 8/1964, 357; Mair 2003, 95.
[3] vgl. hierzu Tacke 1998, 327 und Anm. 69; Mair 2003, 94; KF Hindelang 2009, 13.
[4] Mair 2003, 20.
[5] vgl. Tacke 1998, 327 Anm. 69; Mair 2003, 101 Anm. 4.
[6] vgl. Mair 2003, 101, Anm. 4.
[7] vgl. ebenda, 4.
[8] vgl. KF Hindelang 2009, 13.
[9] vgl. KD Schwaben 8/1964, 350.
Zuletzt aktualisiert am: 01.12.2015